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Eine tragische Geschichte.

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aber kernen Begriff nich machen, wie mich das wurmte, vol-
lends da mir ooch noch meine Gustel Vorwürfe machte und
meente, ich hätte lieber gleich den Kellner stillschweigend an-
reden sollen statt zu rufen, denn nu hätt'n mer doch noch
nischt zu genießen bekommen. Sichste, nu gab ich aber erscht
recht Achtung, wenn mei Kellner wieder kommen wirdc, und
sah nur immerfort nach der Thiere; du sollst mir gewiß nich
mehr entwischen, dacht' ich noch bei mir. Siehste, und's dauert
nich finf Minuten, da is er ooch richtig wieder da und bringt
den jungen Leiten Essen. Ich das sehe» und vom Stuhle

ufspringen und wie der Leibhaft'ge auf ihn zufahren, das
war grade Eens. „Härnsemal, warum hären sc denn nich,
wenn mer sc ruft? Hab'n se denn woll'nc Strimppe an?
Wenn sc Kellner sin, missen fe doch uf jeden Ohre vierfach
hören!" Siehste, so fuhr ich ihn nu an, so daß'n ordentlich
der Bcrschtand stehen blieb und er gar nich wußte, was er
sagen sollte. Nu mochten sc aber grade wieder so e recht sang-
sieblcs Schtick schpiclen — ich hatte nämlich gar keenc Gedan-
ken mehr drauf — denn uf ccmal, wie ich noch mit'n Kellner
rcddc, fing Alles aus Leibeskräften wieder zu bstchbern an.
Wie ich aber merkte, daß cs auf mich ging, siehste, da war
ich aber och gleich rcsulvirt, nahm een frcindlichern Ton gegen
den Kellner an, bestellte ganz schnell meine Getränke und ging i
ganz gelassen wieder auf meinen Blatz, als ginge mir das
Gcbifchbrc gar nischt an. Siehste, Gevatter, solche Gcist's-
gcgenwart hatte ich nu schon gekriegt, nu kannste Dir erscht
eenen Begriff machen, wie ich da meinen Zorn in der Gewalt |
haben mußte. Ich setzte mich ooch förmlich mit 'nein gewissen !
Schtolz nieder. Aber siehste, wenn mer cemal Aergerniß hab'n
soll, da hat mcr'sche se ooch ordentlich, ohne daß mcr's will,
und darum hätt'ch an den Tage ooch ganz zu Hause bleib'n
sollen. Denn sichste, wie mer nu so sähnlichst auf unfern
Kellner warten und dasitzen, und uns schon in Geiste endlich
aus die Erquickung frci'n, da mer doch nu schon so lange
trocken gesessen hatten, da kloppt mir eben Eecner — vielleicht

ooch zu unfern Glickc — ganz leise auf die Schulter. Ich sehe
mich schnell um und — denke Dir — da steht zu meinen
Erschtaunen mei leibhaft'ger Schwager vor mir, der uns nach
Ncckwitz nachgckommen war mit seiner Frau, meiner Schwester.
Mir machen natirlich gleich Blatz und rickcn nu »och vollends
Alle zusammen ganz um den Tisch rum — die erschien beeden
Leitchen war'n nämlich schon längst wieder sortgegangcn. —
Nu denke Dir, da hatt' ich endlich vor Jberraschung und in'n
Dischkur meinen Kellner mit sammtcn Essen und Trinken ooch
reene vergessen, und denke eben erscht wieder dran, als mei
Schwager zufällig in die Worte ausbricht: „Aber Kinder, wollt
Ihr denn Eire Kehlen ganz vertrocknen lassen, Ihr habt ja
gar nischt vor Eich stch'n," und wie ich mich im Oogenblick
umdrehe, um zu seh'n, wo mei licb'nswärdigcr Kellner her-
kommt, — denke nur emal, cs is entsetzlich! — da steht der
Mensch missig da und gafft de Leite an, und horcht auf de
Musik, und spcrrt's Maul uf,
ohne sich um uns zu bekimmern.

Ich wollte nu schon gleich wieder
uf'n zuspringcn und ihn vor d'n
ganzen Publikum tichtig runter
machen — Du hätt'st nur säh'n
soll'», Gevatter, wie mir'sch Blut
vor Aerger nach'n Kopp stieg —
da hält mich aber plötzlich mei
Schwager noch an'n Arme zurick
und winkt gleich den Kellner an
unser» Tisch. Nu höre nur, Ge-
vatter, was nu geschieht! Eh' ich
noch e Wort gesagt habe, fängt
mei Kellner :— natirlich erkannte
der mich doch »u wieder, denn er
sah gleich aus wie 'ne Kalkwand
vor Schreck, wie er inich sah —
also da sängt mei Kellner an und
spricht zu mir: „Ach, cnschuld'gen

Se nur, bester Herr, ich dachte, Se wär'n wieder fortgcgan-
gcn, weil ich Sie nich sah, und da habe ich den Koffce und
das Bier wieder in's Biffett 'nausgctragcn. Ich habe Sie
eene ganze Weile gesucht, wußte aber nich, daß Se hier saßen.
Na cnschuld'gen Se nur, ich wär'sch gleich bringen. Drei Mal
Koffce und ee Töppchcn baicr'sch also?" Genau genommen,
hätte ich nu sollen aufangcn, tichtig auszubackcn; aber ich sagte
jetzt noch gar nischt dazu, ooch nich'n Mucks, dachte aber in
meinen Gedanken, dir soll bei Brod nachher schon gebacken
wär'n, und schitteltc blos mit'n Koppe, thcils »och vor Aerger.
Sagen wollt' ich nischt, denn mei Schwager hatte mich ge-
beten, ich sollte den Kellner gar nischt sagen, er wollte schon
selber mit'n sprechen. Statt ihn aber tichtig auszuputze», sagt
er nur: „ „Bring'» Se mir ooch e Töppchcn baicr'sch und
eene Tasse Koffce."" Siehste, Gevatter, — 's war aber kecne
Schadenfreede — da mußt' ich doch in meinen Innern färchtcr-
lich lachen. Na, dacht' ich, du wirscht dich freien können ibcr
deinen Kellner. Da kannste lange warten, eh' de was kriegst,

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Eine tragische Geschichte"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Bestellung
Gast <Motiv>
Müßiggang <Motiv>
Rückenfigur
Karikatur
Kellner
Gaststätte
Arbeitsmotivation
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 29.1858, Nr. 685, S. 51
 
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