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Warum der Herr Hugo von Rosenduft sein schönes Gut verkaufen wollte.
ner zurückzieht, so wich der junge Roscnduft behutsam vor je-
dem Widerspruch zurück, und da er außerdem splendid war,
und seine Bekannten bei ihm jederzeit offne Tafel und ein
gutes Glas Wein fanden, so galt er weit und breit für einen
guten Kerl, den man nur ungern vermißte. — Ganz anders
verhielt es sich mit dem Major von Knipplingen, dem Besitzer
von Machau. Dieser alte Haudegen war der Mumbo Jumbo
der Umgegend, der moralische Alp aller heiteren Zusammen-
künfte. Trat er in den Kreis lachender, plaudernder Herren
ein, da stockte das Gespräch und die Zungen, selbst wenn sie
der Wein gelöst, wurden vorsichtiger. Die Worte wurden ab-
gewogen und überlegt, ehe sie sich über die Lippen wagten;
und solche, die sich bewußt waren, daß ihre Ncberlcgungskraft
nicht mehr stark genug sei, versanken lieber in ein hartnäckiges
trappistisches Schweigen, als daß sic sich der Gefahr eines un-
besonnenen Wortes ausgcsctzt hätten. Nicht augenblicklicher kann
in einem Staat voll geheimer Polizei der Eintritt Eines als
; Spion bekannten auf Lippen und Zunge wirken, als des al-
ten Majors Eintreten auf die Sprachwcrkzeuge der Herren
! aus der Umgegend von Zoblitz. War denn der Major so ein
j geheimer Polizciagcnt oder so etwas? Na! das hätte man ihm
einmal zumuthcn sollen! Aber der grimme Eisenfresser hatte
einen Leibspruch, der ihn durch seine rücksichtslose Anwendung
zum gefürchteten Gespenst machte. „Ein Mann, ein Wort!"
Dies führte er beständig im Munde und das Lästige, ja Ge-
fährliche war, daß er dies Sprichwort nicht allein an sich selbst,
sondern auch an all' seine Standesgenoffen und Bekannten mit
einem wahrhaften Fanatismus, mit einer entsetzlichen Unerbitt-
lichkeit anlegte. Sagte da so ein junger Herr in der muntern
Laune beim Glase flink weg: „Weiß Gott! ich thue dies oder
das!" und hatte es eine Stunde darauf längst wieder verges-
sen, da trat am nächsten Morgen, wie ein wandelnder Katzen-
i jammer der Major ein: „Nun Herr von Firbs? ists schon
; ausgeführt?" — „Was denn, Herr Major?" — „Nun
Sie wollten ja dies und das thun!" — „Ich? Ach, warum
nicht gar! da müßt' ich ja verrückt sein! das fällt mir gar
nicht ein, das wär ein schöner Streich!" — „Herr, Sie haben's
gesagt," war die barsche Antwort, „ich kann's Ihnen beweise»,
es Habens Alle gehört! Ein Mann, ein Wort! Jetzt thun
Sie auch, was Sie versprochen!" — „Aber Herr Major, cs
kann sein, daß ich's gesagt habe, aber das war ja nur so
hingesprochen, das kann ich gar nicht thun!" — „Sic Habens
versprochen! Ein Mann, ein Wort!" Und nun gab cs für
den Unglücklichen nur einen Weg, um den furchtbaren Major
los zu werden; er mußte das, was er unbesonnen gelobt,
ausführen, wenn es nur irgend möglich war und Kosten und
Opfer nicht ansehen; denn wie ein Tiger lauerte der Major
von da an auf den Unbesonnenen, er suchte ihn in seinem
Hause auf, er trat ihm außer demselben in den Weg, er ver-
folgte ihn in alle nur möglichen Gesellschaften, kein Wald
war dunkel, keine Schlucht tief, kein Ort entlegen und ver-
steckt genug, der Major spürte sein Opfer auf, immer und
immer wieder die unselige unveränderliche Frage wiederholend:
„Nun, haben Sie gethan, was Sie damals versprochen?" bis
der Gejagte in der düsteren Ueberzeugung, diese Verfolgung
müsse ihn entweder wahnsinnig machen, oder zum Selbstmorde
treiben, keine Anstrengung und kein Opfer scheute, um das
Versprochene zu leisten.
So hatte sich, um nur ein Beispiel anzuführen, einer
der jungen Herrn in einem muntern Kreise, als man von
landwirthschaftlichen Einrichtungen sprach, und Jemand die
Einrichtung und die großen Vorthcile der Drainage aus-
einandersetzte, in der Begeisterung des Augenblicks verleiten
lassen, auszurufen: „Wahrhaftig! das muß man versuchen!
Ich lasse drainiren!" „Das ist brav!" erscholl die Stimme
des Majors, „man muß einmal etwas versuchen. Wir sind
ohnehin in dem Rufe, Alles beim Alten zu lassen." — Der
junge Herr erbleichte, die Andern warfen sich gegenseitig Blicke
eines mit Spott gemischten Mitleids zu. Was half eö dem Un-
besonnene», daß er hintennach klar einsah, wie seine Felder
und Wiesen der Drainage in der That nicht bedurften, seit
jenem vorschnellen Worte hatte er den Major auf dem Halse,
der nicht ruhte, bis Jener, fast zur Verzweiflung gebracht,
endlich für schweres Geld eine Anzahl Drain-Röhren kommen
und einen Acker aufreißen und drainiren ließ, und sich da-
durch mit vielen Kosten deck entsetzlichen Dränger vom Halse
schaffte. — Traf man solchergestalt nur ungern mit dem
Major am dritten Orte zusammen, so hütete man sich natür-
lich noch vielmehr, ihn zu besuchen; denn wer sucht den Ti-
ger, dessen Spur man erschrocken meidet, gar in seiner Höhle
auf? Der Major hätte daher in seinem Hause wohl nie einen
Gast gesehen, wenn er nicht in seiner Cäcilia einen Magnet
besessen hätte, der die Herzen der jungen Herrn unwidersteh-
lich nach Machau zog.
Cäcilie war des verwittwcten Wärwolfs einziges Kind,
ein liebliches frisches Wesen, mit allen Eigenschaften begabt,
ein Männcrherz in Entzücken zu versetzen. Munter und keck
und doch niemals die zarte Linie des Anstandes überschreitend,
erhielt sie die Besuchenden in einer wohlthuenden Anregung
und mancher junge Herr war begeistert heimgefahren oder ge-
ritten, den langen Weg mit einem ununterbrochenen Schwur
zubringcnd, daß Cäcilie ein wahrer Engel sei, und daß sie es
wäre, oder keine, die er wählen wolle. Trotzdern aber war die
Angebetete, obschon sie bereits das zweite Jahrzehnt ihres Lebens
überschritten, noch immer Vestalin. Dies hatte freilich seinen
guten Grund: denn so glühend auch immer der Eine oder der
Andere, für Cäcilie» schwärmend, dem Schlaf in die Arme
sank, so erhob sich doch am nüchternen Morgen, hinter dem
reizenden Bilde seiner Sehnsucht, der Major in seiner ganzen
Grobheit empor, und aus seinem Munde gingen die entsetzlichen
Worte: „Wer Cäcilicn heirathet, dessen Schwiegervater werde
Ich!" und schaudernd wandte sich dann der bebende Liebhaber
von dem lockenden Gebilde ab, das in der That der Königs-
jungfrau im Mährchcn glich, liebreizend und herrlich, aber bewacht
von einem entsetzlichen Lindwurm.
Vielleicht hätte aber selbst die Lindwurm- schwicgcrväter-
liche Aussicht irgend einen glühenden Helden nicht abgcschreckt,
hätte man sich nicht daneben ganz im Stillen erzählt, die
Warum der Herr Hugo von Rosenduft sein schönes Gut verkaufen wollte.
ner zurückzieht, so wich der junge Roscnduft behutsam vor je-
dem Widerspruch zurück, und da er außerdem splendid war,
und seine Bekannten bei ihm jederzeit offne Tafel und ein
gutes Glas Wein fanden, so galt er weit und breit für einen
guten Kerl, den man nur ungern vermißte. — Ganz anders
verhielt es sich mit dem Major von Knipplingen, dem Besitzer
von Machau. Dieser alte Haudegen war der Mumbo Jumbo
der Umgegend, der moralische Alp aller heiteren Zusammen-
künfte. Trat er in den Kreis lachender, plaudernder Herren
ein, da stockte das Gespräch und die Zungen, selbst wenn sie
der Wein gelöst, wurden vorsichtiger. Die Worte wurden ab-
gewogen und überlegt, ehe sie sich über die Lippen wagten;
und solche, die sich bewußt waren, daß ihre Ncberlcgungskraft
nicht mehr stark genug sei, versanken lieber in ein hartnäckiges
trappistisches Schweigen, als daß sic sich der Gefahr eines un-
besonnenen Wortes ausgcsctzt hätten. Nicht augenblicklicher kann
in einem Staat voll geheimer Polizei der Eintritt Eines als
; Spion bekannten auf Lippen und Zunge wirken, als des al-
ten Majors Eintreten auf die Sprachwcrkzeuge der Herren
! aus der Umgegend von Zoblitz. War denn der Major so ein
j geheimer Polizciagcnt oder so etwas? Na! das hätte man ihm
einmal zumuthcn sollen! Aber der grimme Eisenfresser hatte
einen Leibspruch, der ihn durch seine rücksichtslose Anwendung
zum gefürchteten Gespenst machte. „Ein Mann, ein Wort!"
Dies führte er beständig im Munde und das Lästige, ja Ge-
fährliche war, daß er dies Sprichwort nicht allein an sich selbst,
sondern auch an all' seine Standesgenoffen und Bekannten mit
einem wahrhaften Fanatismus, mit einer entsetzlichen Unerbitt-
lichkeit anlegte. Sagte da so ein junger Herr in der muntern
Laune beim Glase flink weg: „Weiß Gott! ich thue dies oder
das!" und hatte es eine Stunde darauf längst wieder verges-
sen, da trat am nächsten Morgen, wie ein wandelnder Katzen-
i jammer der Major ein: „Nun Herr von Firbs? ists schon
; ausgeführt?" — „Was denn, Herr Major?" — „Nun
Sie wollten ja dies und das thun!" — „Ich? Ach, warum
nicht gar! da müßt' ich ja verrückt sein! das fällt mir gar
nicht ein, das wär ein schöner Streich!" — „Herr, Sie haben's
gesagt," war die barsche Antwort, „ich kann's Ihnen beweise»,
es Habens Alle gehört! Ein Mann, ein Wort! Jetzt thun
Sie auch, was Sie versprochen!" — „Aber Herr Major, cs
kann sein, daß ich's gesagt habe, aber das war ja nur so
hingesprochen, das kann ich gar nicht thun!" — „Sic Habens
versprochen! Ein Mann, ein Wort!" Und nun gab cs für
den Unglücklichen nur einen Weg, um den furchtbaren Major
los zu werden; er mußte das, was er unbesonnen gelobt,
ausführen, wenn es nur irgend möglich war und Kosten und
Opfer nicht ansehen; denn wie ein Tiger lauerte der Major
von da an auf den Unbesonnenen, er suchte ihn in seinem
Hause auf, er trat ihm außer demselben in den Weg, er ver-
folgte ihn in alle nur möglichen Gesellschaften, kein Wald
war dunkel, keine Schlucht tief, kein Ort entlegen und ver-
steckt genug, der Major spürte sein Opfer auf, immer und
immer wieder die unselige unveränderliche Frage wiederholend:
„Nun, haben Sie gethan, was Sie damals versprochen?" bis
der Gejagte in der düsteren Ueberzeugung, diese Verfolgung
müsse ihn entweder wahnsinnig machen, oder zum Selbstmorde
treiben, keine Anstrengung und kein Opfer scheute, um das
Versprochene zu leisten.
So hatte sich, um nur ein Beispiel anzuführen, einer
der jungen Herrn in einem muntern Kreise, als man von
landwirthschaftlichen Einrichtungen sprach, und Jemand die
Einrichtung und die großen Vorthcile der Drainage aus-
einandersetzte, in der Begeisterung des Augenblicks verleiten
lassen, auszurufen: „Wahrhaftig! das muß man versuchen!
Ich lasse drainiren!" „Das ist brav!" erscholl die Stimme
des Majors, „man muß einmal etwas versuchen. Wir sind
ohnehin in dem Rufe, Alles beim Alten zu lassen." — Der
junge Herr erbleichte, die Andern warfen sich gegenseitig Blicke
eines mit Spott gemischten Mitleids zu. Was half eö dem Un-
besonnene», daß er hintennach klar einsah, wie seine Felder
und Wiesen der Drainage in der That nicht bedurften, seit
jenem vorschnellen Worte hatte er den Major auf dem Halse,
der nicht ruhte, bis Jener, fast zur Verzweiflung gebracht,
endlich für schweres Geld eine Anzahl Drain-Röhren kommen
und einen Acker aufreißen und drainiren ließ, und sich da-
durch mit vielen Kosten deck entsetzlichen Dränger vom Halse
schaffte. — Traf man solchergestalt nur ungern mit dem
Major am dritten Orte zusammen, so hütete man sich natür-
lich noch vielmehr, ihn zu besuchen; denn wer sucht den Ti-
ger, dessen Spur man erschrocken meidet, gar in seiner Höhle
auf? Der Major hätte daher in seinem Hause wohl nie einen
Gast gesehen, wenn er nicht in seiner Cäcilia einen Magnet
besessen hätte, der die Herzen der jungen Herrn unwidersteh-
lich nach Machau zog.
Cäcilie war des verwittwcten Wärwolfs einziges Kind,
ein liebliches frisches Wesen, mit allen Eigenschaften begabt,
ein Männcrherz in Entzücken zu versetzen. Munter und keck
und doch niemals die zarte Linie des Anstandes überschreitend,
erhielt sie die Besuchenden in einer wohlthuenden Anregung
und mancher junge Herr war begeistert heimgefahren oder ge-
ritten, den langen Weg mit einem ununterbrochenen Schwur
zubringcnd, daß Cäcilie ein wahrer Engel sei, und daß sie es
wäre, oder keine, die er wählen wolle. Trotzdern aber war die
Angebetete, obschon sie bereits das zweite Jahrzehnt ihres Lebens
überschritten, noch immer Vestalin. Dies hatte freilich seinen
guten Grund: denn so glühend auch immer der Eine oder der
Andere, für Cäcilie» schwärmend, dem Schlaf in die Arme
sank, so erhob sich doch am nüchternen Morgen, hinter dem
reizenden Bilde seiner Sehnsucht, der Major in seiner ganzen
Grobheit empor, und aus seinem Munde gingen die entsetzlichen
Worte: „Wer Cäcilicn heirathet, dessen Schwiegervater werde
Ich!" und schaudernd wandte sich dann der bebende Liebhaber
von dem lockenden Gebilde ab, das in der That der Königs-
jungfrau im Mährchcn glich, liebreizend und herrlich, aber bewacht
von einem entsetzlichen Lindwurm.
Vielleicht hätte aber selbst die Lindwurm- schwicgcrväter-
liche Aussicht irgend einen glühenden Helden nicht abgcschreckt,
hätte man sich nicht daneben ganz im Stillen erzählt, die