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A° Dora6 Gchirurrbarr.

ora hatte ihr Pelzbarett in dem reichen dunkelbrünetten
paar festgesteckt, ließ die Arme langsam aus den Toiletten-
tisch sinken, stützte sich leicht aus sie, beugte sich so gegen
den Spiegel und schaute mit großen Augen intensiv in das
blinkende Glas.

Sie war schön - sehr schön sogar .... und das wußte sie.
Nur — ach, ja, auch bei ihr gab es ein nur! — ein ganz kleiner
zarter Flaum war über die Vberlippe hingeweht wie der inatte
brauch über eine Pfirsich.

wie oft hatte sie das schon gekränkt I

.... Da klapperten draußen ein paar Schlittschuhe — ein
blonder Mädchenkopf guckte durch die halbgeöffnete Türe und eine
Helle Stimine ries: „Guten Morgen, Doral"

„Guten Tag,

Lotte!" nickte sie der
Freundin zu — in den
Spiegel hinein, ohne
sich umzudrehen.

„Eitelkeit!" ries
die andere lachend.

„Komm’, es ist höchste Zeit! Reiß’ Dich los von Deinem holden
Ebenbild! Schöner wirst Du doch nicht mehr, und Deinen Schnurr-
bart bringst Du damit auch nicht weg!"

„was!" schrie Dora aus und wandte sich blitzschnell um.
Ebenso rasch schoß ihr der Gedanke durch den Aops: „Also ist er
wirklich zu merken! Ich dachte, ich allein wüßte darum! Nun
weiß sie es auch — wie schrecklich!"

Der kleine Kobold aber lachte und neckte sie: „Natürlich hast
Du einen Schnurrbart; man merkt es bloß ein ganz klein wenig —
aber laß nur Assessor Schmitt davon nichts ahnen, wenn er morgen
bei Geheimrats nach dem Tanz neben Dir zu Tische sitzt. Er ist
ein sehr moquanter perrl Aber er scheint sich ja ganz kolossal für
Dich zu interessieren . . . ."

„Unsinn!" stammelte Dora; doch die heiße Röte auf ihren
Wangen verriet der Freundin, was in dein kleinen perzchen sehn-
suchtsvoll klopfte.

Assessor Schmitt kam vom Tanz nach Pause. Er war entzück
Noch nie hatte er eine so reizende Dame zu Tisch geführt — um
nie sich mit einem Mädchen vom ersten Augenblick an so vortres
lich verstanden.

Er hatte also mit seinen stillen Beobachtungen doch recht
gehabt: Diese Dora war nicht nur schön, sondern auch liebens-
würdig, gemütvoll, geistreich — kurz, sie war jenes Wesen, das er
suchte, von dein er stets geträumt hatte .... sie inußte seine
Frau werden.

Er hatte es sie auch deutlich fühlen lassen, wie es um ihn
stand, und ihre glänzenden Augen, ihr glühendes Gesichtchen hatte
ihm verraten, daß auch er ihr nicht ganz gleichgültig war.

Er lehnte sich in dem alten Großvaterstuhl zurück und blies
den Rauch seiner
Zigarre vor sich
hin. Der Rauch
kräuselte sich und
verschlang sich zu
wunderbaren Ge-
bilden.

Die Gedanken
des Assessors folg-
ten den bläulichen
Linien. Verse ka-
men ihm in den
Sinn und nach
wenigen Minuten
schon saß er am
Schreibtisch und
dichtete:

Bei Deinem reizenden plaudern
ward mir so wohl um's perz —

Und wie im Frühlingsschaudern
Auf sprang das Eis im März ....

Sprang auf ein Sturm da innen
Mit Frühlingszauberweh'n ■—

Nun gibt cs kein Entrinnen,

Nun ist's um mich gescheh'n.

Dein muß ich denken, muß wissen,
worüber ich ruhelos sann —

(Dt1 wohl Dein Mund auch so küssen
Süß, wie er plaudern kann?

Diese Verse sollten für ihn sprechen!

Ihm fiel ein, daß übermorgen Dora’s Geburtstag war. wie,
wenn er das Gedicht fein säuberlich aus Rosapapier abschreiben
und ihr senden würde? .... Doch nein, das war zu schülerhaft —
zu abgebraucht! .... Er wollte es als Annonce in die Abend-
zeitung setzen .... anonym natürlich .... die Annonce aus-
schneiden und sie ihr schicken.

Und so tat er.

Dora kannte die pandschrist des Assessors — erstens aus
Lottes Stammbuch — und dann, wer schreibt in einem kleinen
Provinzstädtchen so wie ein Assessor bei Gericht?

Sie bebte leise, als sie den Brief öffnete, errötete glücklich
und dachte: „Gerade an meinem Geburtstag den ersten Brief —
wie sinnig!" ....

Aber dann geschah etwas Unverständliches.

Sie starrte auf einen gedruckten Zeitungsausschnitt.... sie
zerknitterte das Kouvert.... mit krampfhaft zitternden Fingern ....
sie ballte die Faust .... Tränen traten ihr in die Augen....

J
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Dora's Schnurrbart"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Mühlberg, Georg
Entstehungsdatum
um 1907
Entstehungsdatum (normiert)
1902 - 1912
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 126.1907, Nr. 3221, S. 182

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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