Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Die Papiere des Herrn Leutnant.

219

neugierig — besonders was Leutnants-Achillesferse betrifft —
verstehen schon — Herzensvergangeuheit! Mich mehrmals
schon elend in's Gebet genommen! Allerdings bis heut' jeden
Angriff schneidig xarirt — aber immer eklig unangenehmes Ge-
fühl, könnte mich 'mal verplappern oder sonstwie gewisse kleine
Abenteuer entdeckt werden —"
„Aber Kamerad I" rief Schneidwitz mißbilligend und halblaut
aus. „Kleine Abenteuer bei Bfficier — zumal Eavallerie —
selbstverständlich! vernünftiges Mädl wird nie anders denken
können I — Also 'mal stramm antreten: Ganze Geschichte
herunterbeichten i Generalxardon! Neues ballctrattenloses, fabel- !
Haft treues Dasein!"
Günther inachte ein verzweifeltes Gesicht. „Kamerad reden
s>ch leicht! Waren eben noch nie so pyramidal verliebt wie ich in
Erna! Möchte niemals in ihren Augen leisesten Makel besitzen
^ soll mich für total tadellos halten — Geständniß unmöglich —
sonst gewissermaßen Duft weg von Schmctterlingsflügeln!"
„Schmetterling — sehr gut!" lachte der Andere. „Kecker
Halter will auf einmal sittsames Johanniswürmchen werden —
ua, na!"

„Kommen Sie!" unterbrach ihn Günther. „Erna beobachtet
ans! Könnte leicht verdacht von Lomplot schöpfen —"
„Ganz Sklave!" murmelte Schneidwitz kopfschüttelnd und
üeß sich zu der Damengruppe führen.
Man konnte nicht einen Moment in Zweifel bleiben, daß
Erna Wolf thatsächlich eine der reizendsten Erscheinungen der
Aesidenz sei. Dieses edle und dabei lebensprühende Gesicht, diese
At'acjgs^ formenschöne Gestalt und vor Allem dieses Auge —
ebenso reich an Ausdruck wie der Tag an Sekunden: Jeden Augen-
leuchtete es neu von Geist, Humor und Gemüth aus ihm.
„Ah!" rief sie mit mißtrauischer Schalkhaftigkeit. „Die
Herren haben sicher gerade irgend etwas Geheimnißvolles gegen
"Us ansgeheckt, weil Sie so eifrig mitsammen dcbattirten!"
„Durchaus Irrthum, Gnädigste!" protestirte Schneidwitz.
'Haben lediglich über Taktik im Felde gesprochen!"
»Im Felde gegen uns!" lachte eine junge Direktorsgattin.
»Herr von Schneidwitz als erprobter Feldherr im Kampfe gegen
ornio Weiberhcrzen hat natürlich seinen jüngeren Freund mit den
Röthigen Instruktionen ausgestattet I"
»V," sagte Erna muthwillig, „nicht erst nöthig, Frau
Direktor — was die Kriegskunst gegen uns Frauen betrifft, ist
v>ein Bräutigam sein eigener Moltke!"

lauter Beifall lohnte diese Worte, so daß Günther kaum
"'ü seine», Protest durchdringcn konnte: „Alles pure verleumd-
""ZI Anschnldigstcr Leutnant der Armee!"
lViderspruch und Gelächter folgten.
»Hören Sie mal", meinte einer der älteren Herren — ein
lVssor, „Unschuld und Leutnant — coutrsäictio in achecto!"
„B, er ist ein Leisetreter!" sagte Erna mit komischem
sollen und nickte mit dein Kopfe. „Er beichtet und bekennt
lk! Aber ich werde ihn überführen! Noch vor dem
ricesauite werde ich dein Sünder seine tollen Lcutnantsftreiche
achweisen, und dann soll er fünfzig Jahre lang in Sack und
>che Buße thunl"
. 2ie hob die Finger zum Schwur empor, und vor ihrem
^vuieuden Blick, in dem die heimliche Drohung lag: „Warte
uh ertapp' dich schon, du Heuchler — 's ist nicht blos Spaß!"
^ Grauen über Günther.
,V! Prüfung wird für mich mit
Triumphe enden — werde nie Dageweseues leisten!"

- , rief er lachend:
k°l°ssale„>

Auf dem Nachhausewege später sagte er sich aber doch: „Wird
immerhin gut sein, wenn wir reinen Tisch machen! Werde 'mal
morgen früh letzte Reliquien verbrennen — theuerste Andenken
verflossener Thorheiten, die ich bis jetzt noch aufbewahrte I"
Wie er aber dann au, nächsten Mittag das stattliche Päckchen
von duftenden Briefen, gepreßten Blumen, Schleifchen, ja sogar
Locken zusammengesucht hatte, brachte er's nicht über's Herz, sie
selbst den Flammen zu opfern. Er rief seine», Burschen.
„Hans", sagte er, „wenn ich jetzt fortgegangen bin und
wenn Du annehmen kannst, daß ich um die nächste Straßenecke
gekommen sein werde, dann nimm dieses Päckchen Papier und
leg' es in den Vfen!"
Er warf seinem Diener einen tragischen Blick zu, winkte
abgewendeten Gesichtes noch einmal nach den eben verratheneu
Zeugen einer thöricht schönen Zeit zurück und ging im Lntsagungs-
schritte aus der Wohnung. -— Hans sah ihm kopfschüttelnd nach.
„Seitdem er verlobt ist, spinnt er!" brummte er und rieb
sich mit der Faust die Stirne. Er war Alles eher als ein großes
Geisteskind — aber ein solch' seltsames Gebühren fiel ih», doch
auf. — Wie er eben an sein Werk ging, klingelte es.
Er legte die Briefe auf den Stuhl und öffnete außen im
Lorridor. „Ah!" sagte er entzückt. „Das gnädige Fräulein
Braut!"
Hans war ein leidenschaftlicher Bewunderer von Erna's
Schönheit. Wenn er sie sah, war er vollständig weg.
„Der Herr Leutnant sind ausgegangen I" stammelte er, ver-
gaß, den Mund wieder zu schließen, und starrte Erna an.
„Was treibst Du denn?" frug sie, neugierig hereinlugend,
da sie das Feuer prasseln hörte. „Ich glaube gar, Hans, Du
schürst den Mfen beim wärmsten Frühlingswetter! ?"
„Ja," sagte er, „ich verbrenne Papier!"
„Du verbrennst Papier?" wiederholte sie und stand schon
im Zimmer auch. Sie sah schon das Päckchen und hatte bereits den
eifersüchtigen, felsenfesten Entschluß gefaßt, nicht mehr ohne das-
selbe aus de», Hause zu gehen.


In solchen Augenblicken ist jede Frau eine vollendete Schau-
spielerin.
„Hans", sagte sie lachend „Du bist ein großes Kind! wenn
Du bei dem Frühlingswindc hier im Zimmer all' das Papier
verbrennst, stößt es Dir ja den (pualm wolkcnweise aus dem Rohr,


19*
Image description

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Papiere des Herrn Leutnant"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Schlittgen, Hermann
Entstehungsdatum
um 1903
Entstehungsdatum (normiert)
1898 - 1908
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 119.1903, Nr. 3041, S. 219

Beziehungen

Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
 
Annotationen