Lumpenliedchen
(;u nebenstehendem flohschnitt von Hans Tlolpn).
Ich brauch keinen Schneider ;u fragen,
flid< selber im Kode mir das Loch,
Ich trag keine Strumpf, keinen Kragen,
Tu keine Klanschelten nicht tragen,
Und gefall meiner Kathl doch !
Kab oft kein Stüde Schwarzbrot ;u beißen,
für mich schmort kein noblickter Koch !
Ick hab einen Klagen aus tisen,
Ick sauf, bis die Knopflöcher reifen,
Und gefall meiner Kathl doch !
Und fluchen kann ich, alle Wetter,
Daß selbst sich der Satan verkroch !
Ick pfeife auf seidene Beiter,
Pie Laus ist am Strohsack mein Vetter,
Und gefall meiner Kathl doch !
Ick tat s ihr schon hundertmal sagen :
,,Ich kriech nickt ins eh liehe Joch/"
Dann hat sie die Pas’ mir zerschlagen,
Kaut mir den Pantoffel vorn Klagen,
Und die Kathl gefallt mir kalt doch !
Röllchen.
Wer ist der Richtige?
Aus den Bekenntnisse» eines blonden Fräuleins
Von HanS Bachwitz.
O wenn ich an den Soiree-
abend bei Majuffkes zurückdenke!
Ich harte ein entzückendes Stilkleid
aus eeriseroter Charmeuse an und
stellte mit Freude fest/ das; Anna-
gonda Fretscher, incine beste
Freundin, grün vor Rcid wurde,
als Kuno von Radebeul die
Hacken seiner spiegelnden Lack-
schuhe zusammenschlug, daß man
den zartlilanen Seidenstrumpf
deutlich sah, und inir zuflüstertc,
wie glücklich er sei, mich zu Tisch
führen zu dürfen. Wie geistreich
er Konversation zu machen versteht! Wenn er voin Wetter plau-
dert, glaubt inan atemlos, einem Vortrag von Einstein zu folgen.
Er ist natürlich gleich mir Abonnent der» Eleganten Welt", so
daß ich bald mit wonnigem Entzücken merkte, wie wir auch
geistig dasselbe Lager teilten, lind wie er tanzt! Das war ein
Schweben auf Elfenbein in höhere Religionen. Wir tanzten einen
Biber-Tripp, einen Hottentotten-Trott, einen Salamander-
Shimmy und einen Cowboy-Schwepp zusammen, und ich muß
sagen, er war mit allen Satteln gesalbt! Jeder Zoll eine Gerte !
O — immer in diejen teils nervigen, teils schmachtenden Armen
ruhen zu können! Fred Majuffke, der Sohn des Hauses, ein
widerlicher Prolet, versuchte, den hochfeinen Eindruck, den Kuno
auf mich gemacht hatte, durch koddrige Bemerkungen zu zer-
stören. Er meinte, Kuno sei ein mißglückter Rechtskameruner,
ein Hakenkreuzindustrieritter, eine Bügelfalte ohne Hose und
was dergleichen pöbelhafte Instinktäußerungen niedriger Men-
schen mehr sind. Klar, das ich ihn mit Verachtung strafte und
ihm erklärte, wenn ich Majuffke hieße, würde ich mick hüten,
einen Rachfahren altadliger Geschlechter unter den Scheffel zu
setzen. Wenn ich hätte ein Blutbad anrichten wollen, so hätte
ich ja Kuno von dem Vorfall nur in Kenntnis setzen brauchen,
aber ich habe vorgezogen, ihm ein anonymes Billett zu schicken
mit den warnenden Worten: »Hüte Dich vor F. Majuffke!"
Die ganze Rächt habe ich von Kuno in Träumen geschwelgt.
Db er aber der Richtige ist? Wer vermöchte dieses Dilemma
zu lösen, das schon so oft jungfräuliche Busen erschüttert bat,
was mit so wundervoller Ratur-
treue in dem Film „Mädchen, die
das Glück nicht fanden."
(wo Ria Iende das fabelhafte
Chinakreppkleid trägt und Deutsch
so herrliche Schwindsuchtsaugen
inacht) im Fürstenpavillon zu be-
wundern ist!
★
.Boleslav Ratibor!
Rie werde ich den blassen, hoch-
interessanten, echt künstlerischen
Virtuosenkopf vergessen, der vor-
gestern zum Fünfuhrtee bei Hack-
michels mit seinen vibrierenden
Musikerhänden den Bechstein meisterte. Hätte der ekelhafte Fred
Majuffke nicht inmitten eines weihevollen Adagios laut ge-
äußert: „Auch ein Klavier brüllt, wenn cs gereizt wird", wahr-
haftig — jene Stunde, da ich gebannt an Boleslav Ratibors wild-
genialischen Locken hing, wäre unvergeßlich geblieben. Wie alle
andern, schüttelte auch ich dem jugendlichen Meister der Töne
die klangvolle Rechte, als er nach dem Spiel erschöpft, aber ein
sieghaftes Lächeln in den schwarzumrandeten Melancholieaugen,
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(;u nebenstehendem flohschnitt von Hans Tlolpn).
Ich brauch keinen Schneider ;u fragen,
flid< selber im Kode mir das Loch,
Ich trag keine Strumpf, keinen Kragen,
Tu keine Klanschelten nicht tragen,
Und gefall meiner Kathl doch !
Kab oft kein Stüde Schwarzbrot ;u beißen,
für mich schmort kein noblickter Koch !
Ick hab einen Klagen aus tisen,
Ick sauf, bis die Knopflöcher reifen,
Und gefall meiner Kathl doch !
Und fluchen kann ich, alle Wetter,
Daß selbst sich der Satan verkroch !
Ick pfeife auf seidene Beiter,
Pie Laus ist am Strohsack mein Vetter,
Und gefall meiner Kathl doch !
Ick tat s ihr schon hundertmal sagen :
,,Ich kriech nickt ins eh liehe Joch/"
Dann hat sie die Pas’ mir zerschlagen,
Kaut mir den Pantoffel vorn Klagen,
Und die Kathl gefallt mir kalt doch !
Röllchen.
Wer ist der Richtige?
Aus den Bekenntnisse» eines blonden Fräuleins
Von HanS Bachwitz.
O wenn ich an den Soiree-
abend bei Majuffkes zurückdenke!
Ich harte ein entzückendes Stilkleid
aus eeriseroter Charmeuse an und
stellte mit Freude fest/ das; Anna-
gonda Fretscher, incine beste
Freundin, grün vor Rcid wurde,
als Kuno von Radebeul die
Hacken seiner spiegelnden Lack-
schuhe zusammenschlug, daß man
den zartlilanen Seidenstrumpf
deutlich sah, und inir zuflüstertc,
wie glücklich er sei, mich zu Tisch
führen zu dürfen. Wie geistreich
er Konversation zu machen versteht! Wenn er voin Wetter plau-
dert, glaubt inan atemlos, einem Vortrag von Einstein zu folgen.
Er ist natürlich gleich mir Abonnent der» Eleganten Welt", so
daß ich bald mit wonnigem Entzücken merkte, wie wir auch
geistig dasselbe Lager teilten, lind wie er tanzt! Das war ein
Schweben auf Elfenbein in höhere Religionen. Wir tanzten einen
Biber-Tripp, einen Hottentotten-Trott, einen Salamander-
Shimmy und einen Cowboy-Schwepp zusammen, und ich muß
sagen, er war mit allen Satteln gesalbt! Jeder Zoll eine Gerte !
O — immer in diejen teils nervigen, teils schmachtenden Armen
ruhen zu können! Fred Majuffke, der Sohn des Hauses, ein
widerlicher Prolet, versuchte, den hochfeinen Eindruck, den Kuno
auf mich gemacht hatte, durch koddrige Bemerkungen zu zer-
stören. Er meinte, Kuno sei ein mißglückter Rechtskameruner,
ein Hakenkreuzindustrieritter, eine Bügelfalte ohne Hose und
was dergleichen pöbelhafte Instinktäußerungen niedriger Men-
schen mehr sind. Klar, das ich ihn mit Verachtung strafte und
ihm erklärte, wenn ich Majuffke hieße, würde ich mick hüten,
einen Rachfahren altadliger Geschlechter unter den Scheffel zu
setzen. Wenn ich hätte ein Blutbad anrichten wollen, so hätte
ich ja Kuno von dem Vorfall nur in Kenntnis setzen brauchen,
aber ich habe vorgezogen, ihm ein anonymes Billett zu schicken
mit den warnenden Worten: »Hüte Dich vor F. Majuffke!"
Die ganze Rächt habe ich von Kuno in Träumen geschwelgt.
Db er aber der Richtige ist? Wer vermöchte dieses Dilemma
zu lösen, das schon so oft jungfräuliche Busen erschüttert bat,
was mit so wundervoller Ratur-
treue in dem Film „Mädchen, die
das Glück nicht fanden."
(wo Ria Iende das fabelhafte
Chinakreppkleid trägt und Deutsch
so herrliche Schwindsuchtsaugen
inacht) im Fürstenpavillon zu be-
wundern ist!
★
.Boleslav Ratibor!
Rie werde ich den blassen, hoch-
interessanten, echt künstlerischen
Virtuosenkopf vergessen, der vor-
gestern zum Fünfuhrtee bei Hack-
michels mit seinen vibrierenden
Musikerhänden den Bechstein meisterte. Hätte der ekelhafte Fred
Majuffke nicht inmitten eines weihevollen Adagios laut ge-
äußert: „Auch ein Klavier brüllt, wenn cs gereizt wird", wahr-
haftig — jene Stunde, da ich gebannt an Boleslav Ratibors wild-
genialischen Locken hing, wäre unvergeßlich geblieben. Wie alle
andern, schüttelte auch ich dem jugendlichen Meister der Töne
die klangvolle Rechte, als er nach dem Spiel erschöpft, aber ein
sieghaftes Lächeln in den schwarzumrandeten Melancholieaugen,
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Lumpenliedchen"
"Wer ist der Richtige? Aus den Bekenntnissen eines blonden Fräuleins"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsdatum
um 1924
Entstehungsdatum (normiert)
1919 - 1929
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)