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74

Der geheimniß

' „Der Veitbauer?" frug der Bursche.

„Derbin ich," erwiderte der Bauer, „was wollt Ihr mir?"
„Verzeiht, —- ich habe gehört, Ihr hättet eiue Tochter
j zu verheirathen und da" —

Grethe wäre wie gehetzt davon und hinter den Ofen ge-
sprungen, hätte ihr der Vater nicht im ernsten Tone befohlen,

' stehen zu bleiben. „Jetzt bleibst Du einmal, Du Tausend Dirne
Du! Soll der auch wieder so davon kommen? Und Du redest
I ordentlich aus!" sprach er zum Burschen, der seinerseits nicht
ebenso, aber doch ein wenig schüchtern, Grethe mit einem Seiten-
blick maß.

„Ja, und da," fuhr derselbe fort, „bin ich hergekommen
j und hätte gerne gefragt, ob ich sie haben kann. Ich habe einen
! Hof ererbt, Vater und Mutter sind todt, ich bin allein" —

„Ist schon recht," unterbrach ihn Veit. „Und wenn Du
1 auch gar nichts hättest, Du scheinst mir zu sein, wofür ich
Dich halte, also kurzen Prozeß gemacht. Willst Du die Grethel?"

„Wenn ich bitten darf und wenn Zhrs erlaubt, — Ja!"
erwiederte der junge Bauer mit einem linkischen Knir und
einem etwas freieren Seitenblick auf das Mädchen.

„Grethel," fuhr Veit fort, „willst Du de» Burschen?
Schau Dir ihn recht an; — ich zwing Dich nicht, aber auf-
! richtig mußt Du sein."

Grethe sah sich verlegen den Freiersmann von den Stiefeln
bis zum Haarschüppel und nach reiflichem Bedenken antwortete
sie: „Mit Verlaub Vater, bin ich so frei und sag' Ja!"

„Nun ja," lachte Veit, „mir ist's ja recht. Also in
Richtigkeit? Gebt euch die Hände. So — jetzt trinkt einmal
darauf, daß euch die Strapatze nicht schadet und morgen nach
j der Kirche gehen wir zum Gerichte, daß die Sache bald in
Richtigkeit kommt. Für heute bleibst Du da, Eidam." —

„Steffen heiß ich" — erwiderte der Bursche.

„Steffel, also bleibst Du da und sei fröhlich mit uns."

Also blieb Steffen da und setzte sich mit Grethe dem
Vater gegenüber und wurden bald alle drei recht herzlich froh.
Der Vater, daß er endlich der Tochter Hochzeit sehen sollte,
die Grethe, daß sie endlich einmal „Za" gesagt habe, dcßwegen
sie eigentlich das Hcirathcn so scheute, und der Steffen war
froh, daß er gleich sein Anliegen gehörigen Ortcö angebracht
hatte und Alles so gut und kurzweg von Statten gegangen war.

Also hatte sich's zugctragen im jüngsten Frühling, wo
die Bäume beinahe noch in- Schnecblüthc standen und die Fel-
der eben ihre Deckbetten abschüttelte». Nu» ist es Sommer ge-
worden. Auf einem andern Dorfe sitzt jetzt Grethe und ist
wohlbestallte Bäuerin. Der Steffen ist ein wackerer Bauer.
Acht Tage sind sie verhcirathet und vom Schwiegervater weg
auf Steffens Hof gezogen.

Das Glück möchte man von derHausthüre herunterlesen,
meinte man, aber es ist doch nicht so. —

Die Bäuerin hatte eine eigene Meinung von ihrem Manne
gefaßt und sie hatte ihr volles Recht dazu. Am ersten Abend
betraten die lieben jungen Eheleute die Schlafkammcr; der Rausch
der Liebe wiegte sie ein. Aber Grethe erwachte in der Nacht,
der Mond leuchtete herein und auf Steffens Bett — es war

olle Eh eman n.

leer. Sie wird unruhig, schläft aber darüber wieder ei» und
am Morgen ist der Bauer da.

Den zweiten Tag erwacht die Bäuerin wieder, der Bauer
ist fort und wiewohl sie eine lange bange Stunde harrt, der
Entschwundene kehrt nicht wieder.

Die dritte Nacht bricht an — mit bangem Herzen betritt
Grethe das Schlasgemach; denn sie getraute sich Steffen nicht
zu fragen.

Richtig auch diese Nacht fehlte er, wenn sie erwachte;
aber sie hatte ihn nicht fortgehcn gehört. Die Neugierde und
noch viele andere böse Dinge ließen sie nicht schlafen. Gegen
Morgen doch fielen ihr die müden Augen zu und kaum hatte
sie ein Stündchen geschlummert, so weckte sie der sanfte melo-
dische Ruf ihres Steffen, er war da und stand angekleidet vor ihr.

Schon wollte sie ihn fragen, ihm zärtliche Vorwürfe
machen; aber es lag wie ein Schloß auf ihrem Munde; sie
trug den Kummer den ganzen Tag mit sich herum und am
Abend, als sie zu Bette ging, schloß sic kein Auge, sandte
ihre Blicke wie zwei Falken durch das Dunkel und das ge-
schärfte Ohr hörte jedes Geräusch doppelt. Steffen stand eine
Weile am Fenster, durch welches der Mond schien. Auf ein-
mal machte er eine Wendung, die Thüre öffnete sich und schloß
sich und Steffen war fort. Da ward dem jungen Weibe cigcn-
thümlich zu Muthe. Sollte sie betrogen sein? Sollte der Heuch-
ler unter der Larve der Schüchternheit sie und ihren Vater
genarrt haben? — Sollte Steffen, der gute Steffen ein Ver-
brecher sein? —

Tausend Gedanken durchfuhren in einem Augenblick ihre
Seele. Sie glaubte an nichts, soviel sie auch dachte, rief sich
Alles zu Sinne, verwarf Alles und am Ende blieb doch der
Gedanke: „Ich bin betrogen" obenauf. Grethe faßte Argwohn
und ein argwöhnisches Weib ist ein böses Weib, besonders
wenn cs Ursache hat. Nicht wie der Hund seinen Beleidiger
keck aufsucht, sich rächt und stolz und versöhnt davonspringt;
nein, wie die Katze von hinten heran, wollte sic ihn beschlei-
chen — ihn auf der That überführen und ihn die peinigende
Rache eines betrogenen Weibes fühlen lassen.

Ein seltsam Ding, ein Menschcnherz — ein böses Ding
ein Frauenherz.

Sie beobachtete acht Tage lang ihr Opfer mit dem Eifer
einer hungrigen Spinne; endlich kam wieder der Sonntag
heran und Grethe war am Tage wieder die alte Grethe, so
munter, so friedlich, aber o Steffen, o Steffen, hättest Du ge-
ahnt, daß hinter diesem lachenden Herzen eine so wüthende
Othello-Seele steckt?

Der Abend brach an; der Abendsegen war gesprochen;
Grethe zog sich zurück in die Kammer und drückte die Augen
fest zu; aber kein Wink entging ihrem Falkenblick. Auch Stef-
fen hatte sich in die Kammer begebe». Stumm blieb er am
Fenster stehen; der Mond schien herein und das blasse Licht
streifte sein Haupt. Es war Grethen als zittere er. Mit einem
Mal wandte er sich rasch — er seufzte schwer, so kam eö ihr
vor—und verließ die Kammer. Jetzt war der Augenblick gekom-
men. Sie wollte Gewißheit haben; Gewißheit um jeden Preis.
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