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Ein Odenwälder Förster.
So circa 1400' über der Mccresslächc gelegen, bietet die
Höhe eine weite und schöne Aussicht, unter auderm auch nach
dem Taunus hin, von wo die Platte bei Wiesbaden — das
bekannte Jagdschloß des Herzogs von Nassau, — deutlich her-
über schimmert.
Namentlich genießt man diese Fernsicht von einer künst-
liche» Ruine daselbst. — Die geschmackvollen Anlagen, ein
großer Sec (auf dieser Höhe sehr merkwürdig) — dann eine
Anzahl römischer Alterthümcr, Brandhügel, rc. rc., werden sehr
häufig von Fremden besucht und bewundert.
Das Förstcrhaus bietet bequemes Quartier.
Wirthe sind in der Regel von immenser Neugier geplagt,
das gehört mit zu ihren Eigenschaften. Hier, zu Eulbach,
war der Oberförster — Wirtb! Ein äußerst origineller Man»,
von welchem inauch' herrlicher Schwank lange noch fortleben wird.
Eines Sommertags kommen auch zwei Herren im Forst-
haus an, und besehen sich die Anlagen, wobei sie der Ober-
förster als Cicerone begleitet.
Nun hätte er um's Leben gern gewußt, Wer eigentlich
diese beiden eleganten Fremden seien. Seine Ulmcrpfeife, die
nur mit Achtelpfundcn geladen wurde, war vor lauter Neugier
außer Zug gekommen und es zuckte so hin und wieder in ihm,
wie das anzufangen sei, um die Namen der Beiden zu erfahren!
Aber all' die soliden und indirekten Bemerkungen zu diesem
Zwecke blieben leider ohne Erfolg, was denn manchen Seufzer
veranlaßtc.
Nun war ihm auch das noch bei den Fremden ausgefallen,
daß nur Einer derselbe» das Wort führte, während der
Andere hie und da bloS nickend bcistimmtc.
„Curios!" — dachte der Förster — „seit mußt Du noch
'raus kriegen!!"
Sv betraten denn auch die Drei jene künstliche Ruine,
»in die Fernsicht zu genießen. Deutlich war die Taunus-
Gegend zu sehen, mit viele» Einzclparthien.
Der bislang Schweigsame fragte endlich, was jener Helle
Punkt dort am Taunus-Gebirge sein möge? Schnell war der
Oberförster mit seiner Erklärung zur Hand. „Das sei", sagte
er — „deni Nassauer sein Ländchcn, — sei des
Nassauers Platte bei Wiesbaden!!"
In dem Stillschweigen der Fremden fand er eine Auf-
forderung mehr zu sagen und plapperte alsbald gemüthlich
weiter: „Ja, mit dem Nassauer soll's eben nicht gut
mehr stehn; — läuft zu viel herum, — immer auf
der Jagd, — giebt 'ne Menge Geld aus für Lum-
pereien und so — —" und war so ernstlich in seine Be-
merkungen vertieft, daß er gar nicht bemerkte, wie sehr die
Beiden einen heiteren Ausbruch zu unterdrücken suchten.
Alles war besehen, aber zum Leidwesen des Oberförsters
blieben die Herren nicht bei ihm über Nacht. Nun war der
Alte viel zu redselig, als daß er ohne Verdruß die Leute abziehcn
scheu konnte, ohne seine unzähligen, in xstto habenden Fragen
genügend beantwortet zu wissen. Bei solchen verfehlten Absichten
mußte dann der Ulmer Kloben wacker hcrhaltcn, und mit
diesem Tröste hatte er, im Mantel dicken Tabakqualms, bald
sein Leid vergessen, bis ihm etwa ein neuer Gegenstand für
seine Wißbegier unter die Augen gcrieth.
Bei großer Biederkeit mangelte ihm keine der Eigenschaften
die einen ächten Waidmanu kennzeichnen. So wurde ihm zum
Beispiel die Pfeife nie kalt und man sagte, daß er sic auch
im Schlafe noch fest halte. Viel als Raucher, leistete er
noch mehr im Trinken und hiervon cristirten gar schöne
Erempcl, die ihn zu unserer Urväter Zeiten gewiß in hohes
Ansehen gebracht haben würden.
Einige Monate nach jenem Besuche erhielt der Alte
I,6i' Post ein kleines Kästchen, das einen kunstvoll gemalten
Pfcifcukopf (ein wahres Prachtstück) enthielt, nebst einem Hand-
billet des Herzogs, des Inhalts: sich an bestimmtem Tage zur
Jagd auf des Nassauers Platte bei Wiesbaden — einzufinden.
Diese Einladung schmeichelte ihm denn nicht wenig, auch
glaubte er nichts Anderes, als nur sein Renommöe als
vorzüglicher Jäger habe ihm diese hohe Ehre verschafft!
Sich zusammen zu reimen, dem Herzog von Nassau selbst ;
einige ökonomisch biographische Notizen unbewußt gegeben zu
haben, bei jener Erklärung der Fernsicht nach dem Taunus —
das wäre dem Alten niemals eingefallen!
Zur Jagd wohl ausstaffirt, machte sich der Oberförster
denn von Hause auf, kommt nach Bibcrich, und der erste
auf der Schloßtrcppe ihm Begegnende,
— ein eleganter Herr, grüßt ihn fragend:
„Sic sind der Oberförster von
Eulbach? —"
was unser Waidmann mittelst Kopfnicken
beantwortet und nun seinerseits fragt,
indem er den Fremden erkennt:
„Und Sie? — sind der Herr, wo
unlängst bei mir war? —"
„Und der Sic hichcr cingcladcn
hat! —" bestätigte freundlichst der Herzog.
— (Denn dieser war es persönlich.)
Jetzt erst kam dem Alten die Wies-
badner Platte mit jener Erklärung wieder
zu Sinne, weshalb er sich nun in die
Ein Odenwälder Förster.
So circa 1400' über der Mccresslächc gelegen, bietet die
Höhe eine weite und schöne Aussicht, unter auderm auch nach
dem Taunus hin, von wo die Platte bei Wiesbaden — das
bekannte Jagdschloß des Herzogs von Nassau, — deutlich her-
über schimmert.
Namentlich genießt man diese Fernsicht von einer künst-
liche» Ruine daselbst. — Die geschmackvollen Anlagen, ein
großer Sec (auf dieser Höhe sehr merkwürdig) — dann eine
Anzahl römischer Alterthümcr, Brandhügel, rc. rc., werden sehr
häufig von Fremden besucht und bewundert.
Das Förstcrhaus bietet bequemes Quartier.
Wirthe sind in der Regel von immenser Neugier geplagt,
das gehört mit zu ihren Eigenschaften. Hier, zu Eulbach,
war der Oberförster — Wirtb! Ein äußerst origineller Man»,
von welchem inauch' herrlicher Schwank lange noch fortleben wird.
Eines Sommertags kommen auch zwei Herren im Forst-
haus an, und besehen sich die Anlagen, wobei sie der Ober-
förster als Cicerone begleitet.
Nun hätte er um's Leben gern gewußt, Wer eigentlich
diese beiden eleganten Fremden seien. Seine Ulmcrpfeife, die
nur mit Achtelpfundcn geladen wurde, war vor lauter Neugier
außer Zug gekommen und es zuckte so hin und wieder in ihm,
wie das anzufangen sei, um die Namen der Beiden zu erfahren!
Aber all' die soliden und indirekten Bemerkungen zu diesem
Zwecke blieben leider ohne Erfolg, was denn manchen Seufzer
veranlaßtc.
Nun war ihm auch das noch bei den Fremden ausgefallen,
daß nur Einer derselbe» das Wort führte, während der
Andere hie und da bloS nickend bcistimmtc.
„Curios!" — dachte der Förster — „seit mußt Du noch
'raus kriegen!!"
Sv betraten denn auch die Drei jene künstliche Ruine,
»in die Fernsicht zu genießen. Deutlich war die Taunus-
Gegend zu sehen, mit viele» Einzclparthien.
Der bislang Schweigsame fragte endlich, was jener Helle
Punkt dort am Taunus-Gebirge sein möge? Schnell war der
Oberförster mit seiner Erklärung zur Hand. „Das sei", sagte
er — „deni Nassauer sein Ländchcn, — sei des
Nassauers Platte bei Wiesbaden!!"
In dem Stillschweigen der Fremden fand er eine Auf-
forderung mehr zu sagen und plapperte alsbald gemüthlich
weiter: „Ja, mit dem Nassauer soll's eben nicht gut
mehr stehn; — läuft zu viel herum, — immer auf
der Jagd, — giebt 'ne Menge Geld aus für Lum-
pereien und so — —" und war so ernstlich in seine Be-
merkungen vertieft, daß er gar nicht bemerkte, wie sehr die
Beiden einen heiteren Ausbruch zu unterdrücken suchten.
Alles war besehen, aber zum Leidwesen des Oberförsters
blieben die Herren nicht bei ihm über Nacht. Nun war der
Alte viel zu redselig, als daß er ohne Verdruß die Leute abziehcn
scheu konnte, ohne seine unzähligen, in xstto habenden Fragen
genügend beantwortet zu wissen. Bei solchen verfehlten Absichten
mußte dann der Ulmer Kloben wacker hcrhaltcn, und mit
diesem Tröste hatte er, im Mantel dicken Tabakqualms, bald
sein Leid vergessen, bis ihm etwa ein neuer Gegenstand für
seine Wißbegier unter die Augen gcrieth.
Bei großer Biederkeit mangelte ihm keine der Eigenschaften
die einen ächten Waidmanu kennzeichnen. So wurde ihm zum
Beispiel die Pfeife nie kalt und man sagte, daß er sic auch
im Schlafe noch fest halte. Viel als Raucher, leistete er
noch mehr im Trinken und hiervon cristirten gar schöne
Erempcl, die ihn zu unserer Urväter Zeiten gewiß in hohes
Ansehen gebracht haben würden.
Einige Monate nach jenem Besuche erhielt der Alte
I,6i' Post ein kleines Kästchen, das einen kunstvoll gemalten
Pfcifcukopf (ein wahres Prachtstück) enthielt, nebst einem Hand-
billet des Herzogs, des Inhalts: sich an bestimmtem Tage zur
Jagd auf des Nassauers Platte bei Wiesbaden — einzufinden.
Diese Einladung schmeichelte ihm denn nicht wenig, auch
glaubte er nichts Anderes, als nur sein Renommöe als
vorzüglicher Jäger habe ihm diese hohe Ehre verschafft!
Sich zusammen zu reimen, dem Herzog von Nassau selbst ;
einige ökonomisch biographische Notizen unbewußt gegeben zu
haben, bei jener Erklärung der Fernsicht nach dem Taunus —
das wäre dem Alten niemals eingefallen!
Zur Jagd wohl ausstaffirt, machte sich der Oberförster
denn von Hause auf, kommt nach Bibcrich, und der erste
auf der Schloßtrcppe ihm Begegnende,
— ein eleganter Herr, grüßt ihn fragend:
„Sic sind der Oberförster von
Eulbach? —"
was unser Waidmann mittelst Kopfnicken
beantwortet und nun seinerseits fragt,
indem er den Fremden erkennt:
„Und Sie? — sind der Herr, wo
unlängst bei mir war? —"
„Und der Sic hichcr cingcladcn
hat! —" bestätigte freundlichst der Herzog.
— (Denn dieser war es persönlich.)
Jetzt erst kam dem Alten die Wies-
badner Platte mit jener Erklärung wieder
zu Sinne, weshalb er sich nun in die
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Odenwälder Förster"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 27.1857, Nr. 651, S. 194
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg