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Stockwerke!" „ Ach, bn möchte

ich mal am Treppengeländer
hemnterrutschen!"

Die Tippmamsell.

Schon einen Monat tippte die „neue Kraft" im Privatkontor des gestrengen lserrn Volldampf.
Das wollte was heißen. Länger als drei, vier Tage hatte es bisher keine ausgehalten, wenn sic
nicht schon vorher den Laufpaß erhalten halte.

Emma Lingerie war aber auch wirklich Ia, funktionierte tadellos. Pünktlich, flink, sauber,
fehlerlos. Sogar Montags. Das imponierte ihrem Herrn, sprach für soliden Lebenswandel, so wie
er ihn — obwohl Junggeselle — führte, seit er das Geschäft übernommen und sich in ernste Arbeit
vertieft hatte.

wenn er so, diktierend, an Emmas Kopf vorbei in die flott tanzende Maschinenschrift sah,
entdeckte er allmählich manches, was ihn, bisher entgangen war: Daß das gewellte blonde Haar im
Sonnenlicht goldig schimmerte und am Halse sich zu zierlichen Löckchen kräuselte; daß zwei allerliebste
Alabasterährchen neckisch heroorlugten; daß in der linken Wange ein kleines Grübchen kokettierte -
und in der rechten Wange auch eines; daß in den kurzen Diktatpausen — die allmählich häufiger
wurden — zwei große dunkle Augen auf ihn gerichtet waren, die mehr zu fragen schienen als
„wie geht's weiter?" Und wenn die nun wirklich schöne — Tippkönigin merkte, daß er einen

solchen Seelenblick auffing/huschte eine flüchtige Röte über ihre zarten Wangen-und hie und

da verklopfte sie sich auch ein klein wenig. Daß er die Lehler nicht tadelte, war ihr ein willkommenes
Geständnis, daß er sich daran schuldig fühlte . . .

„Lräulein Lingerie," begann er eines Tags, „Sie machen mir einen so soliden, verschwiegenen
Eindruck, daß ich Ihnen von jetzt ab auch meine Privatbriefe diktieren werde."

Und er diktierte: „Liebe kleine Mausl wo steckst Du nur? wir haben uns ja eine Ewigkeit
nicht mehr gesehen! Ist Dir doch unser Sonntagsausflug gut bekommen? Hat Dich das Aino nicht
zu sehr aufgeregt? Ich erwarte Dich bestimmt Sonnabend sechs Uhr an: Schillermonument. Zieh'
das grüne Kleidchen an, das Dir so reizend steht! Mit zehntausend Küssen. Dein. . ."

„Adresse?" fragte Emma kurz, fast befehlend.

„Schreibe ich selbst", entgegnete kühl, sachlich das Scheusal, wie er sich ini Stillen tituliert fühlte.

Bei den folgenden Geschäftsbriefen war Emma sichtlich verwandelt; ganz Maschine, korrekt
und — farblos, kühl.

Sonnabends um sechs Uhr machte sich Hans Volldampf den Spaß, in einem Hause anr
Schillermonument bei Bekannten die Straße zu beobachten, wie er erwartet hatte, kreuzte Emma
so von ungefähr, in einiger Entfernung, den weg. . .

Nun war er seiner Sache sicher. Last wäre er hinausgceilt — doch halt! Die Antwort vom
Auskunftsbüro war noch nicht eingelaufen. Am folgenden Montag kam sie — glänzend, erlösend.

Im Dienst merkten beide einander an, daß sie sich nicht recht wohl fühlten in ihrer etwas zu
engen Haut. Das Diktat stockte öfters — ohne den ersehnten fragenden Augenaufschlag. . .

„Nun noch einen privatbrief, wenn ich bitten darf." Hans räusperte sich umständlich und
diktierte monoton:

„Innig verehrtes Lräuleinl Es wird Ihnen kaum verborgen geblieben sein, daß mich eine
aufrichtige, tiefe Zuneigung zu Ihnen erfaßt hat . . . erfaßt hat. . . und ich glaube benierkt zu haben,
daß Sie meine Gefühle. . . Gefühle ein klein wenig erwiderten. . . ohne e bitte . . . erwidert
haben . . . haben Siejs? . . . nein, das sollten Sie nicht schreiben, ich frage ja nur! . . . (verlorener
Augenaufschlag) . . . also: erwidert haben. . . Ehe ich cs wage, Ihnen einen förmlichen Antrag zu
machen ... zu machen, recht so .. . möchte ich mir die offene Lrage erlauben, ob ich auf den, rechten
Wege bin. . . Wege bin und bitte um ein ganz kurzes, ehrliches . . . bitte ehrliches, Sie schreiben ja
eheliches . . . ehrliches ... Ja oder Nein . . . Neue Zeile!

Erlösen Sie bitte . . . bitte . . . aus quälend spannender Erwartung . . . Erwartung . . . Ist
Ihnen nicht gut, Lräulein Emma? Mir auch nicht. . . Erwartung . . . Ihren . . . Sie tief und
aufrichtig verehrenden . . . Ehef. . . E, h, e, f . . .

Emma sprang auf. Also doch I. Er wagt es! „Mein Herr!" hastete sie heraus, „Sie belieben
wohl zu scherzen ... ich verstehe Sie nicht . . . nachdem Sie mich kürzlich erst zum Zeugen Ihrer Liebes
abenteuer gemacht haben. . ."

„Ach so, der Brief," lachte der Gebieter und griff in seine Brusttasche, „war nur fingiert . . .
nur eine kleine Probe I Hier ist er übrigens - hat keine Adresse bekommen . . ."

was nun folgte, sei der Papierersparnis halber verschwiegen, kann auch in jeden: besseren Roman
nachgelesen werden. Nur eines sei der Vollständigkeit halber noch mitgeteilt. Am gleichen Abend tippte
Emma ihren letzten Brief, eine eilige Annonce:

Perfekte Stenotypistin,

gesetzteren Alters, womöglich verheiratet und nicht zu hübsch, für sofort gesucht. Affekten
unter E. L. an die Expedition."

Die Angebote holte natürlich sie ab. ®. z.

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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Fritzchens erster Gedanke"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsdatum
um 1922
Entstehungsdatum (normiert)
1917 - 1927
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 156.1922, Nr. 3989, S. 14
 
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