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Fliegende Blätter — 27.1857 (Nr. 627-652)

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Nr. 651
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https://doi.org/10.11588/diglit.3163#0198
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Ein Odenwälder Förster.

drolligsten Entschuldigungen verwickelte, an welchen der Herzog
sich höchlichst ergötzte, so, daß zuletzt der Oberförster selbst noch
mitlachcn mußte.

Ein Hof-Cavalier kam und gab nun Seiner Hoheit über
einige der Arrangements, welche seinem Gaste galten, den be-
gehrten Ausschluß.

„Mein lieber Oberförster," sagte nun der Herzog, „cs
thut mir leid, nicht heute mit Ihne» die Jagd zu erercirc»,
für diesen Tag bin ich verhindert, aber — der Herr da
begleitet Sic nach der Platte; die Gesellschaft ist bereits zu-
sammen, — Sic kommen nach der Jagd hierher zurück!"
und mit gnädiger Handbewegung gab er das Zeichen, aufzubrechcn.

Rasch fuhr ein eleganter Hofwagen vor, welcher die Beiden
schnell von dannen brachte.

Noch nie hatte der Oberförster die sogenannte Platte ge-
sehen und es gewährte den versammelten herzogliche» Jagd-
bcamten nicht wenig Vergnügen, sich an des Alten so unvcr-
holen kundgebendem Staunen zu weiden.

So Etwas hatte er noch nie gesehen; kamen ja die
Hirsche allcsammt auf ciu Signal herbei!!

Die Jagd war sehr gut und der Oberförster fand Gelegen-
heit, seinem Rufe als trefflicher Schütze alle Ehre zu machen.
Hernach gingS zum zweiten Theil oder wie man zu sagen pflegt,
„vom Allgemeine» zum Besonder'»!" denn nach der Jagd fand
man sich um die rcichbesctzte Tafel versammelt.

Bei dieser Erholung mar die Gesellschaft gar ungcnirt,
die besten Späße und Witzproduktioncn hatten guten Cours,
denn immer heiterer gestaltete sich die Seene.

Nun hatte der Herzog es drauf angelegt, seinem Gast,
dem Oberförster, weidlich auf's Leder trinken zu lassen; man
wußte, daß er in diesem Genre Großes leistete, „aber"
— meinte der Herzog — „Einmal sollte doch der Oberförster:
an des Nassauers Platte denken!" Zu diesem Zweck
waren denn die besten Trinker zur Jagd geladen und diese
schienen ihrem Aufträge allcsammt auch gewachsen.

Armer Oberförster, hast Du nicht das Lächeln des Herzogs
beim Aufbruch bemerkt, entging Dir jener freundliche, so viel-
sagende Blick, welchen Dein hoher Wirth mit Deinem Begleiter
wechselte?

Argloser! — Du ahntest nicht, welch' arge Niederlage
man Dir zu bereiten bcabsichretc!

Mit jeder weiteren Stunde vergnügten Beisammenseins,
nach jedem weiteren Zuspruch des feurigen Weines, — (denn
der Herzog von Nassau hat gar herrlich Gewächs in seinem
gesegneten Laude, und zu jenem Gelage der alten Flaschen
gar feine und in großer Zahl aus seinen Kellern auf-
bieten lassen) — hob sich die heitere Stimmung. Alle leistete»
ihr Möglichstes, dem geheimen Auftrag Ehre zu machen, aber
gar vielen der biedern Trinker schwand das Ziel, sie sanken,
die großen Römer thcils noch in der Hand, zurück in die Sessel,
hinab auf den Boden. Wenige hielten dem Oberförster »och
Stand, welcher jenes gewaltige Zeche» immer noch als zufällig
betrachtete und dessen Durst erst jetzt recht in Zug kam.

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Frische Flaschen,-und wiederum beugten sich Einige;

— die Zahl der Kampfunfähigen mehrte sich!

Rechts und links neben ihm, hielt je noch Einer Stand,
aber auch diese hatten längst vergessen, daß noch ein Eulbachcr
Gast neben ihnen sitze. — Da — lehnte sich der Eine hinten
über und bald darauf schnarchte auch der Andere!!

Bis auf's Geräusch schnarchender Schläfer, dem sich hier
und da zuweilen ein unverständliches Wort bcimischte — war
der Trinksaal —, öde.

Das schwere Haupt in beide Hände gestützt, ruhten des
Oberförsters Ellenbogen auf der Tafel; der sprühende Glanz
seiner Augen bewies, wie wacker er sich gewehrt.

Der röthliche Kcrzcnschcin im Saale mischte sich bereits
längst mit dem Frühlichte des Tages, dessen schwacher Schim-
mer sich immer mehr durch die seidenen Gardinen drängte. —
Da schlägt die Standuhr. Sieben zählte der einzig Denkende
der Gesellschaft — des Herzogs Gast.

„Sieben schon?! — Alle Wetter!" sagte er sich auf-
raffend. „Sie kommen nach der Jagd bald wieder hie-
hcr!" befahl mir der Herzog. — Sieben? — aber, wenn
ich mich anfmachc, schnell noch hinaus fahre, wird mir Seine Ho-
heit.gewiß verzeihen, daß ich Dero Befehl so schlecht respektirtc."

„Den Wagen!— einen Wagen!" schallte des Ober-
försters derbe Stimme und »ach wenigen Minuten meldete
der Lakai, dieser sei bereits vorgcfahrcn.

Noch einmal ging des Herzogs Gast um die Tafel. —
Ach, das war ein herrlicher Anblick! Befriedigt glänzten seine
Augen, als er Daumen und großen Finger seiner Rechten zu
einem lustige» Knacks ancinander schnappte und sagte:

„Liegen doch wahrlich Alle im Dampf!"

Dann warf er sich in den Hofwagen und fort ging'ö.

Eben war der Herzog von seiner Morgcnpromenadc zurück
gekommen, als man ihm meldete, der Oberförster von Eulbach
sei da.

„Ei, ei!" äußerte er verwundert, „nicht möglich!" Gewiß
war der Oberförster nicht Derjenige, welchen Seine Hoheit
vom gestrigen Jagdgclag auf der Platte zuerst erwartete.

Nun trat, mit Wahrung des Dekorums, sein Gast her-
ein, entschuldigte sich wegen so argen Vcrgcsscns des hohen
Befehles, worin ihn der Herzog fragend unterbrach:

„Wo haben Sic meinen Cavalier gelassen, der Sie hin-
über brachte, lieber Oberförster?"

„Ist noch auf der Platte, — Hoheit!"

„Nun? und die andere» Herren, sollten sich ja auch hier
cinfinde»; — wo stecken denn die?"

„Hoheit! wollen Sic gnädigst entschuldigen —
's ging nicht! — Die Hcrren liegen noch allcsammt
im Saal zur Platte!"

Staunend hörte der Herzog diese Erklärung; — ein
solches Resultat hatte Seine Hoheit nicht erwartet, reichte aber
dem Oberförster freundlichst die Hand, die jener ächt waid-
männisch drückte. „Mein lieber Oberförster" — sagte er,
„— das haben Sie vortrefflich gemacht; — aber, den Herren

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