o
Die kranke Nachbarin
Ein Gespräch über den Gartenzaun. Von Leinrich Rumpfs.
Morjen, Frau Nachbarin. Na, wat is denn mit Sie los? Ick
Hab Ihnen ja so lange nich jesehen. An richtig käsig sind Sie im
Iesicht. Wohl 'n bißken krank jewesen, wie? — Ach? Schon drei
Monate. Ai nee doch. — So so I — Am, — Ja, bet jlaube ick jern.
Da sehen Sie Ihnen man bloß vor. Sowas repitiert leicht. Rur
Schonung, Schonung l An bloß nich zu lange in Zarten bleiben, det
erste Mal. Immer wieder Hinsehen. — Schmerzen? — Wen er-
zählen Sie da wat, liebe Frau? Ick habejenau derselbe allein dreimal
durchjemacht. An was meine älteste Tochter is, die Frieda, wo jetzt
in Klein-Schottersdorf verheiratet is, der Mann is da bei's Zcmeinde-
amt, so als Straßenaufseher, jlaube ick, oder Straßenfejer, so jenau
weeß ick det nich, un vadienen tut man da ja ooch nich viel bei, ick
weeß nich jenau, wieviel, man will ja nich jerne Nachfragen, ick kann
mir sowieso nich jut mit ihn ver-
tragen, aber for Frieda is er im-
mer anständig jewesen, nee, da
kann man nischt jejen sagen. Ja,
wat ick sagen wollte: Frieda hat
das damals sooo furchtbar je-
habt!I Da fehen Sie noch
blendend jejen aus. Det hatte
sich uff Frieden ihre Bron-
schijen jeschlagen. Ick sage
Ihnen, vierzehn Tage lang nich
aus die Kleider, mein Mann
un icke! Nächtelang Hab ick je-
wacht. An wat mein Mann is,
der hat immerzu dajesessen un hat
schwarzen Rettich ausjehöhlt.
Wat, det kennen Sie nich?
Den Saft, durchjequetscht, mit
Zucker — — det Beste, wo man
überhaupt hat jejen son Leiden.
Det sollten Sie mal versuchen.
Oder war det bei Tiffterie? Na,
jedenfalls den Kind, also Frie-
da», die hat det jlänzend anje-
schlagen. Bloß miekrig bliebse
mir hinterher. An so dünne!
Da sind Sie noch een Pfanne-
kuchen jejen! Der konnten Sie
ja det Vaterunser durch die
Backen pusten. Na. An wissen
Sie, wat ick jemacht habe? Wir
wohnten doch damals drüben
in Ziegenwerder, in die Obere
Waldstraße, Nummero . . .
warten Sie mal, war det nu acktzig oder zweeunachtzig? Na, so
jenau kommt es ja nich uff an, ick jlaube achtzig. Jedenfalls hatten
wir jleich hinters Laus den Wald, die Schonung — wer'n Sie wohl
kennen. Nee? Die kennen Sie nich? Da hört sich doch alles uff. Nu
wohnt se schon hier seit achtzehnhundertunlangsam, und die Scho-
nung kennt se nich! Ick sage Ihnen, so weit det Auge reicht, nischt
wie Fichten! Eene jroßartige Natur is det. Bloß een Iraben war
davor . . . war doch Nummer zweeunachtzig, fällt mir jerade in.
Naja. Da bin ick eenfach bei den Förster bin ick hinjejangen. Ick
sage, Lerr Förster, sage ick, det Meechen kommt mir nich wieder
uff die Beene. Der fehlt die jute Luft. Wär det nich möglich, det
wir ihr tagsüber rüber in die Schonung .., natürlich, sagt er, Frau
Miesicke, bringen Sie ihr man rin in'n Wald, sagt er, solange se
will. Naja, da hat mein Mann
eenfach 'n Brett übern Iraben
gelegt, un Frieda nischt wie
rüber. Ick sage Ihnen, da hatse
den janzen Tag mang die Fich-
ten jesessen un Leidelbeeren
jepflückt, die sind ja soo jesund,
auch jetrocknet, bloß stoppen
tun se een bißken. Stullen Hab
ick se natürlich ooch mitjejeben.
Was mein'Sie,wie detMeechen
uffjeblüht is? Von een Tag
zun andern. Wie ne Pfingst-
rose. Bloß wejen die jute Luft!
Nanu, wat is denn los? Ihnen
Wird wohl ohnmächtig? Jetzt
kipptse mir wahrhaftig ooch noch
um! Lab ick nich sofort jesagt,
Frau Nachbarin, sag ick, jeden
Sie Obacht, so wat repitiert
leicht! Wat brauchtse sich stun-
denlang hier an Zaun hinstellen
un andere Leute von die Arbeet
abhalten?
Kinokarten
Er und sie stehen Arm in Arm
an der Kinokaffe.
Flötet er: „Geben Sie uns
zwei gute Plätze!"
Meint der Kassierer: „Loge?
— Oder wollen Sie was
sehen?!"
Das Erlebnis „Das müssen doch schreckliche Minuten für Sie
gewesen sein, Lerr Kapitän, als der Laifisch auf Sie zukam."
„Aber nein-ich war eigentlich ganz froh, ein Erlebnis zu haben,
das ich später neugierigen Passagieren würde erzählen können."
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Die kranke Nachbarin
Ein Gespräch über den Gartenzaun. Von Leinrich Rumpfs.
Morjen, Frau Nachbarin. Na, wat is denn mit Sie los? Ick
Hab Ihnen ja so lange nich jesehen. An richtig käsig sind Sie im
Iesicht. Wohl 'n bißken krank jewesen, wie? — Ach? Schon drei
Monate. Ai nee doch. — So so I — Am, — Ja, bet jlaube ick jern.
Da sehen Sie Ihnen man bloß vor. Sowas repitiert leicht. Rur
Schonung, Schonung l An bloß nich zu lange in Zarten bleiben, det
erste Mal. Immer wieder Hinsehen. — Schmerzen? — Wen er-
zählen Sie da wat, liebe Frau? Ick habejenau derselbe allein dreimal
durchjemacht. An was meine älteste Tochter is, die Frieda, wo jetzt
in Klein-Schottersdorf verheiratet is, der Mann is da bei's Zcmeinde-
amt, so als Straßenaufseher, jlaube ick, oder Straßenfejer, so jenau
weeß ick det nich, un vadienen tut man da ja ooch nich viel bei, ick
weeß nich jenau, wieviel, man will ja nich jerne Nachfragen, ick kann
mir sowieso nich jut mit ihn ver-
tragen, aber for Frieda is er im-
mer anständig jewesen, nee, da
kann man nischt jejen sagen. Ja,
wat ick sagen wollte: Frieda hat
das damals sooo furchtbar je-
habt!I Da fehen Sie noch
blendend jejen aus. Det hatte
sich uff Frieden ihre Bron-
schijen jeschlagen. Ick sage
Ihnen, vierzehn Tage lang nich
aus die Kleider, mein Mann
un icke! Nächtelang Hab ick je-
wacht. An wat mein Mann is,
der hat immerzu dajesessen un hat
schwarzen Rettich ausjehöhlt.
Wat, det kennen Sie nich?
Den Saft, durchjequetscht, mit
Zucker — — det Beste, wo man
überhaupt hat jejen son Leiden.
Det sollten Sie mal versuchen.
Oder war det bei Tiffterie? Na,
jedenfalls den Kind, also Frie-
da», die hat det jlänzend anje-
schlagen. Bloß miekrig bliebse
mir hinterher. An so dünne!
Da sind Sie noch een Pfanne-
kuchen jejen! Der konnten Sie
ja det Vaterunser durch die
Backen pusten. Na. An wissen
Sie, wat ick jemacht habe? Wir
wohnten doch damals drüben
in Ziegenwerder, in die Obere
Waldstraße, Nummero . . .
warten Sie mal, war det nu acktzig oder zweeunachtzig? Na, so
jenau kommt es ja nich uff an, ick jlaube achtzig. Jedenfalls hatten
wir jleich hinters Laus den Wald, die Schonung — wer'n Sie wohl
kennen. Nee? Die kennen Sie nich? Da hört sich doch alles uff. Nu
wohnt se schon hier seit achtzehnhundertunlangsam, und die Scho-
nung kennt se nich! Ick sage Ihnen, so weit det Auge reicht, nischt
wie Fichten! Eene jroßartige Natur is det. Bloß een Iraben war
davor . . . war doch Nummer zweeunachtzig, fällt mir jerade in.
Naja. Da bin ick eenfach bei den Förster bin ick hinjejangen. Ick
sage, Lerr Förster, sage ick, det Meechen kommt mir nich wieder
uff die Beene. Der fehlt die jute Luft. Wär det nich möglich, det
wir ihr tagsüber rüber in die Schonung .., natürlich, sagt er, Frau
Miesicke, bringen Sie ihr man rin in'n Wald, sagt er, solange se
will. Naja, da hat mein Mann
eenfach 'n Brett übern Iraben
gelegt, un Frieda nischt wie
rüber. Ick sage Ihnen, da hatse
den janzen Tag mang die Fich-
ten jesessen un Leidelbeeren
jepflückt, die sind ja soo jesund,
auch jetrocknet, bloß stoppen
tun se een bißken. Stullen Hab
ick se natürlich ooch mitjejeben.
Was mein'Sie,wie detMeechen
uffjeblüht is? Von een Tag
zun andern. Wie ne Pfingst-
rose. Bloß wejen die jute Luft!
Nanu, wat is denn los? Ihnen
Wird wohl ohnmächtig? Jetzt
kipptse mir wahrhaftig ooch noch
um! Lab ick nich sofort jesagt,
Frau Nachbarin, sag ick, jeden
Sie Obacht, so wat repitiert
leicht! Wat brauchtse sich stun-
denlang hier an Zaun hinstellen
un andere Leute von die Arbeet
abhalten?
Kinokarten
Er und sie stehen Arm in Arm
an der Kinokaffe.
Flötet er: „Geben Sie uns
zwei gute Plätze!"
Meint der Kassierer: „Loge?
— Oder wollen Sie was
sehen?!"
Das Erlebnis „Das müssen doch schreckliche Minuten für Sie
gewesen sein, Lerr Kapitän, als der Laifisch auf Sie zukam."
„Aber nein-ich war eigentlich ganz froh, ein Erlebnis zu haben,
das ich später neugierigen Passagieren würde erzählen können."
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Das Erlebnis"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1939
Entstehungsdatum (normiert)
1934 - 1944
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 191.1939, Nr. 4915, S. 210
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg