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„Sott schenke d!i> ;um Zatzreswechsel" —
vle Dünsche slalleim aus den Tisch,
von schönen woi-ten ein Sedeechsel,
von allen ?hpgsen ein Gemisch.

Erlosch am Himmel auch manch trüber,
Manch matter Stern, der viel einst galt,
vle Heden eilt, der Mund fließt über,
Vas Hei>z bleibt In der Hegel Kalt.

Zum Jahreswechsel.

vnd da zudem von allen wünschen
— kseroorgebracht zu deinem Hell
Sei veussßrs-- und Süoesterpünschen -
Rauh eintritt stets das Segenteil,

So will ich, um die Macht zu brechen
ver Rölle und der Finsternis,
ln derber weise zu dir sprechen,
viel Segen sprießt dir dann gewiß.

Mag also dich der Teufel holen,

Er sende Ärger vir und Groll,
veln SeldschnanK werde dir bestohlen!
vein Magen werde nie mehr voll.

Ä» das, wogegen du nicht Macht ßsst,
Ich wünsche es dir an den Hals,
voch das, was du mir zugedacht ßsst,
wünsch' Ich dir zehnfach ebenfalls.

Atupldus ühclel.

Das chemische Gastmahl.

Mein Dnkel Korbinian hält es mit der Sparsamkeit. Aber nicht
so etwa wie ein Amateursparer. Lr hat so was wie eine ingeniöse
Sparsamkeit an sich, die mit feinster Nase alle Möglichkeiten des
Konzentrierens der Kräfte und Mittel wittert, eine Sparsamkeit,
die nicht nur wirtschaftlich und philosophisch begründet ist, sondern
auch alle Errungenschaften der Technik in ihren Dienst stellt, eine
Sparsamkeit, die noch imstande ist, aus ausgefallenen Haaren Fuß-
abstreifer zu fabrizieren und aus alten Spagatrosten wintorxalctots
herstcllt. Wenn er kauft, so kauft er nur ausgesucht praktische
Dinge: etwa ein Taschenmesser, das zugleich als Zahnbürste und
als Feldbett verwendet worden kann, oder ein Füllfederhalter, der
sich durch sogenannte einfache Handgriffe zu einem Fernrohr oder zu
einem Regenschirm verwandeln läßt. Kurz, Korbinian ist erpicht
auf praktische „Patente". In der letzten Zeit hat's ihm namentlich
die Nahrungsmittelchemie angetan. Er kauft Or. Mumpitzs Driginal-
Kraftmchl, \o g ausreichend zur Herstellung von J5 Brotlaiben,
Professor Kaleikas «Original - Erbswurst mit Rauchfleischgeschmack,
eine Dose Ersatz für die Ernährungs-Kalorien von 2 Mastschweinen,
und neulich brachte er vr. Dawsons „Geflügel-Ersatz-Stangc" heim.

Korbinian ladet mich manchmal zum Abendessen ein. Zu chemi-
schem Abendbrot. Nicht daß ich heikel wäre. - - Aber vorsichtshalber
esse ich doch im Sternbräu vorher 3 Paar Blut- und Leberwürste.

Neulich gab's bei ihm Lleischpastcten und Krabben-Mayonnaise.
Die Lleischpasteten waren aber nicht aus Fleisch sondern aus „Ge-
brüder Stiesels Driginal-Lett und Liweißpillen" und die Mayonnaise
wurde aus einer Zinktube „Schulzes Ambrosia-Nährpaste" heraus-
gedrückt. Da Korbinian zum Zeitvertreib die Blgemälde-Nalerei
betreibt, war ich dem letzteren Gericht gegenüber ein bißchen vor-
sichtig; denn ich weiß nicht, ob mir gegebenenfalls Lleischpastcten
mit Kremserweiß gut bekommen.

„Wir hoben also die Hände zum festlich bereiteten Mahle" und
ich muß zu Korbinians Ehre sagen: „Es gibt schlechter mundende
Gerichte zum Beispiel Lebertran und Rizinusöl."

„Wie schmeckt es Dir?" fragte der Gastgeber. — Ich sagte:
„Ausgezeichnet, lieber Bnkel! An Dir ist ein Napoleon der Koch-
kunst verlorcngegangen." Und ich würgte den letzten Bissen hinab
wie eine mit Halsentzündung behaftete Ente, die einen zu großen
Brocken verschluckt.

„warum greifst Du denn nicht zu?"

„Aber ich esse doch andauernd im Schweiße meines Angesichts."

Korbinian lud mir noch einen Teller voll auf. So war mir
zumute, als ich einmal in der Schule Z5 Seiten lang zur Strafe
schreiben mußte: Man darf während des Schreibens nicht am Leder-
halter kauen. Und als ich If> Seiten lang geschrieben hatte, wurde
es wieder herausgerissen, weil ich während des Schreibens am Leder-
halter kaute. — —

Nun stand dieser zweite Teller vor mir! — Mir liefen die
Tränen über die Wangen. - Dnkel Korbinian ist empfindlich, wenn

man seiner chemischen Küche keine Ehre antut. Als er sich eine Minute
vom Tisch entfernte, schüttete ich das Gericht in den Kohlenkübel
und deckte eine Lage Kohlen darüber. Als er wiederkam, löffelte
ich cnisig ein Restchen auf.

„Na, siehst Dul Dir schmeckt es. Es sind Vorurteile, die gegen
die chemische Küche bestehen. — Nun wollen wir uns aber einen
feinfeinen Kognak genehmigen." Ich frohlockte, denn mein Magen
verlangte bereits gebieterisch nach einem Beruhigungsmittel.

Korbinian ging zum lvandschränkchcn und brachte zwischen
Daumen und Zeigcfingcrspitze so etwas wie einen Suppenwürfel
herbei. Dann stellte er einen mit 2 Liter Wasser gefüllten Glaskrug
auf den Tisch. „Dies hier", sprach er und nahm den Würfel, „dies ist
nämlich „vr. Lindigs Kognakwürfel" — in 2 Liter Wasser gebracht
gibt dies einen ausgezeichneten Kognak, der den besten deutschen
und französischen Marken gleichkommt. Ich wurde ganz blaß.

„Und dabei," sprach Korbinian, „absolut unschädlich — nur
bekömmlich I — Man kann davon einen Schoppen trinken, ohne
berauscht zu werden."

Ich war davon überzeugt.

Er löste mit einem Kochlöffel ein braunes Pulver im Wasser
auf und bald nahm die Llüssigkeit eine trübe, graubraune Lärbung
an. An der Dberfläche oszillierte sie etwas wie verschüttetes Benzin.
Es sah aus wie eine Mischung von Abspülwasser und Politurfirnis.

Korbinian goß mir ein Weinglas voll.

„Prost, Alter!" Ich tat Bescheid und nippte.

Die Brühe schmeckte nach Schießpulver, Karbol und Pfeffer-
minzen. Korbinian drückte genießerisch die Äuglein zu und hielt
sein Glas gegen das Licht. „Lin Tropfen, was!" —

Ich nickte stumm. Ich wollte ihm nicht wehtun und sagte
nur: „Wenn dies Kognak ist, so habe ich bisher immer etwas anderes
für Kognak getrunken."

„Ja," sagte Korbinian, „man wird gerade mit Spirituosen un-
heimlich betrogen. Es freut mich, daß Du einmal an die richtige
Duelle kommst."

Als er auf einen Sprung hinausging, schüttete ich mein Glas in
den Kohlenkübel. Ls zischte ein bißchen und ich war froh.

Zum Glück füllte Korbinian als sparsamer Mensch den Kognak
im Glaskrug in zwei Bierflaschen um und verkorkte sic.

Dann gab er mir noch eine von „Johann Georg Seifwinklers
«Original-Spar- und Gosundheitszigarren".— „Man braucht die
angenehmen Stimulantien wie Alkohol und Tabak, wie Du sichst,
durchaus nicht entbehren, wenn man geeignete Ersatzmittel dafür
bekommt. Man spart und erhält sich seine Gesundheit."

Ich nahm die „Zigarre" scheu und vorsichtig wie ein ekelhaftes
Reptil zwischen spitze Linger. Sie schillerte in allen Larben und als
wir sie anbrannten, krachte und prasselte und knackte es wie ein
Leuerwerk. In einer halben Minute war die Luft im Zimmer wie
in einem Hospital von Pestkranken. „So," sagte Korbinian, „jetzt

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