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Aus zwei Jahrhunderten.
schreibung kommt als das Best zuletzt. Ich kan auch schon
besser zuhöre, wen der Herr Pfarrer und mein Herr mit
einander Disgurirc. Des Herrn Pfarrers sind Rechtschaffe
gut mit uns, die Frau Pfarrerin weis freilich mcr als ich,
ich muß mich recht zusameneme das i net grob schwätz vor
ihr, aber sie ist nicht Hoffärtig und fragt mich auch wen sie
auf dem Feld oder im Hauswese nicht so Bescheid wais. Und
zwaimal sind wir auch schon mit ihne im Hcrrenkassino ge-
wese, wie sies haise, alle 4 Woche Komt man im Schwane
in Danweiler zusame wos recht braf ist, auch zu einem Dänzlc
komts allemal, und haim thu ich weil der Weg so schlecht
ist mit mainem Herrn zusamme auf dem Gaul Neide, er
sitzt vorn, ich auftn Kreiz, so istS hierum der Brauch, des
Herrn Pfarrers reite auch so.
Jez Hab ich aber genug geblabbert und wil Ihne
Bhüt Gott Sage.
Lasse sie sich die Schnitz und Zwetsche gut Schmecke
ich Hab sic alle selbst gedörrt, 's ist saubere War. Einen
Stibbich mit Schmalz wird der Bot das nächste mal Mit-
Waldhausen, 31. Januar 1859.
Theuerste, heißgeliebte Tante!
Nachdem des neuen Jahres Sonnen, die Schwelle
unseres glücklichen Hauses küssen, muß ich zur Feder greifen,
um Dir unsere innigsten Herzenswünsche, zu der neuange-
brochenen Lebensepoche darzubringen, auch mein Herzgeliebtcr,
theilt wie Alles meine Dankesergüsse, für Dich zärtlichstgelicbtc
Führerin meiner Jugend. Mein langes garstiges Stillschweigen,
bringe vor Ihne, er kans heit nicht mer verzwinge, weils zu
schwär ist. Ich uud mein Liebster — seid Weihnacht sage
wir Du zu einander — grüße Sie, liebe Frau Dote, vil
Dausendmal, und auch Ihre Hausfrau Grüß ich und leg
ein kleins Säckle mit Schnitz vor sic bei.
Mit vielem Respcgt und auch mit den besten Wünschen
zum Neuen Jar Verbleib ich
Jhro gehorsame
Dorlc Müllerin, Amtmännin.
P. S.
Wenn einmal 's Wetter nicht mer so rau ist, Schicke
wir Ihne einmal das Wägcle mit dem Fuxen, da müsse
Sie zu uns Komen aber nicht nur so auf der Sprung,
zum wenigsten auf vier Wochen. Wir habe jez die große
Stube mit einem Verschlag Abgedailt und Sie werde in
unserer früheren Schlafstube Einloschirt, wo drin freilich
mein Herr Arbeite thut, aber 's wird sich schon mache.
Es ist ein gar Schönes Logement unser Amthaus.
lege mir doch nicht als Gefühllosigkeit ans, ich bitte Dich
fußfällig darum, aber ich führe, seid ich vermählt bin, ein
so amisantes und bewegtes Dasein, das mir auch zu dem
Thcuersten — und dazu rechne ich natürlich den Briefwechsel
mit meiner theuerstcn Tante — keine Zeit läßt. Die sieben
Monate meines Hierseins liegen wie eine Tochter aus Elysium
hinter mir. Besuche gemacht und empfangen, Concerto, auch
zwei Bälle wo ich reizende lebendige Bilder machte, nahmen
mich leiblich und seelisch, bis über die Ohren in Anspruch.
Abends konnte so von Briefschreiben keine Rede sein da reicht
es nur eben, zum süßen Clavicr und zu meinen lieben Jur-
nalen. Morgens stehe ich —- Du kennst ja meine Schwach-
heit — ziemlich spät auf und meist reicht so die Zeit des
Tags nur eben zur Zurüstung der Toilett für die schönen
Abeirde. Mit den brennenden Fragen des Tags in der
Politik muß man sich auch auf dem Laufenden erhalten, um
ein Wort mitsprechen zu können. Meine Losung ist und
bleibt, der Cäsar unseres Jahrhunderts. So schrumpfen vor-
der Höhe der Zeit, Politik, Kunst und Wissenschaft unsere
kleinen Interessen des Hauses und der Familie zusammen
und die Feder sinkt' mir immer wieder aus der Hand, wenn
ich sie zu einem Briefe der Liebe ansetze. Man muß eben
Wissen und Verstand, mit dem Herzen zahlen, wie der Dichter
sagt. Ach das ist schmerzlich, aber — Verhängniß!! „Nur
wer die Sehnsucht kennt weiß was ich leide."
Doch jetzt darf ich nicht länger säumen. Die Sonne
des ersten Monats des neuen Jahres — wie Viel birgt cs
in seinem schwangeren Schoose! — soll nicht ins Meer sinken,
ohne daß ich den heißen Wünschen meines Ticfinncrsten für
Dich, Ausdruck verliehen habe. Wie habe ich bei dem Jahres-
wechsel und seitdem in jeder Stunde des Tags und der Nacht
Deiner gedacht! Dein liebes geküßtes Bild, schwebt mir in
Aus zwei Jahrhunderten.
schreibung kommt als das Best zuletzt. Ich kan auch schon
besser zuhöre, wen der Herr Pfarrer und mein Herr mit
einander Disgurirc. Des Herrn Pfarrers sind Rechtschaffe
gut mit uns, die Frau Pfarrerin weis freilich mcr als ich,
ich muß mich recht zusameneme das i net grob schwätz vor
ihr, aber sie ist nicht Hoffärtig und fragt mich auch wen sie
auf dem Feld oder im Hauswese nicht so Bescheid wais. Und
zwaimal sind wir auch schon mit ihne im Hcrrenkassino ge-
wese, wie sies haise, alle 4 Woche Komt man im Schwane
in Danweiler zusame wos recht braf ist, auch zu einem Dänzlc
komts allemal, und haim thu ich weil der Weg so schlecht
ist mit mainem Herrn zusamme auf dem Gaul Neide, er
sitzt vorn, ich auftn Kreiz, so istS hierum der Brauch, des
Herrn Pfarrers reite auch so.
Jez Hab ich aber genug geblabbert und wil Ihne
Bhüt Gott Sage.
Lasse sie sich die Schnitz und Zwetsche gut Schmecke
ich Hab sic alle selbst gedörrt, 's ist saubere War. Einen
Stibbich mit Schmalz wird der Bot das nächste mal Mit-
Waldhausen, 31. Januar 1859.
Theuerste, heißgeliebte Tante!
Nachdem des neuen Jahres Sonnen, die Schwelle
unseres glücklichen Hauses küssen, muß ich zur Feder greifen,
um Dir unsere innigsten Herzenswünsche, zu der neuange-
brochenen Lebensepoche darzubringen, auch mein Herzgeliebtcr,
theilt wie Alles meine Dankesergüsse, für Dich zärtlichstgelicbtc
Führerin meiner Jugend. Mein langes garstiges Stillschweigen,
bringe vor Ihne, er kans heit nicht mer verzwinge, weils zu
schwär ist. Ich uud mein Liebster — seid Weihnacht sage
wir Du zu einander — grüße Sie, liebe Frau Dote, vil
Dausendmal, und auch Ihre Hausfrau Grüß ich und leg
ein kleins Säckle mit Schnitz vor sic bei.
Mit vielem Respcgt und auch mit den besten Wünschen
zum Neuen Jar Verbleib ich
Jhro gehorsame
Dorlc Müllerin, Amtmännin.
P. S.
Wenn einmal 's Wetter nicht mer so rau ist, Schicke
wir Ihne einmal das Wägcle mit dem Fuxen, da müsse
Sie zu uns Komen aber nicht nur so auf der Sprung,
zum wenigsten auf vier Wochen. Wir habe jez die große
Stube mit einem Verschlag Abgedailt und Sie werde in
unserer früheren Schlafstube Einloschirt, wo drin freilich
mein Herr Arbeite thut, aber 's wird sich schon mache.
Es ist ein gar Schönes Logement unser Amthaus.
lege mir doch nicht als Gefühllosigkeit ans, ich bitte Dich
fußfällig darum, aber ich führe, seid ich vermählt bin, ein
so amisantes und bewegtes Dasein, das mir auch zu dem
Thcuersten — und dazu rechne ich natürlich den Briefwechsel
mit meiner theuerstcn Tante — keine Zeit läßt. Die sieben
Monate meines Hierseins liegen wie eine Tochter aus Elysium
hinter mir. Besuche gemacht und empfangen, Concerto, auch
zwei Bälle wo ich reizende lebendige Bilder machte, nahmen
mich leiblich und seelisch, bis über die Ohren in Anspruch.
Abends konnte so von Briefschreiben keine Rede sein da reicht
es nur eben, zum süßen Clavicr und zu meinen lieben Jur-
nalen. Morgens stehe ich —- Du kennst ja meine Schwach-
heit — ziemlich spät auf und meist reicht so die Zeit des
Tags nur eben zur Zurüstung der Toilett für die schönen
Abeirde. Mit den brennenden Fragen des Tags in der
Politik muß man sich auch auf dem Laufenden erhalten, um
ein Wort mitsprechen zu können. Meine Losung ist und
bleibt, der Cäsar unseres Jahrhunderts. So schrumpfen vor-
der Höhe der Zeit, Politik, Kunst und Wissenschaft unsere
kleinen Interessen des Hauses und der Familie zusammen
und die Feder sinkt' mir immer wieder aus der Hand, wenn
ich sie zu einem Briefe der Liebe ansetze. Man muß eben
Wissen und Verstand, mit dem Herzen zahlen, wie der Dichter
sagt. Ach das ist schmerzlich, aber — Verhängniß!! „Nur
wer die Sehnsucht kennt weiß was ich leide."
Doch jetzt darf ich nicht länger säumen. Die Sonne
des ersten Monats des neuen Jahres — wie Viel birgt cs
in seinem schwangeren Schoose! — soll nicht ins Meer sinken,
ohne daß ich den heißen Wünschen meines Ticfinncrsten für
Dich, Ausdruck verliehen habe. Wie habe ich bei dem Jahres-
wechsel und seitdem in jeder Stunde des Tags und der Nacht
Deiner gedacht! Dein liebes geküßtes Bild, schwebt mir in
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Aus zwei Jahrhunderten"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 44.1866, Nr. 1073, S. 34
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg