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a3 Die Petroleumlampe, i)-~r

schenken Sie mir ein!" sagte der Referendar zu
jrj/gv dein Diener, der in weißbaumwollenen Handschuhen
geräuschlos seines Amtes waltete. „Vorsichtig!" setzte
er ganz unnöthigerwcise hinzu — denn der Weißbaum
wollene war die Geschicklichkeit selber.

„Schad' um jeden Tropfen, der daneben ginge!" wendete
sich der Referendar, den wein durch die Zähne ziehend, dann
an seinen Rachbar.

„Exquisit!" nickte ihm dieser mit seinem lachenden voll-
mondsgesichte zu. „Unser Freund hat nicht umsonst seine ge
priesene Zunge. . . Prosit! Lassen wir ihn leben! Beut’ an
seinem Geburtstag ..."

„StillI wollen Sie etwa die Rede halten?" siieß ihn der
Referendar mit dem Ellbogen an. „Sehen Sie denn nicht, wie
drüben der Major schon die Messerklinge zückt! Er wird gleich
loslegen I"

wirklich erklang in diesem Augenblick der ominöse Schlag
cut das (Sias.

Aber die Ruhe war nicht sogleich herzustellcn. Der Major
ließ den Schnurrbart nachdenklich durch die Finger gleiten, richtete
den Blick aus sein Opfer, den Hausherrn, der in stiller Erwart-
ung dasaß wie ein Lamm, und wollte eben anheben
zuckte seine Frau von ihrem Sitz empor und frug leise, wie von
einem plötzlichen, unruhigen Gedanken ergriffen:

„Erwin, ob der Bursche
wohl die Petroleumlampe
ausgelöscht hat?" — All-
gemeines Erstaunen. —
Der Major, sehr ägrirt,
drückte seine bessere
Hälfte auf ihren Sitz
zurück und rollte ein paar unverständliche Laute des Aergers durch
bie Zähne. Er war aus der Stimmung. . Fatal! Aber auch die
Zuhörer waren aus der Stimmung. . Fataler! Dennoch sing er
an — was blieb ihm übrig I )m Vertrauen auf seine Geschicklich-
kcit hatte er eine Entgleisung wohl kaum zu fürchten; aber der
Duft war fort, die Farbe! Das Gebäude seiner Rede war ja
nicht zu erschüttern; aber der Gemüthston vibrirte nicht, der
^Ditz zündete nicht, und das Feuerwerk, mit dem er prasselnd

schließen wollte, war naß geworden. Er war nicht bei der
Sache; es schien fast, als habe ihn seine Frau angcsteckt,
als schwebten seine Gedanken ebenfalls um die unausgelöschte
Petroleumlampe. Trotzdein kam er ungefährdet bis zum „Lebe-
hoch!" auf den wirth. Die Anwesenden stimmten um so lauter
ein, als sie fühlten, wie froh der Redner war, zu Ende zu
sein. Man stattete dem Hausherrn die Gratulationscour ab,
stieß mit ihm an und verzog den Mund zu dem dabei üblichen
Lächeln. Man stieß auch mit dem Redner an, ließ aber das
Lächeln verschwinden — es hätte sich übel deuten lassen.

Dann nahm Alles wieder Platz und versuchte, es sich auf's
Neue gemüthlich zu machen. Aber cs wollte nicht glücken; un-
willkürlich hefteten sich alle Augen auf den Major, der stumm
dasaß, den Blick auf seinen Teller geheftet. Er hatte gehofft,
einen seiner Siege zu feiern, und mußte jetzt wahrnehmen, daß
der Barometer der Geselligkeit, der noch eben auf „schön" ge-
standen hatte, tief auf „veränderlich" gesunken war, und in den
Mienen seiner Frau, die er zufällig streifte, las er sogar „Sturm".
Die Stille, die er vorhin erzwingen mußte, trat nun, ganz un-
passend, von selbst ein; ja, als er seine Frau halblaut frug:
„was meintest Du vorhin mit der Petroleumlampe?" lauschte
Alles wie verabredet und gab nun gerade nicht willkommene
Zuhörer.

„wer weiß, ob der Bursche die Petroleumlampe ausgelöscht
hat?" sprach die Frau. „Er ist oft so nachlässig!"

„Nun, was weiter?"

„Aber Du weißt doch, Erwin, daß Fritz bei Licht nicht
schlafen kann! wie leicht kann er versucht haben, die Lampe
selbst zu löschen, kann sie umgeworfen haben, sie kann erplodirt
und das größte Unglück geschehen sein!"

Der Major wurde sichtbar betroffen von diesen Worten.
Sonst ein Mann von Festigkeit, resolut und Feind jeder Grille,
war er durch die rostig gewordene Rede verstimmt. Statt seine
Frau wie sonst durch sein mannhaftes Wort zu beschwichtigen,
wurde er unruhig, sah nach der Uhr und meinte, man müßte
wohl den früheren Zug benützen. Alles protestirte, voran natür-
lich der Hausherr; es war übrigens zu spät zum Fahren.

„wann geht der nächste?"

„Um zwei Uhr Morgens!" war die Antwort.

„Sapperlot, 's ist noch lang bis dahin!" platzte der Major in
seinem Aerger heraus und mahnte damit an die Stunde, die be-
kanntlich keinem Glücklichen schlägt.

wie ein Alp lastete es auf der Gesellschaft. Der Diener
servirte unverdrossen weiter und war der Einzige, der nicht die
Miene gewechselt hatte.

Der Major sah still vor sich hin, trommelte mit den Fingern
und konnte sich offenbar nicht von seiner Unruhe befreien.
Schlimmere Zeichen standen auf der sorgenvollen Stirne seiner
Frau. Man suchte ihnen zu Hülfe zu kommen.

„Fritz ist doch neun Jahre und nicht ungeschickt!" sagte die
Hausfrau und brach damit das bange Schweigen.

„Die Lampe brennt aber im Nebenzimmer!" erwiderte ihr auf-
geregt die Frau Major. „Fritz ist gewohnt, daß ich sie anslösche,
und wenn es der Bursche vergaß, taumelt Fritz schlaftrunken aus
dem Bett, will dunkel machen und wirft die Laitipe um!"

„warum soll es aber der Bursche vergessen?" schmeichelte ein
Laß in seinen weichsten Tönen.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Petroleumlampe"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Langhammer, Arthur
Entstehungsdatum
um 1903
Entstehungsdatum (normiert)
1898 - 1908
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 118.1903, Nr. 2998, S. 15

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