Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Zeichnung von I. Mauder

Der Mann mit dem neuen Anzug

Clemens Biester trägt einen sehr guten leichten Sommeranzug
von hellgrauer Farbe — Staubfarbe könnte man sagen. Der Bür-
germeister Runke wundert sich und schaut forschend auf den Anzug;
er steht sogar auf, um auch die ihm durch den Schreibtisch verdeckten
Losen sehen zu können. „Ich bemerke nichts Besonderes, Lerr
Biester/ meint er dann.

Clemens Biester schüttelt lächelnd den Kopf. „Nicht, was Sie
denken! Mir hat weder ein Kellner Soße oder Tunke auf den An-
zug geschüttet, noch ist er sonstwie beschädigt worden, wofür ich
Ersatz verlangen könnte. Das ginge Sie ja auch nichts an, Lerr
Bürgermeister, und es wäre albern von mir, wenn ich Sie deshalb
stören wurde. Nein, die Sache mit dem Anzug hat eine andere
Beziehung zu Strietzselde als Kurort. Zunächst muß ich als wichtig
erwähnen, daß der Anzug neu ist. Am Tage, ehe ich nach Strietzselde
fuhr, ist er fertig geworden. Das werde ich Ihnen beweisen, Lerr
Bürgermeister."

„Aber ich glaube es ja."

„Das sagen Sie jetzt, aber wenn ich mit meinen Ausführungen
fertig sein werde, dann werden Sie vielleicht wünschen, es bezweifeln
zu können. Deshalb beweise ich es lieber gleich jetzt. Bitte, hier ist
die Rechnung: Schneidermeister Pampel — einen Anzug geliefert-—
am 23. Juni. And am 24. Juni bin ich nach Strietzselde gefahren.
Bitte, hier ist meine Fahrkarte, eine Arlaubskarte. Ich habe mir
den Anzug eigens für Strietzselde machen lassen.

„Das ehrt uns, Lerr Biester. Wir sehen natürlich gern gut
angezogene Kurgäste."

„Da haben Sie recht. Es könnte Ihnen nicht gefallen, wenn die
Leute hier ihre ollen Klamotten auftragen würden. Aber der Anzug
sitzt großartig, nicht wahr? Pampel, der Schneidermeister, hat gesagt:
,Sie werden darin aussehen wie Apollo!" Das ist natürlich über-
trieben, und ich möchte es auch gar nicht. Apollo klimpert auf einer

Leier, aber ich bin kaufmännischer Vertreter, mache jedes Geschäft,
das sich bietet. Finden Sie etwa, Lerr Bürgermeister, daß ich wie
Apollo aussehe?"

Der Bürgermeister Runke weicht aus. „Man weiß wohl nicht,
wie Apollo ausgesehen hat."

„Na, jedenfalls bin ich nicht sein Doppelgänger. Der Schneider-
meister Pampel hat aber ferner gesagt: ,Sie werden nur Freude
an dem Anzug haben/ Aber das stimmt nicht. Der Anzug selbst
hat mir freilich keine Enttäuschung bereitet, aber er hat mir eine
solche klar gemacht, und da sie mit Strietzselde zusammenhängt,
komme ich zu Ihnen, Lerr Bürgermeister."

Der Bürgermeister Runke wird ungeduldig. „Dann möchte ich
jetzt doch um eine Erklärung bitten, Lerr Biester."

„Sofort!" Clemens Biester hebt die Stimme. „Ich bin also mit
einem nagelneuen Anzug nach Strietzselde gekommen. Jeden Tag
habe ich diesen Anzug getragen und bin damit durch die Straßen
und Fluren von Strietzselde spaziert. Leute nun sitze ich im Lotel
und warte aufs Mittagessen. Da kommt plötzlich ein guter Freund
auf mich zu. Er ist zufällig nach Strietzselde gekommen — nicht als
Kurgast, in Geschäften. Er steht mich, er stürzt auf mich zu, er ruft:
,Mensch, du bist hier!" und klopft mir zur Begrüßung auf den Rücken.
Tüchtig klopft er. Aber dann, Lerr Bürgermeister — dann mußte
der Kellner kommen und bei mir und in der Nachbarschaft frische
Teller auflegen. Was sagen Sie dazu?"

Der Bürgermeister Runke ist ratlos. „Ich verstehe nicht-"

„Aber das ist doch klar: aus dem Anzug war beim Klopfen auf
den Rücken Staub gekommen, so viel Staub, daß alles damit be-
deckt war. Der Speisesaal war eine Zeit lang völlig verdunkelt. Bitte,
Lerr Bürgermeister: darf ein nagelneuer Anzug, in dem also nicht
eine Spur von Staub war, in drei Wochen in einem Luftkurort so
viel Staub aufnehmen? Das darf er nicht, denn wie muß es dann
erst in der Lunge des Menschen aussehen, der den Anzug getragen

291
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Mutti, ich hab dir 'n paar zum Aussuchen mitgebracht!"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Mauder, Josef
Entstehungsdatum
um 1939
Entstehungsdatum (normiert)
1934 - 1944
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 191.1939, Nr. 4922, S. 291

Beziehungen

Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
 
Annotationen