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j 170 Künstl

besonders suchte er sich mit dem Glanze seines großen Onkels,
des berühmten Jean Jouvcnct, so viel als möglich zu schmücken,
ohne bis jetzt durch etwas mehr, als Reden auch von seinem
eigenen Talente Beweise gegeben zu haben.

Gerade dadurch, daß Jouvcnct erklärte, nur Personen der
höchsten Gesellschaft malen zu wollen, wurden die Anstrengungen
immer größer, die man machte, um den großsprecherischen
Franzosen an sich zu fesseln, denn man glaubte, darin eben ein
Zugcständniß zu finden, daß die Kreise, welche Jouvcnct mit
seiner Gegenwart beehrte, nothwendigerweise der höchsten Ge-
sellschaft angehören mußten.

Einigen Rcichsgrafcn und Fürsten war cs endlich gelun-
gen, gegen enorme Bezahlung ihre Bildnisse von Jouvcnct ge-
malt zu erhalten, und obgleich diese Bilder kaum die Grenzen
der Mittelmäßigkeit überschritten, so waren sie dennoch in den
Augen ihrer Besitzer, zum Theil wohl auch mit durch die da-
für bezahlten großen Summen, von einem außerordentlichen
! Kunstwerthe.

Wie sehr zurückgesetzt mußten sich durch diese abgöttische
Verehrung fremdländischer Mittelmäßigkeit die einheimischen
Künstler von anerkanntem Werthe fühlen, die man jetzt kaum
! mehr der Beachtung werth hielt! Ganz besonders aufgebracht
fühlte sich der Meister Kupctzky, der, ein gcborner Ungar,

! schon damals herrliche Proben seiner hohen Künstlcrschaft ab-
| gelegt hatte.

Kupctzky war ein Künstler in des Wortes wahrster Be-
I deutung, allein Wenige hatten wohl in ihrem Leben gleiches
Ungemach zu erdulden gehabt. Von seinem armen Vater war
er zu dessen Handwerk, der Weberei bestimmt worden, doch
! hatte ihn der hohe Beruf der Kunst getrieben, heimlich diese
verhaßte Beschäftigung zugleich mit dem Elternhaus zu vcr-
! lassen und sich lange, lange Jahre oft in der drückendsten
Roth und bettelnd in der Welt umherzutrcibcn, bis sich end-
! lich sein an das Wunderbare grenzende Talent Anerkennung
verschaffte. Die neu gegründete Akademie der Künste zog ihn
nach Wien, das er von da an als seine Vaterstadt betrachtete,
so glänzend auch die Anerbietungen waren, die er, nach aus-
I wärts, zumal von Peter dem Großen erhielt.

Seit seiner Rückkehr nach Wien hatte Kupctzky ein in-
niges Freundschaftsband mit dem Bildhauer Wigand geschlossen,
dessen heiteres Temperament ihn dem Maler mit jedem Tage
liebenswürdiger und unentbehrlicher machte, so daß man die
> Beiden fast immer zusammen antrcffen konnte.

Wigand theilte natürlich die Indignation Kupetzkys gegen
den unverschämten Jouvcnct im vollsten Grade und er hatte
! erst kürzlich eine höchst gelungene Karrikatur unter seinen künst-
lerischen Freunden verbreitet, welche den französischen Maler
darstellte, wie er eben dem Kaiser selbst verweigert, dessen
Bildniß anzufcrtigen, und darunter die Aeußerung, daß er sich
vorgenommen habe, jetzt nur noch höchstens mon8iour le bon j
Dieu zu portraitiren.

Das Spottbild erregte unter den einheimischen Künstlern
den größten Jubel. Jouvcnct soll cs sogar selbst zu Gesicht
bekommen haben, allein geändert ward dadurch im Wesentlichen

crrach e.

gar Nichts. Der prahlerische Pariser trieb sein Wesen nach
wie vor und wurde höchstens in seinen Prätensioncn noch un-
verschämter als vorher.

Zn Wien lebte zu jener Zeit eine außerordentlich reiche
Baronesse, Namens Aurora von Seehcim, eine verblichene Schön-
heit von ungefähr fünfzig Jahren, welche ihrer Zeit in dem
Bereiche der Heirathskandidaten ganz dieselben Ansprüche ge-
macht hatte, die jetzt Jouvenet auf dem Felde der Kunst machte.
Bis zum zwanzigsten Jahre wollte sie durchaus ihre Hand
nur einem Herzoge reichen, weshalb alle andern Bewerber,
unter denen selbst Fürste» gewesen sein sollen, abgcwicscn
wurde». Der herzogliche Bewerber jedoch erschien nicht, wes-
halb die reiche Erbin in den nächsten zehn Jahren sich ent-
schloß, jetzt allenfalls auch einem Fürsten ihr Jawort zu ge-
ben. Allein mit dem zwanzigsten Jahre waren auch die fürst-
lichen Bewerber weggeblieben und cs fanden sich nur einige
Grafen, welche aber ohne Barmherzigkeit Körbe aufgcladcn
bekamen. Als nach dem gefährlichen Eintritt in die dreißiger
Jahre die Baronesse sich nun aus Mitleid mit einem Grafen
begnügen wollte, bemerkte sic mit Entsetzen, daß jetzt auch diese
unwiederbringlich für sie verloren waren. Trotzdem blieb sic ihrem
Vorsatze treu, nur über ihren Stand hinaus heirathcn zu
wollen, und so kam cs denn, daß die reiche Kokette noch in
ihrem fünfzigsten Jahre frei war und auch für immer frei
bleiben wollte, waö sie bei jeder Gelegenheit erklärte und im-
mer dabei hinzusetztc, daß sic von jeher habe ledig bleiben
wollen, weil sie das ganze männliche Geschlecht aus dem tief-
sten Grunde ihres stolzen Herzens verabscheute.

Die Baronesse war trotz ihrer fünfzig Jahre, von denen
sie natürlich stets mindestens zwanzig hinweg läugnetc, außer-
ordentlich eitel; sic hielt sich noch immer für eine große Schön-
heit, denn die Schmeicheleien, die man einem zwanzigjährigen
Mädchen in das Ohr flüstert, sind vollkommen geeignet, in
weiblichen Herzen noch dreißig Jahre ungeschwächt nachzuhallcn,
wenn sie zumal auf dem Boden der Eitelkeit Wurzel geschla-
gen haben.

Vor ungefähr zehn Jahren hatte sich die Baronesse von
einem einheimischen Maler als Vestalin portraitiren lassen;
sic war jedoch vor Entsetzen in Ohnmacht gefallen, als sic
auf ihrem Bilde verschiedene Stirn- und Wangenfaltcn be-
merkte, deren Dasein sie bis jetzt selbst dem Spiegel gegen-
über keck abgcläugnct hatte. Das Bild ward natürlich sofort
dem Feuer übergeben, und der ehrliche Maler zum Hause
hinausgejagt, indem man ihn mit Ehrentiteln wie Sudler,
Stümper und dergleichen genugsam regalirt hatte.

Von ihre» Freundinnen war nun seit jener Zeit die
Baronesse oft gebeten worden, doch noch einen Versuch zu
machen, und sich von einem andern Künstler malen zu lassen;
dann gerieth jedoch die gekränkte Aurora stets in den größten
Zorn und schimpfte höchst bürgerlich auf die deutschen Pfuscher,
denen cs eine Unmöglichkeit sei, ein Bildniß sprechend ähnlich
zu liefern.

Schon oft hatte man ihr Kupctzky als einen so großen
Meister geschildert, um sic zu veranlassen, diesem Maler zu
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