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Fliegende Blätter — 2.1846 (Nr. 25-48)

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50

Turin

friedlichen Bilder wieder verdrängt von dem Glanze der Waffen
und dem Geräusche der Schlachten. Um diese Zeit saß Neklan
zu Prag auf dem herzoglichen Stuhle. Tie Aeltesten und Häup-
ter des Volkes hatten ihn nach dem Tode seines Vaters, des
Herzogs Krzesomysl, zu ihrein Fürsten und Herrn erwählt. Sie
setzten ihn, mit einem fürstlichen Kleide angethan, und sein
Haupt mit des Primislaus Miitze bedeckt, auf der Libussa Stuhl
und riefen: „Neklan unser Fürst, Neklan unser Fürst und Herr."
Trans zogen sie ihre Mützen und Pechhüte von den Häuptern,
verneigten sich tief uild erzeugten ihm fürstliche Ehre. Die Ael-
testen gelobten ihm in ihrem und der Jüngeren'Namen Treue
und Gehorsam, und begleiteten hierauf den neuen Herzog von dem
Hofe des Wischerad bis in seine Gemächer. Am folgenden Mor-
gen aber kamen die Lopoten, und führten eine überaus schöne
Jungfrau zu ihm, welche Ponislawka hieß, und gaben sie ihm
zum Weibe. Nun ward eine große Hockzeit gehalten und ein
großes Gastinahl für das ganze Volk angerichtet. Am vierten
Tage gingen die Festlichkeiten zu Ende; die Aeltesten empfahlen
dein jungen Herzoge die Sorge für die Regierung, und darauf
reisten sie heim, jeder zu seinem Hause oder in seine Landschaft.

Nach Verlauf eines Jahres gebar die Herzogin Ponislawka
ihrem Gemahle ans dem Schlosse Wischerad ein Söhnlein. Der
Herzog Neklan war deshalb über die Massen erfreut, und sandte
sogleich an seine Freunde und die Vornehmsten des Landes Bo-
ten aus, um dieselben zu cinein Feste auf das herzogliche Schloß
zu laden. Als sie gekoinmen waren, ging ihnen Neklan ent-
gegen und empfing sie mit Ehren als seine lieben Gäste. Von
diesein Feste, und weil der Herzog diejenigen, die dazu gekoin-
men waren, so wohl empfangen hatte, gab man dem Knaben
den Namen Hostiwit; denn Lost heißt im Böhmischen Gast
und wjati heißt willkommen.

Herzog Neklan war ein stiller Mann, der die Ruhe und
den Frieden über Alles liebte, und Niemanden etwas zu leide
that; ja er >var so gar friedsam, daß er lieber Beleidigungen
duldete, als daß er sie rächte, welches ihm Manche für Schwäche
und Feigheit deuteten. Unter diesen war Wlatislaw, der Her-
zog von Soz, ein junger Mann von 26 Jahren, der war einer
ganz andern Sinnesart als Neklan; ungestüm und wild, und
voller Herrschbegierde, und hatte einen unstillbaren Durst nach
Krieg und Eroberungen. Er verachtete den Herzog Neklan we-
gen seiner Zagheit, und faßte mit Zustimmung seiner Edelleute,
die ihni ihre Hilfe zusagten, den Entschluß, denselben mit Krieg
zu überziehen und ihm das Herzogthum Prag mit Gewalt zu
nehmen. Er ließ deshalb Schwerter machen, berief alle Schild-
macher und bestellte bei ihnen 2000 wohlgerändete Schilde,
Pechwämniser und andere Rüstung, Sturmhüte von Farrenhäu-
ten mit eisernen und stählernen Reifen verwahrt, ohne Zahl,
so daß Jedermann sich deshalb verwundert^?' Kaum waren diese
Rüstungen vollendet, als die Sozer dem Herzog Neklan ins
Land fielen, mehrere Schlösser eroberten, die Besatzungen er-
mordeten, und die Gebäude bis auf den Grund verbrannten und

gs Erle.

zerstörten. Neklan erschrack über diese Nachricht, und war
äußerst betrübt darüber; allein er schien nicht den Muth zu ha-
ben, mit gewaffneter Hand seine bedrohten Unterthanen zu be-
schützen, und das ihm angethane Unrecht zu vergelten. Da tra-
ten die Wladyken und Edelleute, deßgleichen alle Einwohner der
Städte zusammen, und gingen miteinander zu ihrem Herrn,
dem Herzoge Neklan auf den Wischerad, um ihm ihre Noth
und die Gefahr, in welcher das ganze Land sich befand, vorzu-
tragen. Sie baten ihn, er möge doch auch ein Kriegsvolk zu-
sammenbringen, um dem Wlatislaw begegnen zu können, und
fügten hinzu, daß wenn dies nicht geschähe, derselbe sicherlich
das ganze Herzogthum und den Herzog selbst verderben werde.
Als Neklan dieses hörte, erschrack er heftig, doch konnte er sich
so verstellen, daß er ein heiteres Gesicht machte, und den ver-
sammelten Häuptern sagte, daß er dieses nicht thun werde, son-
dern daß er dem Wlatislaw Geschenke schicken wollte, um ihn
zufrieden zu stellen. — Die Edelleute wurden unwillig, als sie
dieses hörten, ließen es jedoch aus Gehorsam gegen ihren Herrn
geschehen. Neklan aber berief einige Edle, durch welche er dem
Wlatislaiv Geschenke zuschickte, und zwar einen Goldkuchen, der
so groß war, daß er dem Wlatislaw an Schwere gleich ge-
wogen tvurde; überdies zehn ausgesuchte schöne Pferde, fünfzig
Harnische und anderes Rüstzeug, welches alles meisterlich
gearbeitet war.

Als die Gesandten nach Wlatislaws Stadt gekommen wa-
ren, gingen sie zum Herzoge. Sie sahen ihn auf seinem Stuhle
sitzen, nüt so finsterer Miene, daß sie alle vor ihni erschrocken;
doch faßten sie sich ein Herz, und entboten ihm Herzog Neklans
Gruß, legten die Geschenke zu seinen Füßen, und baten ihn,
dieselben gütlich anzunehmen und mit ihrem Herzoge in Frieden
zu leben. Wlatislaw schwieg eine gute Weile stille, endlich
antwortete er und sprach: „Euer Herzog handelt sehr unbedäch-
„tig, indem er mir diese Geschenke schicket, denn dieß reizet mich
„nur mehr gegen ihn. Bringet daher diese Sachen eurem Herrn
„wieder, saget ihm, daß ich ihm dafür danke, und bemerket
„ihm, daß er Sorge tragen soll, daß ich, wenn ich kommen
„werde, keinen Mangel finde in seiner Schatzkammer. Ihr
„aber eilet von hinnen, damit ihr anstatt eurer Geschenke
„nicht eure Köpfe hier lassen müsset."

Die Abgesandten entsetzten sich über diese Antwort, und
ohne von dem Fürsten Abschied zu nehmen, eilten sie nach
Prag und brachten ihrem Herrn die Botschaft. Als der
Herzog Neklan dieses Alles vernommen hatte, entfärbte sich
sein Angesicht vor Angst, und die Edlen und das Volk sagten:
„wir haben einen feigen Herzog!"

Herzog Wlatislaw hatte sich zwar gegen Neklan gerüstet,
um das Herzogthum von Prag zu erobern, allein für diesinal
mußte er denselben in Frieden lassen, denn die Deutschen fielen
vom Niedergange her mit einem großen Heere in sein Herzog-
thum. Die Felder ivurden verheert, die Dörfer geplündert und
ausgebrannt. Das Landvolk flüchtete sich in die Gebirge und !
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