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Der letzte Botengang.
scnhofcr sah nämlich die hübschen Mädeln für's Leben gern,
und wo er Ein's aufspüren konnte, da war er hinterher, wie
der Marder auf's Huhn. So hatte er denn einmal, es war
am Kirchweihsonntag Nachmittag, auf dem Tanzboden beim
Bärcnwirth eine ganz dralle Dirne gesehen, die so recht nach sei-
nem Geschmack war. Sie war nit gar groß, aber gar nett,
hatte ein Gesicht wie Erdbeeren und Milchrahm, ihre Zöpfe
waren so schwarz und glänzend, wie dem Herrn Pfarrer sein
Spaziersiock, und Gnckerln hatte sie iin Kopse so schön blau,
daß sich der Himmel am heißesten Sommcrtag hätt' schämen
müssen. Und die Aermchcn erst, — die waren so rund — so
rund wie — wie der Frau Wirthin ihr Nudclwalgcr. Kurz
es war so ein recht appetitliches. Dirnle und dabei frisch und
munter wie ein Häslc im Klee — und wcnn's so im Saal
herumsurrte, da wiegte sich's und schanckelte sich und plapperte
und schäckertc und lachte — und die kurzen Röckle flogen,
daß dem Rosenhofer ganz schwül wurde unter seiner engen
Montur. Es hatte auch ein paarmal mit ihm getanzt, und
er hatte auch erfahren, daß es Käthl heiße und aus unscrm i
Dorfe sei, und ihrem Vater sein Haus sei das große — mit
dem neuen Ziegeldach — hart neben der Kirche; und es Hab'
sich schon den ganzen Sommer auf die Kirchweih gefreut, und
eö wolle heut einmal recht lustig sein. — Und nachher hatte
cs auch ein Glas Weiu von ihm genommen und hatte ihm
Bescheid gethan, wie scheele Gesichter auch die Burschen aus
dem Dorfe dazu machten, vorzüglich der Seppl. — —
Wie aber nachher bei einer Pause der Roscnhofer es in
den Garten geführt hatte, um sich ein wenig abzukühlen, und
1 wie er ihm dort ein bischen näher auseinandersetzen wollte,
wie gut es ihm gefalle, und es sollt' ihm doch auch ein klein
wenig gut sein und sollt' ihn zum Schatz nehmen, und ob er ;
nit Abends an sein Kammerfcnsterl kommen dürfe,-da
lachte es ihn aus und meinte: „Als ihr Schatz käme er schon -
lange zu spät, und wenn es Jeden, mit dem es heut' tanze,
müßt' an sein Fenster kommen lassen, so dürft' cs ein Vier-
teljahr lang nit schlafen." Damit machte es ihm einen großen
Knicks und lief ihm davon.
Wie sich aber der Roscnhofer umsah, so standen ganz
in der Näh' ein Paar handfeste Baucrnburschen, der Seppl
in der Mitte, und dcbattirtcn ganz eifrig, und der Seppl wieS
ein Mal um'S Andere auf ihn, so daß er für rathsam hielt,
sich zu drücken! — Das Ding wurmte ihn aber ein paar
Tage gar gewaltig, und weil er das hübsche Kind gar nit
vergessen könnt', so nahm er sich vor, Abends doch vor ihr
Fcnsterl zu kommen, denn er dacht', das Mäuschen sei nur
am Tage so spröd, und werde sich schon kirren lassen.
Wie's nun dunkel worden war, steckte er sich in einen
Bauernkittel und setzte einen großen Schlapphut auf, wie sie
j die Burschen hierherum tragen, damit er nit allenfalls von
einem Herrn Collegcn erkannt werde, und schlich vorsichtig auf
Käthcls Haus zu. Er hatte sich die Gelegenheit schon am
Tage angesehen und wußte genau, welches das rechte Fenster
sei. Er war schon ziemlich nahe gekommen, und konnte jetzt
auf das Fenster Hinsehen, da war's ibm, als glitte ein Schat-
>___
tcn von jenem Platze weg und verschwinde hinter der Ecke
des Hauses. Er ging bis an diese Ecke vor, könnt' aber
nichts sehe», und mit dem Bewußtsein, sich getäuscht zu habe»,
kehrte er um und stand jetzt lauschend vor dem verhängniß-
vollcn Fensterchcn. Drinnen war Alles dunkel, er guckte
überall herum, ob Niemand in der Nähe sei und klopfte mit
gebogenem Finger leise an die Scheiben.
Da öffnete sich langsam das Fenster, Käthel steckte den
Kopf durch die Ocffnung und flüsterte: „Was willst denn
nochmal?" „Dich will ich, mein liebcö Herz!" und damit
faßte er das Mädchen mit beiden Armen um den Hals und
wollt's küssen. Dabei aber verschob sich sei» Hut, so daß ihm
Käthel in's Gesicht sehen könnt'. Einen unterdrückten Schrei
ausstoßen, und vom Fenster zurückprallcn, war Eins. In
demselben Augenblick hatte aber der Gränzjäger an einem ge-
wissen Körpertheil das Gefühl, als wenn Eichenholz in die
unmittelbarste Berührung damit gekommen sei. — Es war
keine Täuschung; wieder und wieder dasselbe Gefühl, und che
er nur recht zur Besinnung gekommen war, hatte der gute
Mann eine ganz annehmbare Tracht Schläge.
Jetzt aber wendete sich Roscnhofer rasch um, ich weiß
nit, ob in der Absicht, seinen Angreifer kennen z» lernen,
oder um den so empfindlich angegriffenen Theil seines wcrthcn
Corpus in Sicherheit zu bringen. Vor ihm steht, den ge-
wichtigen Stock drohend geschwungen — der Fuchscnseppl.
„Wart, Bürschle, ich will dir die Lust vertreiben, Andern in'S
Gäu z'gehn." Jetzt aber thut er, als ob er ihn erst erkenne:
„Ei, Herr Roscnhofer, seid Jhr's? Ich Hab' Euch wahrhaftig !
Der letzte Botengang.
scnhofcr sah nämlich die hübschen Mädeln für's Leben gern,
und wo er Ein's aufspüren konnte, da war er hinterher, wie
der Marder auf's Huhn. So hatte er denn einmal, es war
am Kirchweihsonntag Nachmittag, auf dem Tanzboden beim
Bärcnwirth eine ganz dralle Dirne gesehen, die so recht nach sei-
nem Geschmack war. Sie war nit gar groß, aber gar nett,
hatte ein Gesicht wie Erdbeeren und Milchrahm, ihre Zöpfe
waren so schwarz und glänzend, wie dem Herrn Pfarrer sein
Spaziersiock, und Gnckerln hatte sie iin Kopse so schön blau,
daß sich der Himmel am heißesten Sommcrtag hätt' schämen
müssen. Und die Aermchcn erst, — die waren so rund — so
rund wie — wie der Frau Wirthin ihr Nudclwalgcr. Kurz
es war so ein recht appetitliches. Dirnle und dabei frisch und
munter wie ein Häslc im Klee — und wcnn's so im Saal
herumsurrte, da wiegte sich's und schanckelte sich und plapperte
und schäckertc und lachte — und die kurzen Röckle flogen,
daß dem Rosenhofer ganz schwül wurde unter seiner engen
Montur. Es hatte auch ein paarmal mit ihm getanzt, und
er hatte auch erfahren, daß es Käthl heiße und aus unscrm i
Dorfe sei, und ihrem Vater sein Haus sei das große — mit
dem neuen Ziegeldach — hart neben der Kirche; und es Hab'
sich schon den ganzen Sommer auf die Kirchweih gefreut, und
eö wolle heut einmal recht lustig sein. — Und nachher hatte
cs auch ein Glas Weiu von ihm genommen und hatte ihm
Bescheid gethan, wie scheele Gesichter auch die Burschen aus
dem Dorfe dazu machten, vorzüglich der Seppl. — —
Wie aber nachher bei einer Pause der Roscnhofer es in
den Garten geführt hatte, um sich ein wenig abzukühlen, und
1 wie er ihm dort ein bischen näher auseinandersetzen wollte,
wie gut es ihm gefalle, und es sollt' ihm doch auch ein klein
wenig gut sein und sollt' ihn zum Schatz nehmen, und ob er ;
nit Abends an sein Kammerfcnsterl kommen dürfe,-da
lachte es ihn aus und meinte: „Als ihr Schatz käme er schon -
lange zu spät, und wenn es Jeden, mit dem es heut' tanze,
müßt' an sein Fenster kommen lassen, so dürft' cs ein Vier-
teljahr lang nit schlafen." Damit machte es ihm einen großen
Knicks und lief ihm davon.
Wie sich aber der Roscnhofer umsah, so standen ganz
in der Näh' ein Paar handfeste Baucrnburschen, der Seppl
in der Mitte, und dcbattirtcn ganz eifrig, und der Seppl wieS
ein Mal um'S Andere auf ihn, so daß er für rathsam hielt,
sich zu drücken! — Das Ding wurmte ihn aber ein paar
Tage gar gewaltig, und weil er das hübsche Kind gar nit
vergessen könnt', so nahm er sich vor, Abends doch vor ihr
Fcnsterl zu kommen, denn er dacht', das Mäuschen sei nur
am Tage so spröd, und werde sich schon kirren lassen.
Wie's nun dunkel worden war, steckte er sich in einen
Bauernkittel und setzte einen großen Schlapphut auf, wie sie
j die Burschen hierherum tragen, damit er nit allenfalls von
einem Herrn Collegcn erkannt werde, und schlich vorsichtig auf
Käthcls Haus zu. Er hatte sich die Gelegenheit schon am
Tage angesehen und wußte genau, welches das rechte Fenster
sei. Er war schon ziemlich nahe gekommen, und konnte jetzt
auf das Fenster Hinsehen, da war's ibm, als glitte ein Schat-
>___
tcn von jenem Platze weg und verschwinde hinter der Ecke
des Hauses. Er ging bis an diese Ecke vor, könnt' aber
nichts sehe», und mit dem Bewußtsein, sich getäuscht zu habe»,
kehrte er um und stand jetzt lauschend vor dem verhängniß-
vollcn Fensterchcn. Drinnen war Alles dunkel, er guckte
überall herum, ob Niemand in der Nähe sei und klopfte mit
gebogenem Finger leise an die Scheiben.
Da öffnete sich langsam das Fenster, Käthel steckte den
Kopf durch die Ocffnung und flüsterte: „Was willst denn
nochmal?" „Dich will ich, mein liebcö Herz!" und damit
faßte er das Mädchen mit beiden Armen um den Hals und
wollt's küssen. Dabei aber verschob sich sei» Hut, so daß ihm
Käthel in's Gesicht sehen könnt'. Einen unterdrückten Schrei
ausstoßen, und vom Fenster zurückprallcn, war Eins. In
demselben Augenblick hatte aber der Gränzjäger an einem ge-
wissen Körpertheil das Gefühl, als wenn Eichenholz in die
unmittelbarste Berührung damit gekommen sei. — Es war
keine Täuschung; wieder und wieder dasselbe Gefühl, und che
er nur recht zur Besinnung gekommen war, hatte der gute
Mann eine ganz annehmbare Tracht Schläge.
Jetzt aber wendete sich Roscnhofer rasch um, ich weiß
nit, ob in der Absicht, seinen Angreifer kennen z» lernen,
oder um den so empfindlich angegriffenen Theil seines wcrthcn
Corpus in Sicherheit zu bringen. Vor ihm steht, den ge-
wichtigen Stock drohend geschwungen — der Fuchscnseppl.
„Wart, Bürschle, ich will dir die Lust vertreiben, Andern in'S
Gäu z'gehn." Jetzt aber thut er, als ob er ihn erst erkenne:
„Ei, Herr Roscnhofer, seid Jhr's? Ich Hab' Euch wahrhaftig !
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der letzte Botengang"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 29.1858, Nr. 703, S. 193
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg