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hat sehr treffend gesagt, daß die soziale Frage lediglich eine Magen-
frage ist • . ."

Die Karausche machte bei den letzten Morten eine sehr un-
sichere Bewegung,

„Ihre Deputation war übrigens auch da," fuhr der Becht fort,
„Mir haben sie auch empfangen, das gehört nun einmal zum guten
Ton, Der ganze Fluß und die umliegenden Teiche hatten Ab-
ordnungen geschickt, die Elritzen eine, die Rotfedern eine, eine
andere die Karpfen und Schleien, dann die Weißfische und zuletzt
Ihr Karauschen. Die Barsche, die Schlammbeißer, die Aale und
die Stichlinge waren freilich nicht da. Na ja, die haben es im
Grunde genommen ja auch nicht nötig. Die Barsche sind ebenfalls
ein altes, wenn auch etwas verkommenes Adelsgeschlecht. Die
Aale und die Schlammbeißer werden keine Zeit gehabt haben, da
sie auf ihrem Sittlichkeitskongreß sicher sehr beschäftigt sind. And
was die Herren Stichlinge, diesen Answurf der Fischhcit anbetrifft,
na ja, die sind doch ungenießbar."

„freilich," dachte die Karausche, „weshalb, Herr Hecht, das
weißt du sehr genau. Sie haben Stacheln auf dem Rücken, die
auch einem Bcchtmanlc wehe tun." Aber sie sagte das nicht laut.
Sie fragte vielmehr: „Sind Sie von den: Ergebnis der Verhand-
lungen unterrichtet, Herr Lsox?"

„Ja ja", lachte ärgerlich der Hecht. „Missen Sie, was Ihre
Abordnung verlangte? Nichts weniger als drei Monate Schonzeit
für die trächtigen Weibchen und vollkommene Schonzeit für ihre
Jungfische bis zum Alter von (3 Monaten "

„Baben sie etwas erreicht?" fragte die Karausche und hatte
irgend eine Hoffnung.

„was sollen sie erreicht haben?" schnauzte der Hecht. „Ein-
fach undenkbar ist diese Forderung, was bilden sich die Karauschen
denn ein! Sollen wir Hechte denn etwa ihretwegen verhungern?!
Trotzdem war unser Vorsitzender die Liebenswürdigkeit in eigner
Person. Er fraß nur den Bbmann der Karpfendeputation schnell
auf, weil der so gut aussah, und entließ alle andern Herren mit
dem freundlichsten Flossendrnck.

„Und die soziale Frage?" wandte die Karausche ein.

Der Hecht sperrte vor Lachen das Maul so weit auf, daß die

Karausche schaudernd seine sämtlichen scharfen Zähne sehen konnte.
„Die soziale Frage? Bahahaha! Sie sind gut. Die ist, was sie
war, eine Magenfrage und wird nach der alten guten Ansicht der
Hechte so gelöst: Der Stärkere frißt den Schwächeren auf —"

Die Karausche zitterte vor ohnmächtiger. Wut. Da auf ein-
mal besann sie sich des spitzen Hakens, auf den sie gespießt worden
war. Etwas wie Märtyrertum kam über sie.

„Macht Sie die lange Unterredung auch nicht hungrig, Herr
Lsox," fragte sie schüchtern, „sonst stünde ich gern zu Diensten.
Ich bin sehr knusperig, erst siebzehn Monate alt - und habe cs
in mir —"

Der löscht gähnte, dann aber betrachtete er sie, stieß sie gut-
mütig mit der Schnauze an und sagte: „Du hast nicht so ganz
unrecht, Kleine, du bist im schmackhastesten Alter.

Blitzschnell wandte er sich drauf, riß das Maul auf, schnappte
zu und - - — — fühlte die harten, scharfen eisernen Spitzen des
Angelhakens. Aber er mochte das Maul aufreißen, so sehr er
wollte, er mochte die wütendsten Schwanzschläge austeilen, die
Baken saßen fest.

„Donnerwetter", fluchte er. „Dieser kleine Teufel von Karausche
hatte es wirklich in sich. Nun bin ich der Lackierte. Da sieht man
ja, was dabei herauskommt, wenn man mit dieser Gesellschaft
die soziale Frage auf gütlichem Wege erörtert."

weiter kam er nicht. Eine unsichtbare Gewalt zog ihn immer
näher zum Ufer und schließlich lag er zappelnd in einem Ketscher
und schnappte nach Luft.

„Junge, Junge, was für ein kapitaler Bursche!" rief der
Bekannte des Anglers, „der hat mindestens fünf Pfund."

Der Angler nickte sehr befriedigt, „wir haben wenigstens
morgen etwas auf dem Tische." Dann lachte er seinen Bekannten
an. „Ist das nicht komisch? Mit einem Regenwurm angelte ich
die Karausche, mit der Karausche aber den Hecht, also den wurm
fraß die Karausche, die Karausche der Becht und den Becht, den
esse ich auf. Übrigens hast Du schon gehört, daß wir am Sonn-
abend nachmittag große Protestversammlung haben? Der Rcichs-
tagsabgeordnete unseres Wahlkreises wird über das Thema, „Die
Lösung der sozialen Frage" sprechen ."

„Du, Kleiner, ich bin so faul, komm', bohr' mir Du einmal ein lvenig in der Nase!

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Gipfel der Faulheit"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Osswald, Eugen
Entstehungsdatum (normiert)
1922 - 1922
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 157.1922, Nr. 4033, S. 154
 
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