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Langeweile.

Anbeter zn sich beschieden, damit so in stiller Verwunderung
ihrer eigenen Schönheit, und bei Hofmachen, Gedichte vorlesen,
Jntriguiren, Machiniren, Blicke wechseln, Herzen und Gedanken
austauschen :c. diese langen, langweiligen Stunden möglichst
schnell vorübergingcn. Demgemäß fehlte nun der Lord nie
beim Lever seiner Braut und Junior nie bei dem der alten
Gräfin, da jener dort Unterhaltung, dieser hier Langeweile
suchte. Aber fie erreichten beide auch hier nicht ihren Zweck,
denn in dieser einzigen Stunde des Tages, wo sie Junior
nicht als Beigabe zu ihrem Lord-Bräutigam haben konnte,
war Gräfin Viktorine gewöhnlich sehr übel gelaunt, und
Junior amüsirte sich sehr daran, daß sich die alte Gräfin
so schrecklich viel Mühe gab, um ihm hier anzudeuten, er möge
doch statt seines Bruders um ihre Tochter werben, und wie
ärgerlich sie wurde, wenn der dumme Landjunker, nach ihrer
Meinung, die Sache durchaus nicht begreifen konnte. Ja, als
er endlich in einem Anfall von außerordentlicher Gutmüthig-
keit ihr wie ganz absichtslos erzählte, daß er wie alle jüngeren
Söhne in England gar keinen Titel, Rang und Vermögen
hätte, machte sie Anfangs zwar ein gar bedenklich ernsthaftes
Gesicht, dann meinte sie aber, das hätte bei ihm keine Gefahr,
sein Bruder müsse doch bald sterben am Schlagfluß oder Was-
sersucht, und dann bekäme er ja ohnehin Alles.

Eine andere kuriose Sitte war ferner damals, daß wenn
man so einer Dame den Hof machte, man alles dummes Zeug
thun mußte, was ihr nur immer in den Kopf kam. So hatte
nun auch die alte Gräfin verlangt, Junior solle von ihrem
Kammermädchen nach und nach das Haarfrisiren lernen, —
damit sie, wenn er cs verstünde, ganz ungestört mit ihm allein
sein könnte, — und Junior hatte sich dagegen diese Lehrstun-
den sehr gerne gefallen lasten, weil ihm, als er sie bei der Gelegen-
heit näher betrachtete, ein paarmal im Dorfe mit ihr lustig ge-
tanzt und ein paarmal sie beim Nachhausegehen geküßt hatte,
B ab et, das Kammermädchen, unendlich besser gefiel, als selbst
die Frau Gräfin Viktorine. Diese war schön, jene war
hübsch, diese war sechsundzwanzig, jene war siebzehn Jahre alt,
diese war blaß und kränklicht, jene war frisch und gesund, diese
seufzte immer, jene lachte immer. Der Gräfin konnte freilich
sein Scherzen mit der hübschen Babet nicht entgehen, aber
so etwas hielt man damals bei einem Edelmanne keiner Be-
achtung würdig.

Als nun die alte Gräfin trotz aller ihrer Bemühungen
ihrem Ziele um keinen Schritt näher kam, denn der I u n i o r
war ein seiner und schlauer Vogel geworden durch das lange
Leben aus dem Schloste, da erklärte auf einmal Gräfin
Viktor ine, ihrer Mutter Haare würden jetzt viel bester ge-
macht, als ihre, und Junior solle jetzt auch einmal sie frisiren
und der Lord der Alten Gesellschaft leisten.

Gesagt, gethan, schon am nächsten Morgen mußte der
Lord der alten Gräfin, Junior aber Viktorinen auf-
warten. Und, o Wunder, im Widerspruch mit den Wünschen
unserer Reisenden hatten die Damen wiederum sich geändert.
Der Lord langweilte sich so, daß er zuletzt laut gähnte, denn
die Alte sprach heute vor lauter Unruhe und Spannung kein
Wort, Junior mußte sich dagegen bei Viktorinen vortreff-
lich unterhalten haben, denn kaum auf des Lords Zimmer an-
gelangt, warf er sich hell auflachend in einen Sessel und fragte
ganz treuherzig: ob es langweilig wäre, ein Mädchen zu ent-
führen? Eine Sünde könnte cs doch gewiß nicht sein, wenn
Einen Eine so gar schrecklich lieb habe. Der L o r d lief daraus ;
mit unverständigem Gemurmel wohl eine Stunde lang im Zim-
mer auf und ab, und als Junior, der nie lang auf einem
Flecke verweilen konnte, seine Flinte genommen hatte, und in
den Wald hinausgeeilt war, befahl Seine Lordschaft ihrem er-
sten Kammerdiener, in aller Stille cinzupacken, und seinen Leu-
ten, welche im Dorfwirthshause logirten, die Weisung zu brin-
gen, daß sie präcis eilf Uhr mit dem Reisewagen am Hinteren
Parkthore seiner warten sollten.

Den ganzen Tag wichen alle im Hause einander sorgfäl-
tig aus, denn jeder fürchtete, man möge an der leisesten sei-
ner Mienen schon sein Geheimniß errathen, und als endlich
die schwärzeste und stürmischte aller Herbstanfangsnächte an-
brach , ließen alle für's Nachteffen sich entschuldigen. — —
Vom Gekrächze einiger durch den Sturm aufgescheuchter Raben
unterbrochen, schlägt es d'runten im Dorfe langsam und
feierlich eilf. Ein zartes Frauenzimmer schleicht vor Frost
und Grausen zitternd eine urkundlich seit zwanzig Jahren, d. h.

seit dem Tode des Besitzers dieses Schloffes, nicht betretene
Treppe hinab; dieser starb uämlich in Folge eines Bein-
bruchs, den er sich durch einen Fall auf besagter enger Wen-

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die schöne Geschichte von dem Manne, welcher die Langeweile kennen lernen wollte"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Furcht <Motiv>
Karikatur
Junge Frau <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 1.1845, Nr.24, S.187

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