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„bibsi“
Von Otto Lofmann-Wellenhof
„Was heißt: Ich trinke? Na, also — in Gottes Namen: Pircovic!"
„Ich trinke heißt — ich trinke — bibo."
„Na, großartig, hat sogar der Pircovic einmal etwas gewußt!
Und die Formen ?"
„bibo, bibis, bibere — bi-bi — bibsi I“
Professor (schrill): „bibsi I" (Nach einer Weile tonlos mit ver-
störtem Kopfnicken): „bibsi!"
lieber der Klasse lastet die gräßliche Fehlform wie ein Alp.
„Pircovic!" donnert nun der Professor und schleudert dem An-
geklagten mit antiker Wucht die Verbalformen in das Gesicht:
,bibo, bibis, bibere — bi-biI Ich wiederhole: bi-bi!! —potum Ober
haustum.“ Das fügt er nur ganz nebensächlich hinzu, als ob er
damit andeuten wolle, daß für Kreaturen wie Pircovic eine solche
Löhe des Wissens ohnedies nicht in Betracht käme. Weder potum,
noch haustum, geschweige denn „potum oder haustum".
„Ich lasse jemanden von Ihren Lerrn Eltern bitten, in meine
Sprechstunde zu kommen!" vollendet düster der Professor.
*
„Lerr Kommerzialrat Pircovic, Ihr Sohn hat . . ." der Pro-
fessor sagt es in der Sprechstunde in einem Ton, als wollte er aus-
drücken: fassen Sie sich, ertragen Sie es als ein Mann in Ruhe.
„Lerr Kommerzialrat, Ihr Sohn hat letzthin eine falsche Verbal-
form geprägt, eine Form, er hat . . . (man merkt es dem Professor
an, wieviel Aeberwindung es ihm kostet, so einen Wechselbalg von
Perfectum nur über die Lippen zu bringen) ... er hat ,bibsi'
gesagt!"
Der Lerr Kommerzialrat weiß zwar im Augenblick nicht, ob das
Latein oder Griechisch ist, vielleicht etwas aus der Algebra oder ein
Ding, das Lackmuspapier bald blau, bald rot zu färben vermag,
aber daß dieses „bibsi" etwas Furchtbares sein muß, erkennt er und
murmelt deshalb verstört: „Pipsi — entsetzlich!"
Die Männer schweigen.
Endlich ermannt sich der Kommerzialrat: „Ich werde das dem
Lausbuben schon austreiben, verlassen Sie sich darauf, Lerr Pro-
fessor, und bin ich Ihnen im übrigen sehr dankbar für Ihre gefällige
Aufmerksammachung!"
Der Professor zuckt schmerzlich unter dem zwar merkantilen, aber
nicht eben schönen Deutsch zusammen, indessen der Kommerzialrat
ein kleines Büchlein mit der Aeberschrift „Notes" zückt und unterm
Leutigem ds. einträgt: „Pipsi". —
*
Nachmittags hat er in der Bank irgendeine Iubiläumssitzung.
Dazu muß er sich feierlich kleiden. Als seine Gemahlin den Anzug
vom Vormittag verwahren will, kann sie sich wieder einmal sehr
ärgern. Wieder die ganzen Taschen voll! Wie schnell da die Fasson
herausgeht! Das Schwere da — ah, das ist sein Kalender. Frau
Kommerzialrat sind nicht gerade indiskret, aber Taschenkalender er-
wecken doch das Interesse eines jeden Menschen. Bei der zweiten Lälfte
März bleibt plötzlich ihr Blick haften. „Pipsi“ liest sie da, just unterm
Leutigem ds... Also doch! Run weiß sie alles. And Pipsi heißt die
Person! Das muß ein reizender Schneck sein! Aha und deshalb
der neue Dunkelblaue! Jetzt sieht sie endlich klar. Wie bei einem
314
Skijöring
„bibsi“
Von Otto Lofmann-Wellenhof
„Was heißt: Ich trinke? Na, also — in Gottes Namen: Pircovic!"
„Ich trinke heißt — ich trinke — bibo."
„Na, großartig, hat sogar der Pircovic einmal etwas gewußt!
Und die Formen ?"
„bibo, bibis, bibere — bi-bi — bibsi I“
Professor (schrill): „bibsi I" (Nach einer Weile tonlos mit ver-
störtem Kopfnicken): „bibsi!"
lieber der Klasse lastet die gräßliche Fehlform wie ein Alp.
„Pircovic!" donnert nun der Professor und schleudert dem An-
geklagten mit antiker Wucht die Verbalformen in das Gesicht:
,bibo, bibis, bibere — bi-biI Ich wiederhole: bi-bi!! —potum Ober
haustum.“ Das fügt er nur ganz nebensächlich hinzu, als ob er
damit andeuten wolle, daß für Kreaturen wie Pircovic eine solche
Löhe des Wissens ohnedies nicht in Betracht käme. Weder potum,
noch haustum, geschweige denn „potum oder haustum".
„Ich lasse jemanden von Ihren Lerrn Eltern bitten, in meine
Sprechstunde zu kommen!" vollendet düster der Professor.
*
„Lerr Kommerzialrat Pircovic, Ihr Sohn hat . . ." der Pro-
fessor sagt es in der Sprechstunde in einem Ton, als wollte er aus-
drücken: fassen Sie sich, ertragen Sie es als ein Mann in Ruhe.
„Lerr Kommerzialrat, Ihr Sohn hat letzthin eine falsche Verbal-
form geprägt, eine Form, er hat . . . (man merkt es dem Professor
an, wieviel Aeberwindung es ihm kostet, so einen Wechselbalg von
Perfectum nur über die Lippen zu bringen) ... er hat ,bibsi'
gesagt!"
Der Lerr Kommerzialrat weiß zwar im Augenblick nicht, ob das
Latein oder Griechisch ist, vielleicht etwas aus der Algebra oder ein
Ding, das Lackmuspapier bald blau, bald rot zu färben vermag,
aber daß dieses „bibsi" etwas Furchtbares sein muß, erkennt er und
murmelt deshalb verstört: „Pipsi — entsetzlich!"
Die Männer schweigen.
Endlich ermannt sich der Kommerzialrat: „Ich werde das dem
Lausbuben schon austreiben, verlassen Sie sich darauf, Lerr Pro-
fessor, und bin ich Ihnen im übrigen sehr dankbar für Ihre gefällige
Aufmerksammachung!"
Der Professor zuckt schmerzlich unter dem zwar merkantilen, aber
nicht eben schönen Deutsch zusammen, indessen der Kommerzialrat
ein kleines Büchlein mit der Aeberschrift „Notes" zückt und unterm
Leutigem ds. einträgt: „Pipsi". —
*
Nachmittags hat er in der Bank irgendeine Iubiläumssitzung.
Dazu muß er sich feierlich kleiden. Als seine Gemahlin den Anzug
vom Vormittag verwahren will, kann sie sich wieder einmal sehr
ärgern. Wieder die ganzen Taschen voll! Wie schnell da die Fasson
herausgeht! Das Schwere da — ah, das ist sein Kalender. Frau
Kommerzialrat sind nicht gerade indiskret, aber Taschenkalender er-
wecken doch das Interesse eines jeden Menschen. Bei der zweiten Lälfte
März bleibt plötzlich ihr Blick haften. „Pipsi“ liest sie da, just unterm
Leutigem ds... Also doch! Run weiß sie alles. And Pipsi heißt die
Person! Das muß ein reizender Schneck sein! Aha und deshalb
der neue Dunkelblaue! Jetzt sieht sie endlich klar. Wie bei einem
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Skijöring
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Skijöring"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1939
Entstehungsdatum (normiert)
1934 - 1944
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 191.1939, Nr. 4924, S. 314
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg