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Der Arakebler.
Frevler zu und rief in befehlendem Tone: „Was fallt denn
Ihnen ein? Da darf Niemand 'raussitzen! Augenblicklich tragen
2' den Stuhl hinein!"
„Was soll ich?" brüllte wuthschnaubend Bayerlein. „Für wen
halten Sie mich eigentlich, Sie Tappschädel? Wissen Sie, wen
Sie vor sich haben? Ist das eine Art, Passagiere zu behandeln?
Wer hat Ihnen befohlen, so mit mir zu sprechen? . . Das will ich
doch sehen, wer mir verbieten kann, daß ich als Passagier hier
sitze und auf den Zug warte!" — Der Stationsdiener war etwas
unsicherer geworden und entgegnete: „Da hilft Alles nichts, das
ist eine Anordnung des Stationsvorstandes, und wir müssen dar-
nach handeln!" — „Das muß ein netter Strohkopf sein, dieser
Stationsvorstand — der soll nur einmal kommen — dann kann
er was hören!"
Nun wurde der Stationsdiener wild. „Das werd' ich gleich
berichten, dann können Sie's mit ihm ausmachen!" sagte er und
ging zum Chef, um Alles zu melden. — Bayerlein wich nicht vom
Platz und war bereit, der ganzen Welt Trotz zu bieten. — Da
erschien wieder eine Person am Bahnsteig — es war Strohberger,
der eben schweißbedeckt und keuchend anlangte. „Gott sei Dank",
rief er, „ich habe schon geglaubt, ich würde den Zug versäumen;
ich bin gelaufen, daß ich fast nimmer auf den Füßen stehen
kann!" Da blitzte etwas im Gesichte Bayerleins auf und er
sagte zu Strohberger: „Da hat's noch Zeit mit dem Zug —
setzen S' Ihnen da auf den Stuhl; hier können S' gemüthlich
ausruhen und haben eine prachtvolle Aussicht! Ich bin schon
lang genug dagesessen I"
Strohberger nahm das Anerbieten ebenso dankbar, als arg-
los an und erwiderte:
„Sie sind halt doch ein
Prachtmensch, trotzd em
Sie ein so hartnäckiger
Arakehler sind!" Tr ließ
sich mit einem behag-
lichen „Ah!" auf den
Stuhl fallen und Bayer-
lein zog sich durch die
Restauration zurück.
Da kam es von der
Ferne, das Verhängnis;,
in Gestalt des Stationschefs, der wie ein Tiger auf den armen
Strohberger losstürzte: „Herr!" schnaubte er ihn an, „was glauben
Sie denn eigentlich? Glauben Sie, eine Behörde lasse mit sich Spalt
treiben, Sie Ausbund der Frechheit?" — Strohbcrger war so über-
rascht, daß er nichts zu erwidern wußte, sondern den hohen Lhef
nur sprachlos anglotzte. Das machte diesen noch giftiger. „Jetzt
frage ich Sie", schrie er, „wollen Sie augenblicklich den Stuhl in
die Restauration hineintragen, oder nicht?" — Nun stieg dem
guten Strohberger doch auch das Blut zum Aopf. „Erlauben Sie
mir, Sie Mensch Sie, den ich gar nicht kenne, wie kommen Sie
dazu, mich wie Ihren Hausknecht zu behandeln? Sie sind offenbar
betrunken und wissen nicht, mit wem Sie sprechen — ich werde
das Beschwerdebuch verlangen!" — „Und ich werde Sie arretiren
lassen!" rief der empörte Beamte. — „was?" rief Strohberger,
„mich arretiren? Das versuchen Sie einmal, Sie Trunkenbold
im Dienst!" — „Noch einmal sagen Sie so etwas", kreischte der
Thef — da fuhr der Zug in die Station. Der Beamte mußte in sein Büreau, und
Strohberger sah ihm mit hochgeröthetem Gesichte nach, wie einer, der bereit ist,
jeden Aampf aufzunehmen. Da ergriff ihn Jemand beim Arm — cs war Bayerlcin; dieser
zog ihn mit sich fort und sagte: „Steigen S' nur schnell ein, sonst wird die Geschichte
für Sie unangenehm... Sie sind ja ein Hauptkrakchler! . . Und Sie wollen mir Vor-
würfe machen? wissen Sie nicht, daß man einer Behörde gegenüber um keinen Preis
krakehlon soll??" B. Raucheneggcr.
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Der Arakebler.
Frevler zu und rief in befehlendem Tone: „Was fallt denn
Ihnen ein? Da darf Niemand 'raussitzen! Augenblicklich tragen
2' den Stuhl hinein!"
„Was soll ich?" brüllte wuthschnaubend Bayerlein. „Für wen
halten Sie mich eigentlich, Sie Tappschädel? Wissen Sie, wen
Sie vor sich haben? Ist das eine Art, Passagiere zu behandeln?
Wer hat Ihnen befohlen, so mit mir zu sprechen? . . Das will ich
doch sehen, wer mir verbieten kann, daß ich als Passagier hier
sitze und auf den Zug warte!" — Der Stationsdiener war etwas
unsicherer geworden und entgegnete: „Da hilft Alles nichts, das
ist eine Anordnung des Stationsvorstandes, und wir müssen dar-
nach handeln!" — „Das muß ein netter Strohkopf sein, dieser
Stationsvorstand — der soll nur einmal kommen — dann kann
er was hören!"
Nun wurde der Stationsdiener wild. „Das werd' ich gleich
berichten, dann können Sie's mit ihm ausmachen!" sagte er und
ging zum Chef, um Alles zu melden. — Bayerlein wich nicht vom
Platz und war bereit, der ganzen Welt Trotz zu bieten. — Da
erschien wieder eine Person am Bahnsteig — es war Strohberger,
der eben schweißbedeckt und keuchend anlangte. „Gott sei Dank",
rief er, „ich habe schon geglaubt, ich würde den Zug versäumen;
ich bin gelaufen, daß ich fast nimmer auf den Füßen stehen
kann!" Da blitzte etwas im Gesichte Bayerleins auf und er
sagte zu Strohberger: „Da hat's noch Zeit mit dem Zug —
setzen S' Ihnen da auf den Stuhl; hier können S' gemüthlich
ausruhen und haben eine prachtvolle Aussicht! Ich bin schon
lang genug dagesessen I"
Strohberger nahm das Anerbieten ebenso dankbar, als arg-
los an und erwiderte:
„Sie sind halt doch ein
Prachtmensch, trotzd em
Sie ein so hartnäckiger
Arakehler sind!" Tr ließ
sich mit einem behag-
lichen „Ah!" auf den
Stuhl fallen und Bayer-
lein zog sich durch die
Restauration zurück.
Da kam es von der
Ferne, das Verhängnis;,
in Gestalt des Stationschefs, der wie ein Tiger auf den armen
Strohberger losstürzte: „Herr!" schnaubte er ihn an, „was glauben
Sie denn eigentlich? Glauben Sie, eine Behörde lasse mit sich Spalt
treiben, Sie Ausbund der Frechheit?" — Strohbcrger war so über-
rascht, daß er nichts zu erwidern wußte, sondern den hohen Lhef
nur sprachlos anglotzte. Das machte diesen noch giftiger. „Jetzt
frage ich Sie", schrie er, „wollen Sie augenblicklich den Stuhl in
die Restauration hineintragen, oder nicht?" — Nun stieg dem
guten Strohberger doch auch das Blut zum Aopf. „Erlauben Sie
mir, Sie Mensch Sie, den ich gar nicht kenne, wie kommen Sie
dazu, mich wie Ihren Hausknecht zu behandeln? Sie sind offenbar
betrunken und wissen nicht, mit wem Sie sprechen — ich werde
das Beschwerdebuch verlangen!" — „Und ich werde Sie arretiren
lassen!" rief der empörte Beamte. — „was?" rief Strohberger,
„mich arretiren? Das versuchen Sie einmal, Sie Trunkenbold
im Dienst!" — „Noch einmal sagen Sie so etwas", kreischte der
Thef — da fuhr der Zug in die Station. Der Beamte mußte in sein Büreau, und
Strohberger sah ihm mit hochgeröthetem Gesichte nach, wie einer, der bereit ist,
jeden Aampf aufzunehmen. Da ergriff ihn Jemand beim Arm — cs war Bayerlcin; dieser
zog ihn mit sich fort und sagte: „Steigen S' nur schnell ein, sonst wird die Geschichte
für Sie unangenehm... Sie sind ja ein Hauptkrakchler! . . Und Sie wollen mir Vor-
würfe machen? wissen Sie nicht, daß man einer Behörde gegenüber um keinen Preis
krakehlon soll??" B. Raucheneggcr.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Krakehler"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1903
Entstehungsdatum (normiert)
1898 - 1908
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 119.1903, Nr. 3036, S. 166
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg