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®Cl$ 9\etfen (Fortsetzung und Schluß. Siehe Nr. 4021).

7. Das Reisen in der guten, alten Zeit bot viel Idyllisches. Mörikc's „Reise Mozart's nach Prag" gibt ein
reizendes Bild davon.

Ursula.

von Fritz mü l ler-partcnkirchen.

Die Winkelstraße war von jeher düster. Das wäre noch kein
Grund gewesen, daß es auch die Winkelsträßler wurden. Es gibt
dunkle Straßen, wo die Menschen drin „grad extra" hell sind. So
gut es lichte Straßen gibt mit Gärten, Autoställen und geschlecktem
Pflaster, ivo die Menschen drin wie sieben Tage Regenwetter herum-
graunzen. In der Winkelstraße aber stimmten lllensch und Umwelt
miteinander sauber überein: verdrossen, ungut, säuerlich, bekümmert.

Einen Freitag weiß ich, wo cs unerträglich wurde. Ich war
damals sieben Jahre. Bei sieben Jahren unerträglich will was
heißen. Die lvolkcn hingen grämlichgrau herein, lvenn's noch
wenigstens geregnet hätte, frisch und platschend. Die Straße war
aufgerissen, verkrümmte Stränge lagen bloß. Gas strömte aus.
von der Anschlagsäule hingen die Plakate der letzten anderthalb
Jahre in dreiundsechzig Lagen, von der eignen Unleidlichkeit zerfetzt,
herab, von einem Auto, das hier eine Panne kriegte, gestern, lag
eine weggeschmissene durchlöcherte Raddecke ini Rinnstein. Ein trüb-
seliger pnnd kläffte sie an: „Mistviech, elendiges, von perrschafteu
abgelegtes, troll dich fort von hier!"

Mit den Menschen aber in der Winkelstraße war's an diesem
schwarzen Freitag so: Auf Nummer 3 war eine pexe. Wohl war sie
jung, aber daß sie den bösen Blick hatte, das warf vom ersten Tage

offenkundig. Ganz sauber war die Sache mit dem mitgebrachten
Pflegekinde auch nicht. Daz» hieß dies Rind noch Ursula. Zwei
dunkle „u" in einem Mädchennamen, Gott behüt mich, und hat auf
deutsch mit einem Bären was zu tun, diesem Brummtier, diesem
blutdürstigen, das doch meiner Seele auch kein Grund zur lichten
Freude ist.

„Die Vers von Nummer 3 mit ihrem Balge muß hinaus aus
unsrer Straße!" darin war die Winkelstraße einig. Der Pausherr
von Nummer 3 würde schon dazu gezwungen werden. Gerade jetzt
ging von paus zu paus ein Schrieb zur Unterschrift herum.

Die von Nummer 5 setzten ihren Namen mit besondrer Wut
darunter. Sie spekulierten. Und heute morgen hatte die Bank ge-
schrieben: „Wir bedauern, angesichts der Kursrückgänge in Ihren
Effekten nicht mehr in der Lage zu sein ..." pe, und wer war
schuld an dieser Lage - niemand anders als die pere von Nummer 3
mit dem bösen Blicke und dein lvechselbalge.

Auch auf Nummer 8 hatten sie einen pock auf die von Nummer 3.
„Dieses Luder!" hieß cs, „dieses ausverschämte Luder!" Warum sie
das sagten, weiß ich nicht. Ich könnte einen Grund erfinden. Aber
das ist mühsam. Und außerdem dumm. Denn die erfundenen Gründe
können den wirklichen nicht das lvaffer reichen. Also lieber keine.

luv

8. Das Reisen mit der Eisenbahn gestaltet sich heutzutage immer mehr zu einer Platzfragc ans.

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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Das Reisen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Storch, Carl
Entstehungsdatum
um 1922
Entstehungsdatum (normiert)
1917 - 1927
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 157.1922, Nr. 4022, S. 66
 
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