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Fliegende Blätter — 45.1866 (Nr. 1095-1120)

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Nr. 1095
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https://doi.org/10.11588/diglit.3290#0005
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Zacharias Hasenmeier's Abenteuer.

um sein Wanderbuch visirt zu bekommen. Ordnung muß
nämlich sein, und ob er nun zu den Chinesen oder Menschen-
fressern kam, sein Wanderbuch wollte er in Ordnung haben,
denn den Chinesischen Gcnödarmen traute er gerade so wenig
wie den Deutschen.

Die Behörde besorgte ihm das auch. Gegen seine
Auswanderung hatte sie, merkwürdiger Weise Nichts einzu-
n/enden, und visirte ihm sein Wanderbuch, auf seine An-
weisung, daß er nach Amerika, Australien und sonst wohin
wollte, gewissenhaft und wörtlich:

„Nach Australien und weiter!"
wonach er dann lustig und wohlgemuth in die Welt hinaus
wanderte.

Er hatte als er die Stadt verließ, in der er zuletzt
gearbeitet, den Hut keck auf die eine Seite gerückt, was
andeuten sollte, daß er sich aus ganz Europa Nichts mehr
mache, und mit dem buntgestickten Tabaksbeutel vorn im
Knopfloch baumelnd (einen'Orden besaß er nicht, den er
hätte hinein thun können, und etwas muß der Mensch doch
im Knopfloch haben) mit außerdem zehn Thaler siebenzehn
und^inen halben Silbergroschcn in der Tasche, meinteer, daß
er nun die Welt durchwandern könne. — Was weiß so ein
wasserdichter Hutmacher überhaupt von der Welt!

Natürlich ging er gerade in einem Strich, bis hinauf
nack Hamburg, weil er gehört hatte, daß von dort ab fast
täglich Schiffe nach aller Herren Länder ausliefen, und
man von diesem Hafen aus mit derselben Bequemlichkeit zu
den Botokudcn wie zu den afrikanischen Baumaffen kommen
könne. Wohin? blieb sich aber vollständig gleich — Hüte
brauchten Alle oder konnten ihnen doch wenigstens angcpaßt
werden, und er war von sich selber überzeugt, daß er sein
Fortkommen in irgend einem Land der Welt finden würde
i — er müsse nur erst einmal dort sein.

„Der liebe Gott verläßt keinen Deutschen," sagte er
sich und mit dem schönen Liedchen: „Muß i denn, muß i
denn zum Städtle hinaus — Städtle hinaus," ließ er sich
wahrlich kein Gras unter die Sohlen wachsen, und wan-
derte, jede Eisenbahn von Grund seines gekränkten „wasser-
dichten Hutmacherherzens" aus verachtend, zu Fuß bis in
die fcrngelegcne Hafenstadt, um sich dort nach einer womög-
lich wüsten Insel cinzuschiffen.

Er fluchte allerdings jedesmal still vor sich hin, wenn
ein Bahnzug vorrübcrrassclte, und die Leute darin auö den
offenen Fenstern hinaussahen, und über den wunderlichen
Menschen lachten, der zu Fuß hinter d'rcin keuchte, während
er doch hätte, für ein paar Groschen, so bequem darin
fahren können, aber Zacharias setzte den Hut bei solchen
Gelegenheiten nur noch immer schiefer, um seine Verachtung
bildlich auszudrücken und wanderte trotzig seines Weges, ohne
auch nur einmal nach ihnen umzuschauen.

Es ist überhaupt erstaunlich, mit welcher Genauigkeit
sich menschliche Gcmüthsbewegungen und Charaktere nur
allein durch die verschiedene Stellung des Hutes ausdrücken
lassen.

„In den Augen liegt das Herz," lautet ein altes,
wunderschönes Lied, aber es ist durchaus nicht wahr. Im
Hute liegt es, und der aufmerksame Beobachter kann
manchem Menschen nur allein durch den Hut direkt in's
Herz sehen.

Wer z. B. den Hut recht gerade und steif auf hat,
daß er ihm senkrecht auf dem Wirbel des Kopfes sitzt, das
mag ein sehr guter rechtschaffener Mensch sein, aber er ist
jedenfalls nach einer Richtung hin Pedant und geht unaus-
weichlich, vielleicht praktisch, doch unter jeder Bedingung steif
und trocken durchs Leben mit nicht einer Spur von Poesie.
Ich gebe zu, daß er ein ausgezeichneter Beamter und vor-
trefflicher Geschäftsmann sein kann, aber ein guter Gesell-
schafter ist er keinesfalls.

Ein klein wenig geneigt — nach rechts oder links
bleibt sich gleich — und welch' einem fabelhaften Unter-
schied begegnen wir hier. — Das sind die besten und
interessantesten Menschen, mit gerade genug leichtem Sinn,
um liebenswürdig zu sein und über daö Nützliche einer Sache
auch nicht das Angenehme zu vergessen — aber ja nicht zu
viel — den Hut zu viel auf eine Seite bedeutet sehr großen
Leichtsinn — ein keckes Herausfordern der Menschheit, um
das sich gewöhnlich Niemand kümmert, Rauflust und ver-
schiedene andere schlimme Leidenschaften. Solche Menschen
werden auf die Länge der Zeit im Umgang unerträglich.

Der Hut weit hinten verräth Sorglosigkeit aber auch
Behaglichkeit, mit einer kleineren oder größeren Mischung
von Eigendünkel. Leichtsinnige Schuldcnmachcr und Specu-
lanten sind geneigt den Hut in solcher Weise zu tragen,
und je weiter er nach hinten gerückt wird, desto gefährdeter
ist ihre Position.

Dagegen deutet cs Schwermuth und Niedergeschlagen-
heit, wenn der Hut, im entgegengesetzten Fall, weit in die
Stirn gezogen wird: düsteren Groll, ein gepreßtes Herz
oder gedrückte LebcnSvcrhältnisse — auch unsaubere Wünsche;
kurz der Hut zeigt den Menschen wie er wirklich ist, und
Zacharias Hasenmeier, der leichtsinnigste „wasserdichte Hut-
machcrgescll", der diese Straße je passirt war, strafte mit
seinem Hut keck auf dem linken Ohr diese Theorie wahrlich
nicht Lügen.

Zacharias machte sich auch wirklich keine Sorgen, und
erst nur einmal mit seinem Entschluß im Reinen hielt er
alles Andere, was ihn möglicher Weise betreffen, oder ihm
hindernd in den Weg treten könne, für Nebensache — und
doch hatte er gerade da, wo er die Hauptschwierigkeit fand,
keine erwartet.

Seine Begriffe von Reisespesen waren nämlich sehr
unvollkommener Art, denn wenn er sonst von einer Stadt
zur anderen wanderte — mochte sie auch noch so weit ent-
legen sein — so brachte er dorthin doch gewöhnlich noch
immer ein paar Groschen mehr hin, als er vom Hause aus
mit genommen, denn er verstand die Kunst des Fechtens aus
dem Grunde und wenig Familien, die er ausprach, konnten
sich rühmen ihn unbcschenkt entlassen zu haben. Darnach
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