h-ab st,
„Donnerwetter, hatten die Kerle damals Pfropfenzieher!'
Mangel an Unterhaltungvgabe.
Der junge Mann fitzt gegenüber von Fräulein Marie. Seine
Augen tasten das Lafe ab. Er sucht krampfhaft nach einem
Gegenstand der Unterhaltung. Dort ist ein Kleiderständer, dort
steht ein Kellner, dort sitzen drei Männer, im Hintergrund hockt
die Büfettmamsell, was wäre hierüber zu sagen? Er schaut
aus die Straße. Da gehen die Leute. Da fahren Straßenbahnen,
Autos, Droschken. Alles, alles ganz normal.
Fräulein Marie trommelt mit den Fingern auf dem Tisch,
schmiegt den Rücken an die Stuhllehne, guckt an die Decke. Das
ist ein Zeichen, daß sie sich langweilt. Dem jungen Mann ist das
peinlich. Aber was, was in aller Welt soll er denn erzählen? Er
fühlt eine grauenhafte Leere in seinem Kopfe. Er muß jetzt
etwas sagen. Diese Stille ist entsetzlich. Und wäre es das blöd-
sinnigste Zeug. Irgend etwas muß jetzt aus dem Munde heraus.
Er rührt den Kaffee mit dem Löffel um, hebt langsam die Tasse,
trinkt — aber alles ist nur Vorwand. Kann er schon nichts
sagen, will er wenigstens etwas tun. Er denkt beim Trinken an-
gestrengt nach. Dann verzieht er den Mund: „Der Kaffee hier ist
nicht gut I"
Fräulein Marie stellt fest, daß sie ihn ganz leidlich finde. In
Wahrheit findet ihn auch der junge Mann nicht schlecht. Er
fällte nur ein Urteil. Da Urteile in Worte gefaßt werden können
und ihm die Worte über alle Maßen fehlen. In jedem Falle ist
auch dieses Thema wieder erschöpft und er sucht nach neuem Stoff,
wenn doch nur irgend etwas geschähe! wenn der Kellner ohn-
mächtig unifiele oder eine Schlägerei zwischen den drei Männern
ausbräche oder auf der Straße ein Revolver-Attentat verübt
würde! Dann wäre Unterhaltung mit einem Male da. Nicht
nur für jetzt. Auch für spätere Tagei wie ungezwungen wäre
das, wenn er an den bedeutsamen Vorgang erinnerte. Aber es
geschieht gar nichts. Der Verkehr draußen, der Betrieb hier wickelt
sich unglaublich normal ab. Eine Fliege setzt sich auf seine Kaffee-
tasse. wenn er sich nun bemühte, die Fliege zu fangen und dabei
die Kaffeetasse absichtlich mit umrisse l Mindestens vier, fünf Sätze
ließen sich über dieses Mißgeschick sagen. Der junge Mann über-
legt. Aber da ist die Fliege schon wieder fortgeflogen. Den
jungen Mann überkommt Scham. Er ist doch nicht blöde. Er
hält sich doch für recht aufgeweckt, wie geschieht es da nur, daß
er zu solchen kindlichen, dummen Mitteln greifen müßte, um sich
unterhalten zu können! was nur die anderen Menschen mit-
einander sprechen? Er möchte das wissen. Er gäbe etwas darum,
wenn er das erführe.
Fräulein Marie dreht sich um, guckt nach der Uhr, die über
dem Büfett hängt. Der junge Mann sieht ein, daß es aller-
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„Donnerwetter, hatten die Kerle damals Pfropfenzieher!'
Mangel an Unterhaltungvgabe.
Der junge Mann fitzt gegenüber von Fräulein Marie. Seine
Augen tasten das Lafe ab. Er sucht krampfhaft nach einem
Gegenstand der Unterhaltung. Dort ist ein Kleiderständer, dort
steht ein Kellner, dort sitzen drei Männer, im Hintergrund hockt
die Büfettmamsell, was wäre hierüber zu sagen? Er schaut
aus die Straße. Da gehen die Leute. Da fahren Straßenbahnen,
Autos, Droschken. Alles, alles ganz normal.
Fräulein Marie trommelt mit den Fingern auf dem Tisch,
schmiegt den Rücken an die Stuhllehne, guckt an die Decke. Das
ist ein Zeichen, daß sie sich langweilt. Dem jungen Mann ist das
peinlich. Aber was, was in aller Welt soll er denn erzählen? Er
fühlt eine grauenhafte Leere in seinem Kopfe. Er muß jetzt
etwas sagen. Diese Stille ist entsetzlich. Und wäre es das blöd-
sinnigste Zeug. Irgend etwas muß jetzt aus dem Munde heraus.
Er rührt den Kaffee mit dem Löffel um, hebt langsam die Tasse,
trinkt — aber alles ist nur Vorwand. Kann er schon nichts
sagen, will er wenigstens etwas tun. Er denkt beim Trinken an-
gestrengt nach. Dann verzieht er den Mund: „Der Kaffee hier ist
nicht gut I"
Fräulein Marie stellt fest, daß sie ihn ganz leidlich finde. In
Wahrheit findet ihn auch der junge Mann nicht schlecht. Er
fällte nur ein Urteil. Da Urteile in Worte gefaßt werden können
und ihm die Worte über alle Maßen fehlen. In jedem Falle ist
auch dieses Thema wieder erschöpft und er sucht nach neuem Stoff,
wenn doch nur irgend etwas geschähe! wenn der Kellner ohn-
mächtig unifiele oder eine Schlägerei zwischen den drei Männern
ausbräche oder auf der Straße ein Revolver-Attentat verübt
würde! Dann wäre Unterhaltung mit einem Male da. Nicht
nur für jetzt. Auch für spätere Tagei wie ungezwungen wäre
das, wenn er an den bedeutsamen Vorgang erinnerte. Aber es
geschieht gar nichts. Der Verkehr draußen, der Betrieb hier wickelt
sich unglaublich normal ab. Eine Fliege setzt sich auf seine Kaffee-
tasse. wenn er sich nun bemühte, die Fliege zu fangen und dabei
die Kaffeetasse absichtlich mit umrisse l Mindestens vier, fünf Sätze
ließen sich über dieses Mißgeschick sagen. Der junge Mann über-
legt. Aber da ist die Fliege schon wieder fortgeflogen. Den
jungen Mann überkommt Scham. Er ist doch nicht blöde. Er
hält sich doch für recht aufgeweckt, wie geschieht es da nur, daß
er zu solchen kindlichen, dummen Mitteln greifen müßte, um sich
unterhalten zu können! was nur die anderen Menschen mit-
einander sprechen? Er möchte das wissen. Er gäbe etwas darum,
wenn er das erführe.
Fräulein Marie dreht sich um, guckt nach der Uhr, die über
dem Büfett hängt. Der junge Mann sieht ein, daß es aller-
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Donnerwetter, hatten die Kerle damals Pfropfenzieher!"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum (normiert)
1921 - 1921
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 155.1921, Nr. 3982, S. 170
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg