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Die Vorhänge.

>icksten undurchsichtigsten Vorhänge an seinem Feil-
te r befestigt. Er wohnte sieben Jahre daselbst, und nie hat
man ihn auch nur für einen Moment seine Vorhänge wieder
nisten gesehen, einmal ausgenommen als eine totale Mond-
änsterniß herrschte. Die Rcpreffiv-Maaßrcgcl blieb ausrecht er-
halten, als Wartnur schon längst zum Rath vorgerückt, seiner
Friederike die schönsten Spitzen - Vorhänge in einer andern
Wohnung zu ihrem Geburtstage überreichte, — Tante Eu-
lalia aber noch immer ein „Gattchen" suchte.

Eine Geschichte aus dem neuen Altenburg.

Als am 23. November 1826 der vormalige Herzog Fric-
j drich von Hildburghausen in seiner neuen Residenzstadt ein-
zog, da ritte» ihm etwa 900 Bauern aus dem Amtsbezirke
Altenburg vor, die in ihrer Nationaltracht, auf ihren statt-
lichen Pferden einen imposanten Anblick gewährten. Solch' eine
Cavalleric, das mußte sich jeder sagen, können nur wenige
Fürsten aufweisen, und wenn sie auch über viel größere Länder
gebiete», als das kleine Herzogthum Altenburg, und kein Wun-
der also, daß der Herzog solchen Aufzug auch andern Fürsten
und Fürstinnen, die ihn in seiner neuen Residenz besuchten,
vorführen wollte. — So wurde denn ein solcher veranstaltet,
als 1827 die Königin Therese von Bayern nach Altenburg
kam, und die Sache nochmals wiederholt, als iin Frühjahre
1828 die Königin von Württemberg Altenburg besuchte. —
Als die Bauern sich zu diesem Aufzuge auf dem Schießplatz
vor Altenburg versammelten, saß der Aktuarius des Stadt-
gerichts in tiefen Gedanken in seiner Erpcdition. Tags vor-
her hatte die altenburgischc Gensdarmcric, die von jeher die
Landstraße unsicher inachte, eine» Kerl aufgebracht, der dem
genauen Signalement eines Hauptgauners in dem Polizcian-
zeiger ganz entsprach, und diesen Vagabunden sollte er jetzt
verhören. Der Kerl, sprach der Aktuar in Gedanken, wird sich
natürlich einen andern Namen geben, er wird seinen Paß ver-
loren haben, er wird sich ganz unschuldig stellen, aber Du

Eine Geschichte aus dem neuen Altenburg. 167

wirst ihn aus seinem Verstecke herauszwingcn; Du wirst ihn
durch Kreuz- und Querfragen zum Geständnis; bringen, Du
wirst seine Gaunereien an's Tageslicht befördern, und so den
hohen Oberbehördcn beweisen, was für ein schreiendes Unrecht
sie begehen, Dich so lange als Aktuarius sitzen zu lassen. —
Und er ergriff die Klingclschnur und läutete gewaltsam. Äer
Rathsdiencr trat ein und erhielt Befehl, den gestern cinge-
brachtcn Vagabunden bandenfrci vorzuführen. Wenige Minuten
! darauf trat dieser ein, und blieb an der Thürc stehen. —
„Trete er näher," rief der Aktuar — der Delinquent trat ei-
nige Schritte vor •— „noch näher" — es erfolgte ein Gleiches;
„immer näher" und der Gauner stand dicht vor dem Verhörs-
richter. „Kerl! trete er mir nicht so nah' auf den Leib", rief
dieser, und nun trat jener wieder einige Schritte zurück. —

| Nachdem der Aktuar den Verbrecher so gehörig eingcschüchtert
j zu haben hoffte, wollte er eben das Verhör beginnen, als die
Trompeten der einreitenden Bauern, die schon früher sich von
weitem hatten vernehmen lassen, jetzt in der Nähe schmetterten.
Der Aktuarius warf einen Blick durch das Fenster, fest über-
zeugt, daß der Zug, wie früher auch, beim Rathhause vorbei-
ziehen würde, aber das Laufen des Volkes nach der Johan-

nisgasse belehrte ihn eines bessern. Verflucht! dachte er, die
Bauern reiten durch die Johannisgaffe und wenn Du hier
sitzen bleibst, bekömmst Du nichts zu sehen. — lind sie müssen
schon ganz nahe sein. Wenn Du klingelst und den Kerl ab-
führe» läßt, versäumst Du das Schauspiel. — Er sprang auf,
bedeutet den Jnculpatcn etwas zu warten, ging zur Thürc

hinaus, schloß diese zu, hängte den Schlüssel an seinen ge-

wöhnlichen Platz und eilte nach der Johannisgasse. — Aber
nicht ihn allein hatte das Trompetengcschmettcr in seiner Ar- '
beit gestört. Oben auf dem Boden, wo der Hopfen für die '
brauende Bürgerschaft lagerte, war der Hopfcnmesscr mit Ab- '
gäbe von Hopfen beschäftigt, und da die Empfänger von den
verführerischen Tönen verlockt, davon liefen, so begab er sich
! auch abwärts, um den Zug mit anzusehen'. Auch er glaubte,
derselbe würde beim Rathhause Vorbeigehen, und da das Aktuarius-
zimmer verschlossen und der Schlüssel an dem gewöhnlichen Orte
war, so beschloß er, dahin zu gehen und aus dem Fenster
alles mit anzuschauen. Er schloß auf und trat ins Heiligthum,
aber wie entsetzte er sich, als er einen fremden Menschen, nicht
eben in der saubersten Kleidung, in demselben erblickte. „Kerl",
rief er aus, „wie kommt er hieher? wie kann er sich unter-
stehen, hier herein zu kommen, gleich mache er, daß er fortkommt."
Der Gauner war verblüfft, als aber der Hopfcnmcsser den Be-
fehl nochmals wiederholte, faßte er sich, lief zur Rathhaustrcppe
hinab und was er konnte zur Stadt hinaus. — Der Hopfen-
messer überzeugte sich bald von seinem Jrrthum in Bezug auf
den Weg, den die Bauern cingeschlagen hatten, und wendete
sich ebenfalls der Johannisgasse zu. Als er dort ankam, war
der Zug zwar schon ziemlich vorüber, aber er traf auf den
Aktuarius, der dort mit einem andern Beamten stand und er-
zählte ihm, daß er einen frechen Kerl aus seiner Erpcdition ge-
jagt habe, der dort sich eingedrängt hätte, um wer weiß, wel-
chen Bubenstreich zu verüben. Der Aktuar erschrak zum Tode
und lief, was er konnte, ins Rathhaus, aber leider kam er
zu spät; der Vagabund/ der, wie es sich später auswies, wirk-
lich der im Polizeianzeiger beschriebene Gauner war, war spur-
los verschwunden, und eine beträchtliche Nase wurde statt Be-
förderung dem armen Beamten zu Theil.
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Werk/Gegenstand/Objekt

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Titel/Objekt
"Die Vorhänge"
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Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Ehepaar
Fenster <Motiv>
Schrecken <Motiv>
Nachbar <Motiv>
Neugier <Motiv>
List
Täuschung
Ältere Frau <Motiv>
Beobachtung
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 29.1858, Nr. 699, S. 167

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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