J? c II c.
alte Stasi hat keine Stelle, ich glaube, es geht ihr nicht be-
sonders ■—“
„Um Gottes willen, Mutter," sagte Vater, „Du willst sie doch
nicht etwa wieder nehmen?"
„G, das wäre nicht mehr als christlich", warf Tante Paula ein.
„Nein, ich will sie nicht," sagte Mutter ruhig, „ich habe es
Euch nur erzählt, um ihren Beichtbrief zu erklären."
„Ach so," sagte Vater, „Du meinst, weil es der Stasi nicht
,g'rad' extra' gehe, habe sie den Brief geschrieben, um durch die
Beichte so etwas wie die Schicksalsgötter zu versöhnen?"
„Ja, das meine ich", sagte Mutter.
„Da sollen nun die Kinder fromm werden, wenn Ihr die
christliche Reue eines bußfertigen Menschen so behandelt", sagte
Tante Paula indigniert, stand auf und rauschte zornig ans deni
Zimmer. Fleisch und Gemüse war schon gegessen.
„Die Mehlspeise mag sie sowieso nicht, die Tante Paula",
sagte Vater sachlich und ging zur Tagesordnung über.
Ls dauerte nicht lange, da kam ein zweiter Brief von der
Stasi:
„Sehr geährte Frau!
Indem das es mir keine Rn last mus ich euch färner-
hin bekännen ich Hab aufm Herrn fein Bicherkasten ein
Bichl milknomen Die Flamme aber es war nix dies bcreie ich
auch härzlich damit das mihr meine Sinden vergeben wer».
Lire trete Stasi krießt euch härzlich
Stasi."
„lvas ist das für ein Buch gewesen, vaier?" fragte Mutter,
„hast Du solche Bücher wie ,Dic Flamme' in Deiner Bibliothek?"
„Freilich," sagte Vater, „Du weißt doch ,Die Flamme' ist der
Jahresbericht vom Verein für Feuerbestattung."
„Ach so," entgegnete Mutter u:id lachte, „ach, nun verstehe
ich, die Stasi hat sich unter dieser ,Flainme' ganz 'was anderes
vorgestellt. Darum schreibt sie jetzt, ,es war gar nix'."
„Nein," sagte Tante Paula giftig, „nein, das muß ich sagen,
- wie man solche Dinge in Gegenwart der Kinder —"
Und wieder rauschte sic hinaus, ohne den Satz zu vollenden.
Mit der Mehlspeise aber war sie diesiual rechtzeitig fertig ge-
worden. Ls war eine, die sic ausnahmsweise essen mochte: gefüllte
Rohrnudeln.
„Ich wette," sagte Mutter, als die Tante draußen war, „ich
wette, die Stasi hat noch immer keine Stelle."
„Und darum fährt sie fort mit Beichten", sagte der Vater
und lachte so herzhaft und so lange, daß wir Kinder auch mit-
lachen mußten, trotzdem wir die Zusammenhänge damals noch
nicht ganz klar erfaßten.
Als Mutter sich zum zweitenmal erkundigt hatte, war's auch
so: Die Stasi hatte wirklich noch immer keine Stelle.
„Hör' 'mal," sagte Vater, „wenn die Stasi noch lange stellen-
los ist, so mach' Dich bald auf einen neuen Brief gefaßt, worin
von silbernen Löffeln die Rede ist."
„Silberne Löffel, sagst Du?" meinte Mutter nachdenklich und
S>ng an den Schrank. Dort fing sie an zu klappern und zu zählen.
Dann zählte sie ein zweites Mal, ein drittes Mal -
„Vater," sagte sie betroffen, „Vater, es fehlen wirklich zwei
von den großen, silbernen. Und eben fällt mir ein, sie müssen
schon seit langem fehlen —"
„So lange wahrscheinlich," sagte Vater viel weniger bekümmert
als die Mutter, „so lange, als die Stasi fort ist, wie?"
„Nein," brauste hier die Tante Paula auf, „es ist doch
-—.
261
fürchterlich, wie man reuige Menschen so verdächtigen kann -
ganz ohne Beweis - . . ."
!vas den Beweis betrifft — alles, was recht und billig ist —
hier hatte Tante Paula nicht so unrecht, — der Beweis wegen
der silbernen Löffel wurde nicht erbracht, denn gleich darauf bekam
die Stasi glücklich eine neue Stelle. zritz Müller
w Giulis. M
Leicht [treifend an den engen wänden.
Der braune Schiffer fang:
„ßiulia, ich liebe Dich!
steig' Dich herab mit sanften Händen!
alte Stasi hat keine Stelle, ich glaube, es geht ihr nicht be-
sonders ■—“
„Um Gottes willen, Mutter," sagte Vater, „Du willst sie doch
nicht etwa wieder nehmen?"
„G, das wäre nicht mehr als christlich", warf Tante Paula ein.
„Nein, ich will sie nicht," sagte Mutter ruhig, „ich habe es
Euch nur erzählt, um ihren Beichtbrief zu erklären."
„Ach so," sagte Vater, „Du meinst, weil es der Stasi nicht
,g'rad' extra' gehe, habe sie den Brief geschrieben, um durch die
Beichte so etwas wie die Schicksalsgötter zu versöhnen?"
„Ja, das meine ich", sagte Mutter.
„Da sollen nun die Kinder fromm werden, wenn Ihr die
christliche Reue eines bußfertigen Menschen so behandelt", sagte
Tante Paula indigniert, stand auf und rauschte zornig ans deni
Zimmer. Fleisch und Gemüse war schon gegessen.
„Die Mehlspeise mag sie sowieso nicht, die Tante Paula",
sagte Vater sachlich und ging zur Tagesordnung über.
Ls dauerte nicht lange, da kam ein zweiter Brief von der
Stasi:
„Sehr geährte Frau!
Indem das es mir keine Rn last mus ich euch färner-
hin bekännen ich Hab aufm Herrn fein Bicherkasten ein
Bichl milknomen Die Flamme aber es war nix dies bcreie ich
auch härzlich damit das mihr meine Sinden vergeben wer».
Lire trete Stasi krießt euch härzlich
Stasi."
„lvas ist das für ein Buch gewesen, vaier?" fragte Mutter,
„hast Du solche Bücher wie ,Dic Flamme' in Deiner Bibliothek?"
„Freilich," sagte Vater, „Du weißt doch ,Die Flamme' ist der
Jahresbericht vom Verein für Feuerbestattung."
„Ach so," entgegnete Mutter u:id lachte, „ach, nun verstehe
ich, die Stasi hat sich unter dieser ,Flainme' ganz 'was anderes
vorgestellt. Darum schreibt sie jetzt, ,es war gar nix'."
„Nein," sagte Tante Paula giftig, „nein, das muß ich sagen,
- wie man solche Dinge in Gegenwart der Kinder —"
Und wieder rauschte sic hinaus, ohne den Satz zu vollenden.
Mit der Mehlspeise aber war sie diesiual rechtzeitig fertig ge-
worden. Ls war eine, die sic ausnahmsweise essen mochte: gefüllte
Rohrnudeln.
„Ich wette," sagte Mutter, als die Tante draußen war, „ich
wette, die Stasi hat noch immer keine Stelle."
„Und darum fährt sie fort mit Beichten", sagte der Vater
und lachte so herzhaft und so lange, daß wir Kinder auch mit-
lachen mußten, trotzdem wir die Zusammenhänge damals noch
nicht ganz klar erfaßten.
Als Mutter sich zum zweitenmal erkundigt hatte, war's auch
so: Die Stasi hatte wirklich noch immer keine Stelle.
„Hör' 'mal," sagte Vater, „wenn die Stasi noch lange stellen-
los ist, so mach' Dich bald auf einen neuen Brief gefaßt, worin
von silbernen Löffeln die Rede ist."
„Silberne Löffel, sagst Du?" meinte Mutter nachdenklich und
S>ng an den Schrank. Dort fing sie an zu klappern und zu zählen.
Dann zählte sie ein zweites Mal, ein drittes Mal -
„Vater," sagte sie betroffen, „Vater, es fehlen wirklich zwei
von den großen, silbernen. Und eben fällt mir ein, sie müssen
schon seit langem fehlen —"
„So lange wahrscheinlich," sagte Vater viel weniger bekümmert
als die Mutter, „so lange, als die Stasi fort ist, wie?"
„Nein," brauste hier die Tante Paula auf, „es ist doch
-—.
261
fürchterlich, wie man reuige Menschen so verdächtigen kann -
ganz ohne Beweis - . . ."
!vas den Beweis betrifft — alles, was recht und billig ist —
hier hatte Tante Paula nicht so unrecht, — der Beweis wegen
der silbernen Löffel wurde nicht erbracht, denn gleich darauf bekam
die Stasi glücklich eine neue Stelle. zritz Müller
w Giulis. M
Leicht [treifend an den engen wänden.
Der braune Schiffer fang:
„ßiulia, ich liebe Dich!
steig' Dich herab mit sanften Händen!
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Giulia"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Objektbeschreibung
Verschlagwortung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsdatum
um 1914
Entstehungsdatum (normiert)
1909 - 1919
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 140.1914, Nr. 3592, S. 261
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg