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——Vor XVeihnachren. -H——

ie noch ist im Fimmel ein solches Gehämmer, Gezimmer,
eilt solches Sägen, Feilen, Posteln und polieren gewesen.
Noch nie hat es so verheißungsvoll nach allen erdenk-
lichen Farben, Lacken und Firnissen und zugleich so süß
nach Mandeln, Marzipan und Lebkuchen geduftet als Heuer. Nie
auch waren noch so viele Engel bei Tag und Nacht, bei Sonnen-
schein, Mondesglanz und Sterngeflimmer an der Arbeit wie dieses
Mal. Freilich plagten sie sich alle mit einer Begeisterung und einem
stillen Gpferwillen, daß keines von ihnen an Ruhe und Ermüdung
dachte, mochten auch hin und wieder dem einen oder anderen bei-
nahe die Augen zufallen vor Schlaf und die Flügel zuweilen recht
matt und zerrauft an den Schultern hängen.

Allen zuvor tat es an unerschöpflichem Eifer das Ehristkind
selber, das in diesen Wochen in den doch wahrhaftig an allerhand
Wunder gewohnten kfimmelsräumen noch förmliche Ubcrwunder
vollbrachte. Man meinte, es hätte tausend Augen und kjände.

Bald sah man es ein großes Schaukelpferd noch mit den letzten
gesprenkelten Farbtupfen fertig nialen. Bald richtete es eine
prächtige Küche ein. Bald ordnete es ganze Armeen von Blei-
soldaten — denn nach ihnen war ja Heuer ganz besondere Nach-
frage. Dann wieder stapelte es Gebirge und Abergebirge auf
von Liebesgaben für die wackeren Krieger — eßbare, trinkbare,
rauchbare Dinge. Darauf schneiderte es an einer kleinen feld-
grauen Uniforin oder klebte einer süßen Puppe einen noch herr-
licheren Blondschopf auf das Köpfchen. Mder es holte mit glühen-
dem Gesicht fertig gebackene Pfeffernüsse aus dem Mfen. Mder
es schmückte eine ganze Reihe von Lichterbäumen mit flirrendem
Goldhaar. Mder es ordnete Kleider und Nahrungsmittel in
Körbe — oder — oder — oder, was weiß ich, was es sonst
noch alles tat.

Und doch, als Sankt Petrus einmal zu ihm in die pimmels-
werkstätte kam, weil es selber gar nimmer wie sonst Zeit zu einem

kleinen Kaffeexlausch im Psörtnerstübchen hatte — doch traf er
cs einmal dort in seinem Arbeitsstuhl vor einem hochanfgehäusten
Tisch mit allem Erdenklichen beinahe mutlos und, wenn man so
sagen darf, verzweifelt an. „Aber? Aber? Aber?" meinte er
verwundert und mitleidvoll. „Was wär' denn das? Das Ehrist-
k in dl und traurig sein — justament vor Weihnachten auch
noch?I Wo sehlt's denn?"

„Ach, Petrus! Petrus!" jammerte es und ein schweres Silber-
tränchen schlich sich über seine heißen Backen. „Ich bezwing's
nimmer I Ich werd' der Arbeit nimmer kferrl"

„Bist ihrer aber doch alle Jahre und mit spielendem lachendem
Übermut perr geworden?!" sagte er.

„Ja, alle Jahre!" seufzte es. „kjeuer ist eben kein Jahr
wie alle Jahre! Denk' doch nur, der fürchterliche Krieg! So
viele Tausende von Soldaten im Feld, die sehnsüchtig auf das
Ehristkind warten, das ihnen wenigstens eine kleine Weihnachts-
erinnerung, ein kleines Gedenken aus der peimat bringen soll!
Und dann alle die Frauen und Kinder, Mütter, Großmütter und

Schwestern, Bräute und Leute daheim, die ihre Besten draußen
haben — zu ihnen muß doch das Ehristkind auch kommen und
sie ein wenig trösten!"

„Und" — sagte es weiter und schluckte erst noch einmal, ehe
es rede» konnte - „zu denen doch erst recht und dreimal recht,
denen zu Weihnachten einer fern draußen schlummert in einem
stillen verschneiten Beldengrab" ....

„Komm!" murmelte der peilige und nahni es an der pand.
„Komm!" Er führte es in sein Stübchen, klinkte das Fenster auf
und sagte: „Schau hinunter!"

„Siehst Du Sie vielen Tausende dankbarer wackerer Menschen"
redete er weiter — „die Dir helfen wollen, die Dir Heuer
ganz besonders helfen, weil sie wissen, was Krieg heißt und
Weihnachten — weil sie wissen, was sie den Melden draußen
und ihren Lieben daheim, was sie den Trauernden vor allem und
den Dürftigen schulden" ....

Und das Ehristkind sah drunten alle die erleuchteten Fenster,
hohe in den kjäusern der Reichen, niedere in Kammern und
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Vor Weihnachten"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Objektbeschreibung
Verschlagwortung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Stockmann, Hermann
Entstehungsdatum
um 1914
Entstehungsdatum (normiert)
1909 - 1919
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 141.1914, Nr. 3621, S. 294
 
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