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Die lebendigen Poststücke.
Am Kummerowsee, auf einem Schloß, da wohnt ein
Landwirthsmann,
Der setzt' sich hin
Und denket nach,
Und sinnt voll Sinn
Fast achtzehn Tag'.
Der Gegenstand seines Sinnens war folgender:
Er besaß mehrere selbsterzogene lebendige Hasen, wovon
sein Schwager zu Nienhagen bei Rostock kürzlich, bei einem
flüchtigen Besuche, Einsicht genommen und dabei den Wunsch
zu erkennen gegeben hatte, drei von diesen lebcndigzahmen
Wilderemplaren zu besitzen. Deshalb beabsichtigte der Besitzer
des Hasenparkes, seinem Schwager, durch plötzliche Erfüllung
des Wunsches, eine angenehme Ueberraschung zu bereiten,
wollte dies jedoch, bei den schlechten Zeiten, gern auf die
billigste Weise in Ausführung bringen. Ein Ertrabvte für
den Transport des zahmen Wildes kostete ihm zu viel, und
die Post nimmt kein lebendiges Wild an.
Nach obbesagten achtzehn Tagen hatte er jedoch ein
scheinbar entsprechendes Resultat ersonnen, und sofort schritt
er zur That, indem er mit der Bezeichnung: „zur Veterinär-
praxis" aus der nächsten Apotheke eine Dosis Chloroform
holen ließ, nach dessen Empfang er drei seiner schönsten
Hasenzöglinge mit so günstigem Erfolg chloroformirte, daß
sie nicht allein für vollkommen toöt ausgegeben werden konnten,
sondern auch auf der nächsten Post als so beschaffen angenommen
und mit den üblichen Nummern beklebt wurden.
Zwar hatten die Schcintodten den Weg bis zur ruhm-
reichen Stadt Teterow, wo die Verladung auf einen anderen
Wagen stattfand, glücklich in süßer Bewußtlosigkeit zurückgelegt
und waren nun einstweilen auf das kalte Gestein der Post-
hausflur geworfen, doch fingen sich schon drei Hasenohren
leise zu bewegen an, wovon jedoch Niemand Kcnntniß zu
nehmen Zeit fand.
„Doch das Unglück schreitet schnell" —
Als das Geschäft der Verladung beginnen sollte und
der Packmeister im Begriff war, die tvdtseinsollenden Post-
slückc zu erfassen, um sie in den belrefsenden Wagenpackraum
zu bringen, so erhoben sich — zum zauberhaften Entsetzen
des Beamten — alle drei Poststücke auf einmal und ent-
fernten sich in eiliger Flucht, ohne daß ein Rufen und
Winken des verzweifelten Postmeisters den geringsten Erfolg
erzielt hätte. „Herr Postmeister!" rief der Verzweifelte, „die
Poststücke Nr. 307, 8 und 9 entfernen sich soeben, ohne
fremde Beihilfe, in entsetzlicher Schnelle."
„Sie haben wohl in entsetzlicher Schnelle Ihren kleinen
Verstand verloren?" fragte der Postmeister, indem er dennoch
eiligst den Kopf durch's Fenster steckte und, zur glänzenden
Rechtfertigung des Packmeisters, noch rechtzeitig genug, um
selbstpersönlich von dem außergewöhnlichen Ercigniß einer
dreifach heimlich und schleunigst sich entfernenden Poststückzahl
Kenntniß zu nehmen.
Einen Augenblick später waren die drei vierbeinigen
Pvslstückc in nebelhafter, unsichtbarer Ferne verschwunden,
und sie kehrten niemals wieder.
Und der Postmeister —
Der setzte sich hin;
Er dachte nach
Und sann mit Sinn
Wohl achtzehn Tag'.
Doch könnt' er nicht das Wunderräthsel lösen, —
Und ist auch ferner nie sinnreich gewesen.
Der seinsollcnde Empfänger erhielt, zu höchlichem
Erstaunen, den Brief ja wohl — jedoch die Hasen
nicht, und zugleich die postamtliche Bemerkung, daß
die betreffenden Poststückc, ohne fremde Hilfe, selbst-
Die lebendigen Poststücke.
Am Kummerowsee, auf einem Schloß, da wohnt ein
Landwirthsmann,
Der setzt' sich hin
Und denket nach,
Und sinnt voll Sinn
Fast achtzehn Tag'.
Der Gegenstand seines Sinnens war folgender:
Er besaß mehrere selbsterzogene lebendige Hasen, wovon
sein Schwager zu Nienhagen bei Rostock kürzlich, bei einem
flüchtigen Besuche, Einsicht genommen und dabei den Wunsch
zu erkennen gegeben hatte, drei von diesen lebcndigzahmen
Wilderemplaren zu besitzen. Deshalb beabsichtigte der Besitzer
des Hasenparkes, seinem Schwager, durch plötzliche Erfüllung
des Wunsches, eine angenehme Ueberraschung zu bereiten,
wollte dies jedoch, bei den schlechten Zeiten, gern auf die
billigste Weise in Ausführung bringen. Ein Ertrabvte für
den Transport des zahmen Wildes kostete ihm zu viel, und
die Post nimmt kein lebendiges Wild an.
Nach obbesagten achtzehn Tagen hatte er jedoch ein
scheinbar entsprechendes Resultat ersonnen, und sofort schritt
er zur That, indem er mit der Bezeichnung: „zur Veterinär-
praxis" aus der nächsten Apotheke eine Dosis Chloroform
holen ließ, nach dessen Empfang er drei seiner schönsten
Hasenzöglinge mit so günstigem Erfolg chloroformirte, daß
sie nicht allein für vollkommen toöt ausgegeben werden konnten,
sondern auch auf der nächsten Post als so beschaffen angenommen
und mit den üblichen Nummern beklebt wurden.
Zwar hatten die Schcintodten den Weg bis zur ruhm-
reichen Stadt Teterow, wo die Verladung auf einen anderen
Wagen stattfand, glücklich in süßer Bewußtlosigkeit zurückgelegt
und waren nun einstweilen auf das kalte Gestein der Post-
hausflur geworfen, doch fingen sich schon drei Hasenohren
leise zu bewegen an, wovon jedoch Niemand Kcnntniß zu
nehmen Zeit fand.
„Doch das Unglück schreitet schnell" —
Als das Geschäft der Verladung beginnen sollte und
der Packmeister im Begriff war, die tvdtseinsollenden Post-
slückc zu erfassen, um sie in den belrefsenden Wagenpackraum
zu bringen, so erhoben sich — zum zauberhaften Entsetzen
des Beamten — alle drei Poststücke auf einmal und ent-
fernten sich in eiliger Flucht, ohne daß ein Rufen und
Winken des verzweifelten Postmeisters den geringsten Erfolg
erzielt hätte. „Herr Postmeister!" rief der Verzweifelte, „die
Poststücke Nr. 307, 8 und 9 entfernen sich soeben, ohne
fremde Beihilfe, in entsetzlicher Schnelle."
„Sie haben wohl in entsetzlicher Schnelle Ihren kleinen
Verstand verloren?" fragte der Postmeister, indem er dennoch
eiligst den Kopf durch's Fenster steckte und, zur glänzenden
Rechtfertigung des Packmeisters, noch rechtzeitig genug, um
selbstpersönlich von dem außergewöhnlichen Ercigniß einer
dreifach heimlich und schleunigst sich entfernenden Poststückzahl
Kenntniß zu nehmen.
Einen Augenblick später waren die drei vierbeinigen
Pvslstückc in nebelhafter, unsichtbarer Ferne verschwunden,
und sie kehrten niemals wieder.
Und der Postmeister —
Der setzte sich hin;
Er dachte nach
Und sann mit Sinn
Wohl achtzehn Tag'.
Doch könnt' er nicht das Wunderräthsel lösen, —
Und ist auch ferner nie sinnreich gewesen.
Der seinsollcnde Empfänger erhielt, zu höchlichem
Erstaunen, den Brief ja wohl — jedoch die Hasen
nicht, und zugleich die postamtliche Bemerkung, daß
die betreffenden Poststückc, ohne fremde Hilfe, selbst-
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die lebendigen Poststücke"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 45.1866, Nr. 1120, S. 206
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg