Fliegende Blätter (135.1911 (Nr. 3441-3466))

I.

önig Ragnar hob die Schale, die ihm Frau Helge kredenzt,
IV — Durch alle Fenster im Saale goldlicht der Abend glänzt —
' ' Laut prahlt’ er, trunk’nen Blickes, zum Meer hinausgewandt:
„Wer rühmt sich gleichen Glückes, von Nordland bis Engelland?

Meine Drachen furchen die Wogen, dem Sturmwind gleichen sie,
Wann immer sie heimwärts zogen, Siegbeute fehlte nie.

Meine stolzen Nordlandrecken steh’n schirmend vor ihrem Herrn,
Mit seinem Leibe decken würde mich jeder gern.

Doch aller Schätze Krone und aller Treue Preis,

Das ist auf meinem Throne die Lilie schwanenweiß,

Frau Helge Herzenswonne — keine Schönere sah ich je
Lichter ist sie wie die Sonne und reiner als der Schnee!“

Da schlugen an ihre Schilde die kühnen Wikinge all’,

Ihr Heilruf brauste, der wilde, empor wie Wogenschwall;
König Ragnars Blick, der heiße, schaffte Frau Helge Not,
Die Lilie, die schwanenweiße, wurde da rosenrot.

Ihr Schwesterlein Swanhilde — das Necken liebte die Maid —

Die rief: „Nicht Schwerter noch Schilde wehren des Schicksals Neid,
Drachschiffe bricht Meerestücke und Reckentrutz der Tod —

Das Prahlen ist immer die Brücke, darüber das Unheil droht!

König Ragnar — unverhohlen - mich deucht, Dein Haar wird grau —
Viel junge Herzen, verstohlen, schlagen der schönsten Frau!“

Er lachte: „Und säh’ ich ihr Minnen, ihr falsches, von Angesicht,
Ich mißtraute meinen Sinnen, Frau Helge mißtraute ich nicht!“

Da rief Swanhilde mit Lachen: „König Ragnar, gnade Dir Gott,
Könnt’ ich die Probe machen, Deinem Prahlen zum Spott!

Heil Dir, daß ohne Tücken das Herz ist, dem so Du traust,

Du baust der Untreu’ Brücken, wie Du sie dem Unheil baust.“

II.

Von schwarzen Fittichen finster ist die dämmernde Nacht,

Ein Sausen geht durch den Ginster, wie vom Sturme entfacht,
Schwarze Fittiche wehen, mehr werden ihrer und mehr,

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