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Ergebnis der Preisaufgabe 408: (Nr. 4893)

Stammbuch und Graphologie

Aus der nun schon recht fernen Zeit seiner Iünglingsjahre be-
wahrt Meier noch ein Stammbuch, dessen vergilbte Seiten ihn an
viele Genossen jener schönen Tage erinnern. Wohin hat sie das
Leben geführt, was ist wohl aus ihnen geworden? Wenn Meier
heute sein Stammbuch durchblättert, scheint ihm manche Eintragung
darin nicht so recht zu dem Menschen zu passen, der einst diese Zeilen
zu seinem Gedächtnis schrieb. Denn inzwischen hat Meier viel ge-
lernt und gute Menschenkenntnis erworben, und dem geschärften
Arteil des Alters kann der vermeintliche Glanz mancher Iugend-
erinnerung nicht standhalten. Es reizt ihn, sein Arteil von ob-
jektiver Seite nachprüfen zu lassen, durch die sicherlich zuverlässige
Wissenschaft der Graphologie, der Landschriftendeutung, und so trägt
er sein Stammbuch zu dem bewährten Graphologen Cyprian Deutling,
damit er ihm zu jeder Eintragung eine von jeder Rücksicht freie
Beurteilung des Menschen liefere, der das geschrieben hat. And
wirklich — der Graphologe deckt bemerkenswerte Gegensätze auf:
da find Verse im Stammbuch, die zu dem, was die Landschrift ver-
rät, in oft groteskem Gegensatz stehen, als hätte der Schreiber sie
eigens gewählt, um sich damit zu tarnen. Wir hatten einige Beispiele
gegeben und gebeten, weitere zu suchen.

Mit Vergnügen haben wir bei den Einsendungen die Bekannt-
schaft mit lieben alten Stammbuchversen erneuert, wie sie einst die
noch nicht reifere Jugend einander in die ersten, für die Gefährten
der unteren Schulklassen bestimmten Stammbücher zu schreiben pflegte,
treuherzig naive Worte, die heute wohl belächelt werden mögen. Da
ist die Mahnung an das kleine Mädchen, dem bescheidenen, im Ver-
borgenen blühenden Veilchen und nicht der stolzen Rose gleich zu
sein; da ist die mehr für Knaben und die einstige Lebensfahrt be-
stimmte Tröstung: „Schiffe ruhig weiter, wenn der Mast auch bricht"
usw.; da ist die Versicherung ewiger Treue: „Rosen, Tulpen, Nelken,
alle Blumen welken; S'ahl und Eisen bricht, aber treue Liebe nicht."
Ja, das sind liebe Verse aus den Kindheitstagen, aber sie konnten
hier nicht in Betracht kommen, denn dazu gehören auch noch ganz
unbeholfene Kinderhandschriften. Mit denen aber wüßte der Grapho-
loge nicht viel anzufangen.

Immerhin haben solche Verse wirklich und sicherlich tausendfach
in Stammbücher» gestanden. Andere Einsender aber sind mit an-
geblichen Eintragungen gekommen, die nie und nimmer in einem
Stammbuch zu finde» sein werden. Es sollte ein recht schroffer Kon-
trast zwischen Stammbuch und Graphologie gezeigt werden, und so
vergriff man sich unüberlegter Weise. Da wird jemand vom Grapho-
logen als ein entsetzlicher Schwätzer bezeichnet, und darum muß er
nun ins Stammbuch den Text jenes bekannten, in Büros zu finden-
den Plakats schreiben, dessen beide letzte Zeilen lauten: „Wer nutzlos
unsre Zeit uns nimmt, bestiehlt uns, und du sollst nicht stehlen!"
Das wird doch niemand in ein Stammbuch schreiben. Noch weniger
aber die Mahnung der chemischen Reinigungsanstalten an ihre Kunden:
„Leere die Taschen deiner Sachen vor der Reinigung!" Natürlich
soll das ein leichtsinniger, sehr unvorsichtiger Mensch geschrieben
haben. Auch Faust's Wort: „Da steh' ich nun, ich armer Tor, und
bin so klug als wie zuvor!" gehört nicht in ein Stammbuch und auch
nicht das freilich eine sichere Wahrheit kündende Zitat: „Der Staat

muß untergehn, früh oder spät, wo Mehrheit siegt und Anverstand
entscheidet."

Fehler sind dann auch bei den Arteilen des Graphologen gemacht
worden. Da erklärt er von einem, der im Stammbuch die standhafte
Treue gerühmt hat, der Mann sei aus seinem Verschulden dreimal
geschieden worden. Ein anderer soll ein oft verurteilter Einbrecher und
ein dritter ein Verschwender sein, der zu viele und zu teure Zigarren
raucht. Solche Behauptungen wird kein Graphologe aufstellen.

And schließlich fei noch jener wenigen Einsender gedacht, die sich
um den Graphologen gar nicht gekümmert und ihre eigenen Erfah-
rungen haben sprechen lasse». Sie haben uns mitgeteilt, was ihnen
der Onkel und die Tante, der Vetter und die Base an liebenswürdi
gen Versen ins Stammbuch geschrieben haben, und wie sich dann
fpäter der Onkel als Ekel, die Tante als Satan gezeigt, und auch
der Vetter und die Base sich häßlich benommen haben. Wir haben
diese Klagen aus dem Familienleben mit gebührendem Bedauern
zur Kenntnis genommen, dann aber beiseite legen müssen.

Das Ergebnis:

Erster Preis von 60 Mark:

Im Stammbuch: Emsiges Ringen führt zum Gelingen;

Baust du nicht fort, so stürzt alles dir ein.
Frisch wieder wagen, niemals verzagen,
Tropfen auf Tropfen durchhöhlt auch den Stein.

Der Graphologe: Willensschwäche, entschlußunfähige Persönlich-
keit, ohne Zielsetzung, mit starkem Lang zum Träumen. Lat keine
Ausdauer, beginnt viele Dinge, führt aber selten etwas zu Ende. Ist
ernsten Schwierigkeiten gegenüber sehr zaghaft und zieht sich sofort
in sich selbst zurück, anstatt zuzupacken.

Einsenderin: Frau Lau na Lohm, München 8, Steinstraße 36.

Zweiter Preis von 30 Mark:

Im Stammbuch: Zufriedenheit ist große Kunst,

Zufrieden scheinen, großer Dunst;

Zufrieden werden, großes Glück;

Zufrieden bleiben, Meisterstück.

Der Graphologe: Die Schriftzüge zeigen die charakteristischen
Merkmale eines Menschen, der immer das erstrebt, was er bei seiner
seelischen Eigenart niemals zu erreichen vermag. Ein unausgeglichener
Charakter, der sich nicht zu bescheiden weiß.

Einsenderin: Frau Aenne Müller, Königsberg i. Pr., Lagenstr. 7a.

Dritter Preis von 20 Mark:

Im Stammbuch: Dem Mutigen gehört die Welt.

Der Graphologe: Ein Angsthase oder offen gesagt: eine feige
Natur. Wird bei allem, was er unternimmt, um sichere Deckung be-
sorgt sein und läßt sich stets ein Türchen offen, um sich vor jeder
Verantwortung zu drücken.

Einsender: Bernard Log ermann, Recklinghausen-S II,
Sedanstraße 14.

Außerdem sind 30 Trostpreise in Büchern im Werte von je 3 Mark

\ verschickt worden.

NIVEA-ULTRA-CREME in Dosen zu 30 u. 65 Pf.,
in Tuben zu 50 Pfennig / NIVEA-ULTRA-ÖL in
Flaschen zu 35 und 60 Pfennig und RM 1.25


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Der A\ann,der

mit der Sonne böse ist...

Wahrscheinlich hat er früher mal einen
Sonnenbrand gehabt, und nun will er
überhaupt nichts mehr mit der Sonne zu
tun haben.

Dabei braucht er sich nur mit NIVEA-
ULTRA-ÖL einzureiben! Dann können
die verbrennenden Strahlen ihm über-
haupt nichts anhaben, und vor allem
wird er schön braun dabei.

NIVE/6amügi^)L

schluckt die verbrennenden Strahlen und läßt die bräunenden durch!

Bei Anfragen oder Bestellungen wollen Sie sich gefl. auf die „Fliegenden Blätter“ beziehen.

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