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Kursverluste wesenlos und unverständlich werden. Menschen, die
seit sieben Jahren nicht gelächelt haben. Die jetzt verzückt dem
kleinen Wesen nachsehn, wie es weiterpatscht auf — Nummer 8.
Wie ist mir denn, hat die Lrau, die aus dem paus tritt, nicht vor
einer Stunde Ursels Mutter ausverschämtes Luder geheißen? Und
wie reimt sich das mit der schokladnen Tafel, die dem Urselchen
jetzt übergeben wird samt einem „schönen Gruß zuhaus, uicin
Schnucki, gelt?"

In der einen pand den Schwamm, in der andern jetzt noch
die zusätzliche Schokoladebekleidung, ging Urselchen ihren Siegesweg
weiter. Zwei Politiker der Winkelstraße kreuzten seinen weg. Sie
stritten über Schwarz-weiß-rot und Schwarz-rot-gold. Sie dampften.
Jetzt ein wort noch von dem einen, ein paßblick von dem andern,
und Todesfeindschaft sproß, Patte gesproßt. Denn zwischen Imper-
fekt und Perfekt schob sich das schwarze Lockenköpfchen von Nackt-Ursel.

Die Weißglut der Politiker war verraucht, Sic lächelten. Patte
sie Klein-Ursula gefragt, worüber sie soeben noch auf Tod und Leben
stritten, sie hätten's nicht gewußt. Gder wenn gewußt — begriffen
hätten sie's nicht mehr, wie man auf drei Leinwandfarben alles
peil und Unheil dieser Welt beziehen könne, wo doch der Lebens-
farbendreiklang Schwarz-weiß-gold der Ursula entschied.

Nahte von der andren Seite aber jetzt der Schutzmann, der die
Winkelstraße Tag für Tag begehen mußte. Der runzelte die Stirne.
Der zog sein Notizbuch. Der besann sich angestrengt, ob man Klein-
Ursula unter groben Unfug subsummieren könne. Dem gab Ursula
aus vergnügtem Urtrieb ihre Patschhand. Der klappte sein Notiz-
buch zu. Der erschrak ein wenig vor sich selbst. Denn wie er jetzt
dem unbekümmerten Geschöpfchen nachsah, war's ihm durch den
Kopf gegangen, wie wesenlos, wie ohnmächtig im Grunde alle
Paragraphen sind, gemessen am vertrauensvollen Lächeln eines bloßen
Kindchens.

Nicht nur Paragraphen. Denn wie jetzt Klein-Ursula der Lrau von
Nummer t l begegnete — derselben, der man gestern ihren Mann
begraben hatte — zerschellte auch die Trübsal seiner Eminenz des

Todes an der lächelnd aufgehobenen Kiuderstirue. 2111 das aber
ging vor sich in einem Bruchteil nur der Zeit, die ich verwenden
muß, um es wahrheitsmäßig aufzuschreiben. Den Rückweg Ursels
nach der Nummer 3 der Winkelstraße eingeschlossen. Eingeschlossen
auch den wiedereinstieg in die Badewanne.

Reinen Augenblick zu früh. Der Kohlenmann ging eben fort.
Ins Zimmer trat die Lrau: „Brav, Urselchen, fein stillgehalten
hast du — komm, gib den Schwamm — ei, wie kommst du zu der
Tafel Schokolade?" staunte sic.

Und staunte noch mehr, als der pauswirt später klopfte: Die
Kündigung ziehe er zurück. Staunte weiter, als die von Nummer 5>
einen „Guten Abend" durch das Lenster wünschten. Staunte baß,
als von Nummer 8 ein Bote kam mit einem wunderhübschen Jäck-
chen samt einem schönen Gruß, ob sich die Ursel nicht verkältet
habe. Staunte, als von Nummer \ \ die Witwe sagen ließ, sic
übernähme herzensgern die Kinderaufsicht, wenn die Pflegemutter
außerm Pause Arbeit hätte.

Und staunte am meisten, als sie einen Blick durchs Lenster tat
und sich übers paar fuhr: war das noch die säuerlich verdrossene
Minkelstraße? Lag nicht Licht auf allen Steinen? Und sah das
aufgerissene Stück mit den juxig verkrümmten Gasröhren nicht ver-
gnügt aus? Und gab es eine Anschlagsäule in der Welt, von der
Plakate kreuzfideler hingen?

„Nun brat mir einer einen Storch," sagte sie über die Achsel
in der Richtung nach der Badewanne, „kannst du mir erklären,
Ursel, wie das plötzlich alles anders wurde?"

Worauf Klein-Ursel krähte. Vielleicht vor Vergnügen. Vielleicht
aus Schalkerei. Vielleicht um eine Weltanschauung zu bekunden.

Bei kleinen Kindern innerhalb drei Jahren weiß man diese
Dinge nie so genau. Sie sind so unlogisch. Unlogisch wie die
Winkelstraße, die, nachdem sie seit Uicnschengcdenken die düsterste
und unguteste Straße der ganzen Stadt gewesen war, sich ausge-
rechnet einen schwarzen Lrcitag ausgesucht hat, um sich in ihr
Gegenteil zu kehren.

Nene Lebcrrcimc

von Hermann Schott. e tt) C t §.

Die Leber ist von einem
Hecht

Und nicht von einem
Panther.

Nicht jeder ist ein Diplo-
mat,

Der drauß' is als Ge-
sandter.

Die Leber ist von einem
Hecht

Und nicht von einer Ratte.

Bei einer Scheidung ist
nicht stets

Der schnld'ge Teil der
Gatte.

Die Leber ist von einem
Hecht

Und nicht von dem
Gorilla.

Vorm Krieg war nur ein
Schlafranm sein,

Jetzt hat er eine Villa.

„Können Sie auch schweigen, Minna?" — „Wie das Grab, gnä' Fra»!
Fast meine gange Aussteuer Hab' ich mir davon angeschafft!"

Keck.

Prinzipal (zur
Buchhalterin): „Ich muß
Sie schon bitten, in Zu-
kunft Ihre Liebeleien zum
Feustcr hinaus zu unter-
lassen ; soeben ist ein Herr
vorbeigegangen und hat
eine Kußhand hcrcinge-
worfen." — „Da täu-
schen Sie sich aber, Herr
Kommerzienrat, ich habe
nichts fallen hören."

M o d e r n e K u n st.

„Hochwürden, sch'n
S' nur mal diesen mo-
dernen Christus an von
dem Futuristen. Ist das
nicht ein Hohn, ein Skan-
dal, ein..." — „Mei',
schan'n S', das was die
Leut' glauben, is ja auch
danach!"


Bildbeschreibung

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"Beweis"
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Serientitel
Fliegende Blätter
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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsdatum
um 1922
Entstehungsdatum (normiert)
1917 - 1927
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
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Fliegende Blätter, 157.1922, Nr. 4022, S. 68

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