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Fliegende Blätter — 3.1846 (Nr. 49-72)

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36

Grauröckleins Gäste.


So sprach der Graurock und bot den jetzt ganz neu auf-
lebenden Landsknechten einen ledernen Beutel hin, in dem alles
eitel Gold flimmerte, und als sie es unter sich getheilt, schrieen
Alle zusammen: „Glück auf; Sold für zwei Monat voraus-
bezahlt! unser neuer Herr lebe hoch, und wenn er des Satans
Stiefsohn wäre, Vivat hoch!" und die rauhen Kehlen brüllten
zusammen wie eine Heerde wilder Stiere, und sie setzten die
verrosteten Stahlhauben auf, schnallten die Degen um. nahmen
ihre Hellebarden auf die Schultern, und zogen dem Alten, der
vor ihnen hertrippelte auf einem ziemlich öden Waldpfade, mit
Schreien und Singen zur Freude desselben nach.

Endlich, nachdem schon der eine und andre in den Bart
gemurmelt, ein dritter tausend Schock Donnerwetter geflucht, ein
vierter gar drei Dutzend Millionen Teufel und höllische Bestien
herabgedonnert hatte, erreichten sie, als es schon gegen Abend
ging, eine alte, halbzerfallene Burg, die mitten im Walde
stand, und Grabesstille herrschte ringsum. Kein Bögelein
sang in den Zweigen der Bäume, keine Amsel flötete in den
Wipfeln der Tannen, kein Specht hackte in den morschen Eichen,
kein Eichhorn hüpfte von Ast zu Ast oder schaute neugierig
auf die Borüberziehenden, und es schien, als ob hier selbst die
Natur in einer todtähnlichen Erstarrung begraben liege. Selbst
die alten Eichen und Birken, die sich an das Gemäuer der
Burg lehnten oder aus dem Schutte der eingefallenen Ring-
mauern ausgewachsen, säuselten und rauschten nicht im Abend-
winde. Kein gebahnter Weg verkündete hier eine bewohnte
Stätte, und durch Dorngestrüpp und Gebüsche mußten sie sich
; Bahn brechen bis zuin Burgthore, das sich erst bei der verein-
! ten Anstrengung der Ankömmlinge knarrend in den rostzerfresse-
nen Angeln drehte. Im Schloßhofe wucherten Gras, Nesseln,
Disteln, Bilsenkraut und Huflattich, und reichten den Durch-
watenden bi? über die Hüften. Kein Hund bellte, kein Wächter
stieß ins Horn, kein Mensch kam ihnen entgegen, und das
düstre dunkelgraue Gemäuer mit seinen zerfallenen Bogenfenstern
: und Giebeln erregte in den Landsknechten ein unbekanntes
Gefühl des Schauders. Sie drückten ihr Befremden über den
traurigen Zustand der Burg ihrem Führer aus; dieser aber
versicherte, daß es nun einmal so sei, deßohngeachtet würde es
ihnen an nichts fehlen, und in Bälde würden Knechte und
; Diener kommen mit lustigen Dirnen, und zu essen und zu
trinken gäbe es dann die Hülle und Fülle. Sie sollten einen
Augenblick Geduld haben und das Besitzthum seines Herrn nicht
mit überkritischem Auge ansehen, da es ja leicht denkbar sei, es
in einem solchen Zustande zu finden, weil es schon seit Jahr-
hunderten nimmer bewohnt, und sein Herr zu viele Burgen und
Vesten in Wülschland und in des Kaisers Reichen besitze, als
daß er alle in gehörigem Zustande halten könnte. Dann führte
er die Landsknechte, welche durch seine Bemerkungen wieder
guts Muths geworden, besonders da sie vernommen, daß es an
| Speis und Trank nicht fehlen werde, eine alte steinerne Treppe
hinab in ein moderhauchendes dunkles dunstiges Gewölbe, das
den schweren Tritt der Eintretenden dumpf widerhallte. Wie
durch einen Zauberschlag erhellten plötzlich knisternde flackernde

! Fackeln, die in die Eisenringe an den Wänden hineingesteckt waren,
die weiten Räume desselben. In der Mitte standen lange massive
Eichentische, links und rechts in unabsehbaren Reihen mächtige
Lagerfässer voll des edelsten Weins, deren Alter die morschen
wurmsttchigen mit Moos und Schimmel bekleideten Dauben und
verrosteten Eisenreife zur Genüge bekundeten, und darüber hin >
schwebten mit zischendem Fluge in rastlos sich verwirrendem Ge-
; treibe Fledermäuse und haarige Vampyre, und ein unheimliches
Gerassel und Gezische ließ sich aus den Ecken und Winkeln ver-
nehmen. Da sang das Grauröcklein mit hohler Stimme vor sich hin:
Rascher Bote, flügelleichter.

Aut und lad zum Schmauß die Gäste!

Auf und zische weißgebleichter
Schädel-Schaar ins Ohr: zum Feste
Zum bekannten zu erscheinen!

Festlich sollen sie sich schmücken.

Haut und Muskeln an den Beinen.

Schmuckes Kleid um Brust und Rücken,

Schminke dick auf Livp' und Wangen,

Stimme auf der todten Zunge,

Auf und melde mein Verlangen,

Rühre dich im raschem Schwünge! —
und nach und nach erschienen Männer und Frauen, Dirnen und
Bursche in mannigfachen Trachten und Gestalten, und nahmen
an den schweren Tischen Platz, oder trugen Schüsseln mit Fleisch
und Früchten beladen auf, und funkelnde Weine, indeß das
Grauröcklein hin und herlief, ordnete, und die Gerichte stellte,
j und dies und jenes befahl mit trippelnder Geschäftigkeit. Da
! ward den Landsknechten ganz wohlig um's Herz. Sie gossen
den perlenden Wein in den zinnernen Humpen stromweise in
die trockenen Kehlen, verschlangen die Speisen in Masse, und
schauten vergnügt nach den munteren Dirnen, die mit ihnen
ganz vertraut liebäugelten. Sängerinnen mit Harfen und Orgel-
kasten sangen und leierten Zoten und schmutzige Lieder, Gaukler

und Lustigmacher trieben sich um die Tische herum und machten
ihre Späße und Possen zu nicht geringem Vergnügen der Lands-
knechte, welche sich in ein Feenland versetzt glaubten, und der
eine und andere von ihnen packte seine Nase, halb im Zweifel,
ob er wache oder träume, oder zwickte sich in's Bein, um Ge-
wißheit von seinem wachen Zustand zu erhalten. Das dauerte
nun bis in die Nacht hinein; die Landsknechte schmaußten,
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"Grauröckleins Gäste."
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Fliegende Blätter
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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Personifikation
Harfenspiel
Paar <Motiv>
Harfe <Motiv>
Karikatur
Tod <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 3.1846, Nr. 53, S. 36
 
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