Von der Sekundärbahn. -°G^°°—
Passagier: „Hat der Zug einen Speisewagen?" — Stationsvorstand: „Nee, so weit sin' m'r noch
nich'. Aber es geht sie ä' Kellner mit Bier und Heeßen Wärschtchen nebenher!"
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rr.f i ■ ■ >
Der Fluch der Wahrheit.
(Schluß.)
.... Lr empfand es als eine Wohltat, daß Iatine in der
nächsten Zeit grollend und schweigend umherging und ihm so
neue Auseinandersetzungen ersparte. An Stelle seiner verfallenen
pütte ließ er ein geräumiges paus aufführen, das er vornehm
einrichtete. Die Nachmittage brachte er regelmäßig in: Aassee-
hause zu, wo er gravitätisch seinen Mokka schlürfte und große
Rauchwolken in die Lust blies. Da er auch Fatme bald durch
neue prachtvolle Geschenke wieder versöhnlicher gestimmt hatte, so
würde zu seinen: Glücke nichts gefehlt haben, wenn ihn: nicht die
dauernde Untätigkeit unerträglich geworden wäre. Lr sann
darüber nach, wie er diesem Übel abhelsen könne, und kam aus
die Idee, einen Basar zu eröffnen und persische Teppiche und
Decken seilzubieten.
Zunächst forschte er nach, wo die übrigen Aausleute ihre
waren herbezogen, und erfuhr endlich unter großen Schwierig-
keiten und Geldopsern, daß .die Teppiche gar nicht aus Persien,
sondern aus Frankistan stammten, wo sie zwar weniger gut, aber
sehr viel billiger hergestellt wurden. Lr mietete sich ein Gewölbe
und ließ dorther einen großen Posten Ware kommen. Da er den
Pandel nicht des Verdienstes wegen, sondern nur zu seiner Unter-
haltung betrieb, konnte er niedrigere Preise stellen als seine
Aonkurrenten. So kam es, daß sein Basar bald der besuchteste
wurde — zum Ärger der übrigen Aausleute, die Mustapha und
seine billigen Preise verwünschten.
Lines Tages erschien ein vornehmer Mann in seinem Ge-
wölbe, der einen großen Posten Teppiche kaufte. Lhe er ging,
srug er noch: „Ls sind doch aber auch wirklich echte persische
Gewebe, die ich eben eingehandelt habe?"
Mustapha wandte sich an seinen Gehilfen: „Sag', Selim,
woher stammen die Teppiche?"
„Ich schwöre beim Bart des Propheten, daß sie aus Persien
sind!" rief Selim feurig. „Ich selbst bin der Aarawane entgegen-
gereist."
Unwirsch sagte der Aäuser: „was ist das für eine Art,
Deinen Diener sprechen zu lassen, wenn ich Dich um Auskunft
ersuche? Ich will es von Dir hören, was es für Ware ist, die
ich gekaust habe."
Mustapha würgte, als hätte er eine ganze Melone verschluckt,
gab aber keine Antwort. Da wurde der andere dringlicher, und
als er auch noch drohte, seinen Vetter, den Polizeirichter, herbei-
zuholen, rief Mustapha endlich gequält: „Ich habe geschworen,
immer die Wahrheit zu sagen, und will meinen Schwur halten.
So wisse denn, daß die Teppiche nicht aus Persien, sondern aus
Irankistan stammen I"
„Pa, Du Betrüger", schrie der Aäuser empört, „das schlechte
und billige Gewebe der Ungläubigen wagst Du als persische
Ware zu verkaufen? Das sollst Du im Gefängnis büßen!"
Lilig ging er davon und nicht lange darauf drangen die
päscher in das Gewölbe, ergriffen Mustapha und schleppten ihn
vor den Aadi.
„wie kannst Du es wagen", herrschte ihn dieser an, „einen
so großen Betrug zu verüben und Deine schlechte fränkische
Ware für echte persische zu verkaufen?"
„perr", erwiderte Mustapha, „wohl gestehe ich ein, unrecht
gehandelt zu haben; aber ich tat nur, was alle übrigen Aaus-
leute tun; denn auch diese lassen ihre Teppiche und Decken aus
Irankistan kommen."
„Man rufe die übrigen Teppichhändler herbei!" befahl der
Aadi. Bald erschienen die Aausleute und beschworen einstimmig,
daß sie ihre waren aus Persien bezögen. Sie freuten sich, dem
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Passagier: „Hat der Zug einen Speisewagen?" — Stationsvorstand: „Nee, so weit sin' m'r noch
nich'. Aber es geht sie ä' Kellner mit Bier und Heeßen Wärschtchen nebenher!"
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Der Fluch der Wahrheit.
(Schluß.)
.... Lr empfand es als eine Wohltat, daß Iatine in der
nächsten Zeit grollend und schweigend umherging und ihm so
neue Auseinandersetzungen ersparte. An Stelle seiner verfallenen
pütte ließ er ein geräumiges paus aufführen, das er vornehm
einrichtete. Die Nachmittage brachte er regelmäßig in: Aassee-
hause zu, wo er gravitätisch seinen Mokka schlürfte und große
Rauchwolken in die Lust blies. Da er auch Fatme bald durch
neue prachtvolle Geschenke wieder versöhnlicher gestimmt hatte, so
würde zu seinen: Glücke nichts gefehlt haben, wenn ihn: nicht die
dauernde Untätigkeit unerträglich geworden wäre. Lr sann
darüber nach, wie er diesem Übel abhelsen könne, und kam aus
die Idee, einen Basar zu eröffnen und persische Teppiche und
Decken seilzubieten.
Zunächst forschte er nach, wo die übrigen Aausleute ihre
waren herbezogen, und erfuhr endlich unter großen Schwierig-
keiten und Geldopsern, daß .die Teppiche gar nicht aus Persien,
sondern aus Frankistan stammten, wo sie zwar weniger gut, aber
sehr viel billiger hergestellt wurden. Lr mietete sich ein Gewölbe
und ließ dorther einen großen Posten Ware kommen. Da er den
Pandel nicht des Verdienstes wegen, sondern nur zu seiner Unter-
haltung betrieb, konnte er niedrigere Preise stellen als seine
Aonkurrenten. So kam es, daß sein Basar bald der besuchteste
wurde — zum Ärger der übrigen Aausleute, die Mustapha und
seine billigen Preise verwünschten.
Lines Tages erschien ein vornehmer Mann in seinem Ge-
wölbe, der einen großen Posten Teppiche kaufte. Lhe er ging,
srug er noch: „Ls sind doch aber auch wirklich echte persische
Gewebe, die ich eben eingehandelt habe?"
Mustapha wandte sich an seinen Gehilfen: „Sag', Selim,
woher stammen die Teppiche?"
„Ich schwöre beim Bart des Propheten, daß sie aus Persien
sind!" rief Selim feurig. „Ich selbst bin der Aarawane entgegen-
gereist."
Unwirsch sagte der Aäuser: „was ist das für eine Art,
Deinen Diener sprechen zu lassen, wenn ich Dich um Auskunft
ersuche? Ich will es von Dir hören, was es für Ware ist, die
ich gekaust habe."
Mustapha würgte, als hätte er eine ganze Melone verschluckt,
gab aber keine Antwort. Da wurde der andere dringlicher, und
als er auch noch drohte, seinen Vetter, den Polizeirichter, herbei-
zuholen, rief Mustapha endlich gequält: „Ich habe geschworen,
immer die Wahrheit zu sagen, und will meinen Schwur halten.
So wisse denn, daß die Teppiche nicht aus Persien, sondern aus
Irankistan stammen I"
„Pa, Du Betrüger", schrie der Aäuser empört, „das schlechte
und billige Gewebe der Ungläubigen wagst Du als persische
Ware zu verkaufen? Das sollst Du im Gefängnis büßen!"
Lilig ging er davon und nicht lange darauf drangen die
päscher in das Gewölbe, ergriffen Mustapha und schleppten ihn
vor den Aadi.
„wie kannst Du es wagen", herrschte ihn dieser an, „einen
so großen Betrug zu verüben und Deine schlechte fränkische
Ware für echte persische zu verkaufen?"
„perr", erwiderte Mustapha, „wohl gestehe ich ein, unrecht
gehandelt zu haben; aber ich tat nur, was alle übrigen Aaus-
leute tun; denn auch diese lassen ihre Teppiche und Decken aus
Irankistan kommen."
„Man rufe die übrigen Teppichhändler herbei!" befahl der
Aadi. Bald erschienen die Aausleute und beschworen einstimmig,
daß sie ihre waren aus Persien bezögen. Sie freuten sich, dem
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Von der Sekundärbahn"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1907
Entstehungsdatum (normiert)
1902 - 1912
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 127.1907, Nr. 3240, S. 99
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg