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Langeweile.

I 188

dcltreppe zuzog. Das zitternde Frauenzimmer meint leises
Geisterweben um sich her zu spüren, wie sie im Vorwärts-
schreiten mit Gesicht und Händen zwanzig Jahre alte Spinnen-
webenmasien durchschneiden muß. Endlich hat sie drunten
die Thüre erreicht, diese widersteht einen Augenblick ihrer schwa-
chen Kraft, und stürzt endlich mit lautem Gepolter zu Boden.
Die Thüre war nur angelehnt, denn Angeln und Schloß sind,
wie so manches andere EiMwcrk in diesem entlegenen Theil
des Schlosses, von treuen Dienern des Pimpelsheimischen Hau-
ses längst verkauft, um sich für den noch länger rückständigen
Lohn zu entschädigen. Wie ein gescheuchtes Reh flieht jetzt die
erschreckte Flüchtlingin den dunklen lllmengang hinab, ein Mann
kommt rasch aus einem Seitengang nicht weit von ihr, sie
will rufen, besinnt sich, und schon sind seine Schritte verhallt.
Sie meint in der Ferne eine weibliche Stimme schreien und ei-
nen Wagen davon fahren zu hören; schon will sie wieder um-
kehrcn, aber nein, sic geht bis an's Parkthor, und richtig ihr
Wagen hält noch dort; des Lord's Bedienter hebt so eben ein
Frauenzimmer hinein, das muß Ba bette sein. Der Bediente
fragt leise: die auch? — die weibliche Stimme antwortet leise:
Nur rasch! — unsere interessante Nachtwandlerin fühlt sich
gleichfalls gepackt und in den Wagen gehoben, und fort geht's
so rasch, wie nur vier gute Engländer lausen können.

Wenn wir uns die Resultate der dunklen Ereignisse die-
ser stürmischen Nacht bei Licht besehen, so finden wir am an-
deren Morgen in einem Wirthshause, fünf Stunden südlich von
Pimpelsheim Junior und Ba bette höchst vergnügt beim
I Eaffee sitzend, und in einem zweiten Wirthshause, fünf Stun-
den nördlich von Pimpelsheim, sitzen der Lord und die alte
Gräfin, gleichfalls nur durch eine Kaffeekanne getrennt, sich
auch gegenüber, aber sie machen höchst langweilige abgespannte Ge-
sichter, und aus deni Sopha daneben liegt Gräfin V i k t o r i n e
in Thränen gebadet. Die Sache verhält sich aber ganz einfach
so. Das Resultat des -langen töte a töte Juniors mit
Viktorinen war nämlich gewesen, daß Ersterer versprochen
, hatte, wenn die schöne Gräfin wirklich so schrecklich in ihn ver-
liebt wäre, so wolle er sie entführen. Um aber bei der Sache
doch den Anstand zu konserviren, so solle die Gräfin sich ihrer
Mutter entdecken, damit diese (als ob sie die ganze Geschichte
errathen hätte) zuerst in den Wagen Hineinsitzen, und dann
endlich bei Tagesanbruch mit lautem Eclat sich zu erkennen
geben könne. Durch die Dienerschaft würde dann schon das
Gerücht unter die Leute kommen, als ob Viktorine die Ge-
stalt im Wagen für Babet gehalten hätte u. s. w. Durch
diesen höchst schlau ersonnenen Plan, hatte die Alte gemeint,
würde man am schnellsten und sichersten an das von allen Be-
theiligten erwünschte Ziel kommen, nämlich dem alten Lord den
Besitz Viktorine ns unmöglich , eine schnelle Heirath noth-
wendig , und das klebrige würde sich von selbst machen.
Gut. —

Nun waren aber leider wegen der schnellen Abreise des
Lords zwei statt eines Wagens am Parkthore gewesen, und I u-
n i o r hatte aus Versehen die nach neugieriger Kammermädchen-
weise gleichfalls dort herumschleichende Babet erwischt, und
! als er seines Jrrthumes inne geworden, da hatte er nicht erst
lange auf die junge Gräfin gewartet, sondern den Kutscher
tüchtig zufahren lasten; denn wenn er sich die Sache reiflich
bedachte, so war sie ihm gerad so recht. Anderseits hatte der

Wie sah es aber am Mittage nach der Flucht mit unfern
beiden Paaren aus? — So, daß unsere Geschichte ein baldi-
ges Ende nehmen muß. Der Lord und die Gräfin hatten sich
nämlich klug in des Schicksals Willen gefunden, saßen jetzt
höchst vergnügt wieder im Schlöffe beim Verlobungsschmauße,
und seine Lordschaft versicherte einmal über das andere, das
sei das Erste, welches ihn in seinem Leben recht von Herzens-
grund amüsirte, daß Gräfin V i k t o r i n e ihn jetzt doch heirathen
müsse, und die Gräfinnen waren mit dieser Wendung der
Sache sehr zufrieden, weil sie jetzt erfahren hatten, I u-
nior wäre zwar ein jüngerer Sohn, aber nicht aus einer
altenglischen Adelsfamilie, sondern aus der viel älteren
und größeren derer von Habenichts in der Linie
Melchior. Bald darauf wurde die Hochzeit mit großein
Gepränge gefeiert, und als man in der Umgegend genug
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die schöne Geschichte von dem Manne, welcher die Langeweile kennen lernen wollte"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Lord
Karikatur
Identifikation
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 1.1845, Nr.24, S.188

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Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
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