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Die Weissagung der Zigeunerin.
wollen sie'S auch mit den Deutschen versuchen. Nun über-
legt's Euch. Gleich entschließt man sich zu so etwas nicht,
zwei Tage habt Ihr Zeit, so lang bleibe ich hier. Kommt
wieder hierher in den Hirschen, wenn Ihr Ench entschlossen
habt, daß wir's. richtig machen können. Die Mühle ver-
kauft Ihr, oder brecht sie ab, wenn sich kein Käufer findet.
Noch seid Ihr ein freier Mann, dem das Wegziehen Nie-
mand wehren kann, übers Jahr müßtet Ihr Euch vielleicht
erst frei kaufen."
So unruhig und nachdenklich war David wohl noch
nie seine Straße gewandert am rauschenden Bache hin, wie
diesmal, als er gesenkten Hauptes der Heimath zuwanderte.
Mitten auf dem Weg stand er still, wie ein Blitz fuhr ihm
durch den Sinn die Weissagung der alten Zigeunerin: „Eine
lange Reise werde ich thun, und weit, weit von hier meine
Wohnung aufschlagen! War's nicht so? Das trifft nun rich-
tig zu, da muß es doch wohl so mein Schicksal sein!" sagte
er vor sich hin. Der Kampf war damit so gut wie beendet,
der Entschluß fest, war es doch seine Bestimmung! Jetzt
blieb nur die Sorge übrig, wie daheim die Anna sich in den
Entschluß fügen würde. Aber auch da hatte die Prophe-
zeiung der Alten vorgearbeitet. Die Frau hörte zwar bleich
und bestürzt dem zu, was ihr der Mann berichtete von sei-
ner Unterredung mit dem Fremden, aber ehe noch David an
die Zigeunerin erinnerte, fiel sie kleinlaut ein: „Siehst Du,
David, das ist's ja, was Dir die Alte damals geweissagt,
eine große Reise und weit von hier eine neue Wohnung, da
bleibt ja nichts anders übrig. Spät aber droht ein großes
Unheil! Was wird das sein?" Ins Unvermeidliche fügt sich
der leidensmuthige Sinn des Weibes mit wunderbarer Er-
gebung, und die Schwäche beschämt dann den kräftigen Sinn
des Muthigen. Die Frau empfand alle Qual der Trennung
von der alten lieben Heimath, alle Furcht vor der schreck-
lichen Reise und vor dem neuen unbekannten Land in hohem
Grad, aber sie ergab sich wie ein geduldig Sterbender in das
unvermeidliche Schicksal. Wie unbehaglich und beschwerlich
auch immer jene Reise sein mochte, ernstliche Gefahren konnte
sie nicht herbeiführen, denn sie mußten ja nach der Zigeu-
nerin Weissagung den neuen Wohnort erreichen, und es
sollte ihnen dort gut gehen bis zu jenem erst spät drohenden
Unheil. Auch den Nazzi mußte sie glücklich herüberbringen, denn
der sollte ja ein großer Maler werden oder so etwas.^
Welch ein Wundern und Staunen, welch ein Reden und
Berathen aber war in dem stillen Thale, als David mit
seinem Entschluß hervortrat. Solch ein kühner Entschluß
aber wirkt ansteckend. Einer nach dem Andern kam zu dem
mit dem Agenten eifrig verhandelnden Brettmüller und erklärte,
er würde auch gern mit nach dem Amerika gehen; wie es
denn aber mit den Kosten der Reise stehe? Der Agent hatte
dem Müller einen Käufer seiner Mühle verschafft, wie viel
dabei in seinen eigenen Beutel fallen mochte, weiß Gott!
Der Käufer zahlte wenig genug, aber die schlimmen Verhält-
nisse rechtfertigten das niedrige Gebot.
(Fortsetzung folgt.)
Der Weibertausch.
Der kleine Christian mit seinem Mariechen und
der große Johann mit seiner Christine gehn Sonntags
in die Kirch' und wollen sich verheirathen, und Abends
soll Hochzeit sein. —
Es war nach der Erndtezeit und noch eine Menge
anderer Brautleute da, so daß der Herr Pastor immer
zwei und zwei Paare zusammen gab. Versprach er sich
nun oder hat ers nicht anders gewußt, genug, er gab
die Marie an den Johann und die Christine an den
Christian und sie haben auch alle Beide Ja gesagt und
sich gar nichts dabei gedacht. — Als sie nun alser aus
der Kirche kamen, da standen die Eltern und die ganze
Freundschaft bei einander, kratzten sich den Kopf und
sagten: „Nein, das geht doch im Leben nicht an,"
lauerten auf den Herrn Prediger und stellten ihm die
Sache vor.
Der Herr Prediger crschrack: „Ja, Kinderchens
X. 2C. — — —
Das war nun schlimm, die Hochzeit war aus-
gerichtet und die Gäste geladen. Unter denen war Einer,
ein schlauer Kopf: „Christian," sagt er, „wie viel hat
Deine?" — „So und so viel." — „Na, Johann, und
Deine?" — „Wird wohl gerade so viel sein." — „Na,
Kinder, dann bleibt sich das ja gleich, was wollt Ihr die
Die Weissagung der Zigeunerin.
wollen sie'S auch mit den Deutschen versuchen. Nun über-
legt's Euch. Gleich entschließt man sich zu so etwas nicht,
zwei Tage habt Ihr Zeit, so lang bleibe ich hier. Kommt
wieder hierher in den Hirschen, wenn Ihr Ench entschlossen
habt, daß wir's. richtig machen können. Die Mühle ver-
kauft Ihr, oder brecht sie ab, wenn sich kein Käufer findet.
Noch seid Ihr ein freier Mann, dem das Wegziehen Nie-
mand wehren kann, übers Jahr müßtet Ihr Euch vielleicht
erst frei kaufen."
So unruhig und nachdenklich war David wohl noch
nie seine Straße gewandert am rauschenden Bache hin, wie
diesmal, als er gesenkten Hauptes der Heimath zuwanderte.
Mitten auf dem Weg stand er still, wie ein Blitz fuhr ihm
durch den Sinn die Weissagung der alten Zigeunerin: „Eine
lange Reise werde ich thun, und weit, weit von hier meine
Wohnung aufschlagen! War's nicht so? Das trifft nun rich-
tig zu, da muß es doch wohl so mein Schicksal sein!" sagte
er vor sich hin. Der Kampf war damit so gut wie beendet,
der Entschluß fest, war es doch seine Bestimmung! Jetzt
blieb nur die Sorge übrig, wie daheim die Anna sich in den
Entschluß fügen würde. Aber auch da hatte die Prophe-
zeiung der Alten vorgearbeitet. Die Frau hörte zwar bleich
und bestürzt dem zu, was ihr der Mann berichtete von sei-
ner Unterredung mit dem Fremden, aber ehe noch David an
die Zigeunerin erinnerte, fiel sie kleinlaut ein: „Siehst Du,
David, das ist's ja, was Dir die Alte damals geweissagt,
eine große Reise und weit von hier eine neue Wohnung, da
bleibt ja nichts anders übrig. Spät aber droht ein großes
Unheil! Was wird das sein?" Ins Unvermeidliche fügt sich
der leidensmuthige Sinn des Weibes mit wunderbarer Er-
gebung, und die Schwäche beschämt dann den kräftigen Sinn
des Muthigen. Die Frau empfand alle Qual der Trennung
von der alten lieben Heimath, alle Furcht vor der schreck-
lichen Reise und vor dem neuen unbekannten Land in hohem
Grad, aber sie ergab sich wie ein geduldig Sterbender in das
unvermeidliche Schicksal. Wie unbehaglich und beschwerlich
auch immer jene Reise sein mochte, ernstliche Gefahren konnte
sie nicht herbeiführen, denn sie mußten ja nach der Zigeu-
nerin Weissagung den neuen Wohnort erreichen, und es
sollte ihnen dort gut gehen bis zu jenem erst spät drohenden
Unheil. Auch den Nazzi mußte sie glücklich herüberbringen, denn
der sollte ja ein großer Maler werden oder so etwas.^
Welch ein Wundern und Staunen, welch ein Reden und
Berathen aber war in dem stillen Thale, als David mit
seinem Entschluß hervortrat. Solch ein kühner Entschluß
aber wirkt ansteckend. Einer nach dem Andern kam zu dem
mit dem Agenten eifrig verhandelnden Brettmüller und erklärte,
er würde auch gern mit nach dem Amerika gehen; wie es
denn aber mit den Kosten der Reise stehe? Der Agent hatte
dem Müller einen Käufer seiner Mühle verschafft, wie viel
dabei in seinen eigenen Beutel fallen mochte, weiß Gott!
Der Käufer zahlte wenig genug, aber die schlimmen Verhält-
nisse rechtfertigten das niedrige Gebot.
(Fortsetzung folgt.)
Der Weibertausch.
Der kleine Christian mit seinem Mariechen und
der große Johann mit seiner Christine gehn Sonntags
in die Kirch' und wollen sich verheirathen, und Abends
soll Hochzeit sein. —
Es war nach der Erndtezeit und noch eine Menge
anderer Brautleute da, so daß der Herr Pastor immer
zwei und zwei Paare zusammen gab. Versprach er sich
nun oder hat ers nicht anders gewußt, genug, er gab
die Marie an den Johann und die Christine an den
Christian und sie haben auch alle Beide Ja gesagt und
sich gar nichts dabei gedacht. — Als sie nun alser aus
der Kirche kamen, da standen die Eltern und die ganze
Freundschaft bei einander, kratzten sich den Kopf und
sagten: „Nein, das geht doch im Leben nicht an,"
lauerten auf den Herrn Prediger und stellten ihm die
Sache vor.
Der Herr Prediger crschrack: „Ja, Kinderchens
X. 2C. — — —
Das war nun schlimm, die Hochzeit war aus-
gerichtet und die Gäste geladen. Unter denen war Einer,
ein schlauer Kopf: „Christian," sagt er, „wie viel hat
Deine?" — „So und so viel." — „Na, Johann, und
Deine?" — „Wird wohl gerade so viel sein." — „Na,
Kinder, dann bleibt sich das ja gleich, was wollt Ihr die
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Weibertausch"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 40.1864, Nr. 967, S. 20
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg