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den Band, in dem .Eingeweidewürmer' und den Band, in dem
-Zoroaster' d'rin steht — was hast Du denn da noch?" —

„Das ist der Band, in dem .Trinkgeld' d'rin steht, Herr
Professor."

Guter Rat. —

Qieber, mußt du Bitt'res kauen,
Kau' es nicht mit Bitterkeit!
Mußt du gar ein Gift verdauen,
Go verdau's und sei gescheit!

Wird das Saure süßer munden
Dem, der sich in Groll verirrt?
Leichter heilen alle Wunden,
Wenn ein Narrenglöckchen klirrt.

Reinhard Doiter.

Doppelsinnig.

Theaterdirektor: „Wissen Sie, Fräulein, ein
Ballettmeister, der das Ballettkorps in strenger Zucht
und Ordnung hält, der ging mir noch ab."

Balletteuse: „Ja, der ging uns noch ab!"

—4» Seelenwanderung. —

,, CSy fltje bei der Moschee war ein schmales Gäßchen, das hüben
äül und drüben von Gartenmauern eingefaßt wurde. An
seiner Erke ließ sich eines Tags ein greiser Märchen-
erzähler mit einem langen weißen Bart und einem mächtigen
Turban nieder. Bald hatte er eine ansehnliche bsörerschar um
sich vereinigt. Denn seine Märchen zeichneten sich durch die große
Weisheit und Erhabenheit ihrer Gedanken aus, wie sie eben nur

Seelen Wanderung.

einem so alten und erfahrenen Erzähler eigen sein konnten. Der
reiche Kaufmann lfaleb blieb hin und wieder stehen und lauschte
wohlgefällig den Schilderungen des Greises, ehe er durch das
kleine Gartenpförtchen itt' sein Besitztum trat. Auch seine schöne
und kluge Tochter Soraide sah verstohlen ans einem verhüllten
Fenster auf die Gasse und horchte der wohltönenden Stimme des
Märchenerzählers und seinen prächtigen und weisen Reden.

Der Alte mußte sie aber doch bemerkt haben. Denn er klopfte
eines Tages an die Gartenpforte und ihre treue Leibsklavin und
Freundin Fatme ließ ihn ein. Da erzählte er ihr denn in ihrem
Gemach seine schönsten und phantasiereichstcn Märchen, in denen
eine solche Fülle von Lebensweisheit steckte, daß sie ihn jeden Tag
mehr bewunderte und bald sehr lieb gewann. Zufällig kam auch
ihr Vater einmal in das Gemach. Nbwohl dort jeder Männer-
besuch auf das strengste untersagt war, freute er sich doch insge-
heim, als er den gütigen und klugen Greis bei ihr fand, von
dem sein Kind viel Treffliches lernen und so angenehme Kurzweil
erfahren konnte. „Ach," rief sie schwärmerisch, „Du glaubst gar
nicht, Vater, was mir der würdige Mann Berrliches zu erzählen
weiß; ich habe noch nie so wundersame Geschichten gehört!"

Eines Tages aber, als kfaleb ganz unvermutet in das Gemach
seiner Tochter kam, fand er dort nicht den greisen Märchenerzähler,
sondern einen jungen, sehr hübschen Mann, der sich traulich zu
ihr neigte und ihr heimliche Dinge mitzuteilen schien.

„was willst Du hier? wie kommst Du in meine Behausung
und in dieses Gemach?" rief der reiche Kaufmann empört.

Seine Tochter stieß einen Schrei aus und verhüllte ihr Gesicht.

Der Jüngling aber erhob sich lächelnd und sagte ruhig:
„ ksaleb, mein Freund, warum zürnest Du? Bin ich doch kein
anderer als jener, der immer hier gewesen — Abdallah, der
Märchenerzähler, dessen Seele nun in diese jugendliche Bülle ge-
fahren!"

Soraide hatte die lsand vom Gesicht genommen, sah zu ihrem
Vater auf und lächelte.

Und auch kialeb lächelte. Denn er hatte schnell seinen Unmut
bezwungen, „verzeih', würdiger Greis," sagte er „daß ich mich
von meinem Jähzorn habe Hinreißen lassen und mich irrte! Run
erkenne ich Deine Weisheit wieder in der ungewohnten Hülle!"

Er verneigte sich tief und ging in den Garten, wo er feine
beiden treuen Diener beauftragte, alles genau zu durchsuchen.
Lange fanden sie nichts. Plötzlich aber entdeckten sie nahe bei
dem Pförtchen zwei Dinge, die sie ihm freudig brachten. Er ver-
barg sic unter seinem Kleid und gab den Sklaven einen heim-
lichen Auftrag.

Bald darauf trat der Jüngling aus dem Banse. Denn es
hatte ihn eine Unruhe befallen, seitdem der Kaufmann in das
Gemach gekommen war. Er eilte sich daher mehr als sonst, in
das Freie zu gelange».

Im Garten trat ihm Haleb entgegen und machte eine tiefe
Verbeugung. „© kluger Abdallah, verzeih'!" sagte er mit großer
Ehrfurcht. „Deine letzte Gestalt hat hier diesen langen weißen
Bart und diesen mächtigen Turban zurückgelasse». Nimm Dein
Eigentum an Dich und gestatte, daß ich Deiner jetzigen Hülle
einen kleinen Denkzettel gebe, damit nicht auch ihr ähnliches
widerfährt. ..."

Und seine beiden Diener prügelten mit den inzwischen herbei-
geholten Bambusstöcken den verliebten Jüngling weidlich durch
und setzten ihn auf die Gasse.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Ein zarter Wink"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Objektbeschreibung
Verschlagwortung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Bahr, Johann
Entstehungsdatum
um 1914
Entstehungsdatum (normiert)
1909 - 1919
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 141.1914, Nr. 3598, S. 26
 
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