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Das Lontra-Lis.

von Karl Müller-Malberg, Vrcsdcu-Lotta.

„So geht das nicht weiter I"

Mit diesem Ausruf sprang ich aus
dem Bette, stürzte an den Waschtisch,
seifte mein Gesicht mit Bergmanns
Zahnpasta ein, stippte die Zahnbürste
in die Dose mit Kavalier-Lreme für
meine Boxcalfstiefel. Nicht viel hätte
gefehlt und ich hätte mich mit dem
Stiefelknecht rasiert.

Ist das ein wunder, wenn einem
die Gedanken wie die Gondeln eines
Karussells im Kopfe herumsausen?

Und weshalb?

Wegen dieses Spinetts l Dieses drei-
mal zu allen Teufeln verwünschten
Spinetts I

Richtig! Das muß ich ja erst er-
zählen.

Also — meine Urgroßtante, die
liebe, gute, hornalte, steinreiche Witwe
pfannchen pumxellatsch, hatte mir zum
Geburtstage ihr altes Spinelt verehrt,
das noch viel, viel älter ist als die
liebe, hornalte Pumpellatschen. Bitte!!!

Was sollte ich mit diesem ehrwür-
digen Kasten beginnen? !!!?????

Drei Ausrufungszeichen, fünf Frage-
zeichen.

Nichts, gar nichts I

Denn, so man auf sämtlichen Tasten
— mit Ausnahme der Lontra-Lis-
Taste — drückte, schlug, hämmerte —
kein Ton kam herfür. Nur diese Lis-
Taste gab einen fürchterlichen, jämnicr-
lichen Laut von sich, der mich lebhaft
an das kfungergestöhn des seligen Moor
in seinem Turmverließ erinnerte.

D, dieses Lontra-Lis!Ul

Das Unheil ging seinen Lauf.

Lines Tages erschien ein Steuer'
beamter. Lin lferr niit spitzen Augen
spitzer Nase, spitzem Kinn. Sämtliche
Spitzen seines In- und Exterieurs bohrte
er in das Spinett.

„Scheenes Klafier l" sagteer. „Sehr
scheenl Altertumswert, was?"

Mit deni spitzen Zeigefinger der
rechten Pfand tippte er — ja, ritt ihn
denn der Satan? — ausgerechnet auf
dieses infame Lontra-Lis. Der alte
Moor wimmerte kläglich, daß mir bei-
nahe die Tränen in die Augen schoßen.

„Scheener Ton!" nickte er. „Sehr
schecner Ton !" Mit einem vielsagenden
Blicke verschwand er.

Einige Zeit später.

Lin andrer Beamter, Kollege des
Spitzen, stand vor dem Spinett. In der
Pfand hielt er einen Zettel.

Eine Jdcc.

„Da jammern sie über die Wohnungsnot unb hier
steht der alte Schornstein der Ziegelei unbenutzt ein
paar Löcher für die Fenster hinein und der schönste
Wolkenkratzer ist fertig!"

„Klaviersteuer — —" murmelte er
wehmütig. Mein seelisches Gleichgewicht
erhielt einen empfindlichen Stoß. Aber
der melancholische Tropfen an der him-
beergetönten Nase des wohlwollenden
Steuerbevollmächtigtcn wirkte mit fug-
gestiver Gewalt beruhigend auf mein
Nervensystem.

„Sie geben Unterricht?" fragte der
Mann niit sanfter Stimnie.

„Unterricht?" echote ich verwundert.

Der Nasentropfen pendelte in kühnen«
Schwünge nach dem Spinett hin, auf
dessen Deckel eine alte Klavierschule lag,
betitelt „Anfangsgründe für den Kla-
vierunterricht", ein Überbleibsel aus
Tante Pumpellatschcns Kinderzeit.

„Jawohl!" sagte ich jetzt mit diabo-
lischem Grinsen. „Meine Aufwartefrau
ist bereits bei der ungarischen Rhapsodie
von Beethoven für Lontra-Lis."

Lr sah mich bewundernd an und
verschwand.

Wieder später.

Linen Gassenhauer pfeifend, kani
ich Mittag nach pfause. Auf dem Schreib-
tisch lächelte mich ein blaues Kuvert
an. von der Steuerbehörde. Einschätzung
aus 24000 Mark jährliches Nebenein-
kommen durch Klavierunterricht.

Ich fiel in den Schreibtischsessel, das
heißt dicht daneben. Schlug mir ein
Loch in den kfinterkopf. vierzehn Tage
lag ich zu Bett, vier Wochen lies ich mit
einem Turban um den Kopf heruni, daß
die Leute glaubten, ich spielte die Uaupt-
rolle in dem neuen Film: „Der indische
Fakir". — And die Ärzterechnung ! I! I!

„So geht das nicht weiter!" rief
ich noch einmal.

Da klingelte es draußen.

Sandro Fistel-Knödler, der große
Mperntenor, trat ein. Ich schüttete ihm
mein steuergebrochenes Pferz aus.

Da sprach er die weisen Worte: „Du
bist ein Idiot! — Ich habe zu pfause
einen Bechsteinflügel und zahle keinen
Pfifferling Steuern dafür. Bin Bcrufs-
sänger! Kaxierste?"

Er zwinkerte mit dem linken Auge,
drückte mir die rechte Pfand und ging
von dannen.

Ich hatte begriffen.

Das nächste Auto brachte mich zu
Willy Pippinggeno, deni Direktor der
Großen Bper. Stürmte in sein Büro.

„Sie müssen mich engagieren!" schrie
ich den Ahnungslosen an. Der retirierte
hinter einen Klubsessel.

„Können Sie singen?" fragt
der Kniebeuge.

2
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Eine Idee"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Stockmann, Hermann
Entstehungsdatum
um 1922
Entstehungsdatum (normiert)
1917 - 1927
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 156.1922, Nr. 3988, S. 2
 
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