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186

Künstlcrrach c.

jährige» Dame doch unmöglich sagen und die Baronesse war
auch jetzt völlig für den liebenswürdigen Maler eingenommen.
Sic machte sich die bittersten Vorwürfe, daß sie vorhin den
ungeschliffenen Eindringling nicht sofort als einen Betrüger
erkannt hatte. Wie sehr stach das Benehmen des jetzt anwesen-
den galanten Künstlers gegen jenes rohe Wesen ab. Die Baro-
nesse nahm sich heimlich vor, auf Entdeckung und Züchtigung
des Schändlichen zu dringen, der sic vorhin genarrt hatte.

„Wann befehlen Sie, daß ich mit Ihrem Portrait begin-
nen soll?" fragte jetzt der Maler die Baronesse.

„Das soll von Ihnen und Ihrer freien Zeit abhängen,"
entgcgnete erfreut die Dame.

„Meine ganze Zeit soll zu Ihrer Verfügung stehen,"
versicherte der galante Künstler, „und ist es Ihnen angenehm,
so entwerfe ich auf der Stelle die erforderliche Skizze."

Die Baronesse war ganz entzückt von der zuvorkommenden
Bereitwilligkeit des Malers und die Sitzung nahm ihren An-
fang. Weder am Kostüm noch am Haarputz gab es etwas auö-
zusetzcn und der Franzose fand Alles gewählt und höchst ge-
schmackvoll.

Während des Zeichnens brachte die Baronesse die Rede
wieder auf den Schändlichen, der vorhin Jouvenets Stand und
Namen sich angceignet hatte.

„Man sollte dergleichen Schurken auf die Festung bringen
lassen," schloß sie ihre von Unmuth gegen den Betrüger zei-
gende Rede.

„Nicht doch," cntgegnetc der Maler, „das hieße solchen
Leuten zu viel Ehre anthun und ihnen eine größere Wichtig-
keit beilegen, als sie verdienen. Kommt mir selbst jemals ein
solcher Spitzbube unter die Hände, so breche ich ihm das Genick."

„Sie werden sich doch nicht selbst durch Bestrafung dieses
Gelichters erniedrigen, oder gar Ihren Degen durch deren
Blut schänden, mein lieber Jouvcnet," begütigte die be>orgte
Baronesse.

„Freilich habe ich dies kaum nöthig, da schon Andre
theilweiS die Bestrafung eines solchen Betrügers übernehmen,"
bemerkte der Maler.

„So steht also der heutige Betrug nicht ohne Beispiel
da?" forschte die Baronesse.

„Durchaus nicht," entgcgnete Jener, „erst kürzlich ließ
sich vielleicht ganz derselbe Mensch, der sich heute hier zeigte,
beim russischen Gesandten melden, indem er meinen Namen
usurpirte. Der Gesandte, dem ich persönlich bekannt und be-
freundet bin, fertigte den Schurken jedoch auf das Kürzeste
! von der Welt ab."

„Er hat ihn doch nicht niedergestoßen?" fragte entsetzt
die Baronesse.

„Oh nein, nur die Treppe hat er ihn hinabwerfen lassen,"

. war die Antwort des Malers, „und seit jenem Tage hat sich
auch dort kein Pscudo-Jouvenct wieder gezeigt."

„Und Sie waren mit dieser Gcnugthuung zufrieden?"
„Ich hätte keine bessere verlangen können, denn eine weitere

Rache an dem Unwürdigen zu nehmen, wäre unter meiner Würde
gewesen. Sollte sich jemals solch ein Betrüger unter meinem
angenommenen Namen auch bei Ihnen wieder zeigen, meine
Gnädigste, so werden Sic mich durch eine gleiche Abfertigung
desselben durch Ihre Dienerschaft außerordentlich verbinden."

Die Baronesse gab lachend Ihre Zustimmung, doch zwei-
felte sie, daß cs dem Betrüger wohl kaum cinfallcn würde,
ein zweites Mal wieder zu kommen.

Der Maler hob jetzt die Sitzung auf.

„Gern würde ich Ihnen noch längere Zeit widmen,"
sagte er, „allein um elf Uhr bin ich zum Fürsten Lichtenfcls
bestellt und darf dort nicht fehlen, so ungern ich auch von
hier scheide."

Die Baronesse verbeugte sich mit ihrem graziösesten Lächeln.

„Aber mit einer einzigen Bedingung muß ich Sie noch
bekannt machen, an welche ich die Fortsetzung meiner Arbeit
knüpfe," fuhr der Maler fort. „Ich werde Sie, meine Gnä-
digste, nur noch ein einziges Mal belästigen, indem ich nach
der zweiten Sitzung meine Skizze so weit beende, daß ich da-
nach ohne Weiteres das Bild zu Hause malen kann. Diese
Skizze lasse ich jedoch vorher Niemanden und unter keiner Be-
dingung sehen. Ich verschließe meine Arbeit jetzt hier in diese
Mappe, die ich — verzeihen Sie meine vielleicht unnöthige
Vorsicht — versiegele und Ihnen bis Morgen übergebe, wo
ich in der zweiten und letzten Sitzung das Nöthige vollenden
werde. Sie werden meine Bitte erfüllen und das Siegel un-
eröffuct lassen."

Die Baronesse bat zwar Anfangs, ihr die bewußte Skizze
wenigstens einmal sehen zu lassen; da der Maler jedoch un-
erbittlich war, so versprach sie die heiligste Verwahrung des
Siegels. Während dieser Unterredung hatte der Künstler das
Bild in die Mappe verborgen und diese durch SicgclwachS
verschlossen, aus welches er das Wappen drückte, welches auf
dem Knopfe seines zierlichen Degens eingravirt war.

Hierauf empfahl sich der Maler und ward — welches
Wunder! — von der stolzen Baronesse unter verbindlichen
Dankcswortcn bis zur Thüre geleitet, wobei sie ihm zugleich
die Freude ausdrückte, die sic fühlen würde, ihn Morgen wieder
sehen zu können. Kurz die adclöstolzc Dame war wie umgc-
wandclt und ihr Mund strömte über in lauten Lobeserhebungen
des Künstlers, als sic allein jetzt vor der verschlossenen Mappe
stand. — Allein welch' sonderbare Künstlergrille, diese Skizze
so fest zu verwahren! dachte sic bei sich, indem sie die Mappe
nach allen Seiten betrachtete, ob nicht eine Oeffnung zu ent-
decken wäre, durch welche man das Kunstwerk sehen könnte.
Wenn man nur wenigstens einen einzigen ganz kleinen Blick
darauf werfen dürfte, allein umsonst, nirgends auch nur die
geringste Lücke. Welch' feine Arbeit der Mappe und welch'
zierliches Wappen. Alles dies vcrräth auf den ersten Blick den
Pariser Wclssnann. Wahrlich mich reut die Summe nicht, die
ich dem liebenswürdigen Künstler für mein Bild zugesagt habe,
und ich bedauere fast, daß er nur noch eine einzige Sitzung für
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