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Das unterirdische London oder die Leichenräuber.

selber dieser, so zu sagen ans dem Schlachtfeld geborene und
durch Pulverdampf gesäugte Greis einen im Schauer des Ent-
zückens nusgestoßenen Ruf der Ucberraschung nicht unterdrücken;

' aber dieser Funke von Schlväche erlosch alsobald. Er nöthigte
i sie nicht einmal zum Sitzen, sondern sich auf seinem Sessel um-
; wendend stieß er ein heiseres Gelächter aus. mit spöttischem Tone
; hinzufügend:

„Bitte, bleiben Sie bedeckt — wir sind über solche Kin-
dereien hinaus!"

Vor der schneidenden Kälte dieses Mannes schauderte selbst
die Südländerin fröstelnd zusammen.

Inzwischen hatte Cromwcll au einer Schnur gezogen —
ein Vorhang schlug auseinander und zeigte den unglücklichen
Ralf in den Händen zweier Henkersknechte, die nur auf ein
Zeichen zu warten schienen, um das Beil fallen zu lassen, das
über seinem Haupte schwebte.

Ein gräßliches Angstgeschrei entwand sich Jsabellas Brust,
von der bei diesem Anblick alle künstliche Ruhe gewichen war;
sie wollte auf den Maler zueilen, um mit ihm vereint zu sterben,
aber ihre Hand wurde von der des Dictators wie in einem
Schraubstock gehalten.

„Ein Wink," flüsterte derselbe, „und Dein Liebling hat
gelebt!"

„Was kann ich thun?" seufzte das gequälte Weib.

„Opfere die Leichenräuber und er ist frei!"

„Alles für ihn!" stieß Jsabella rasch hervor — „hier der
Schlüssel zu meinem Bureau!"

Hastig ergriff Cromwcll das dargercichte Pfand — ein
; Blick auf die Henker setzte den Maler (der von Allem unter-
! richtet war) in Freiheit; die Spanierin verdeckte bei dem Ge-
danken : für das Leben eines Einzigen das von drei Millionen
geopfert zu haben, ihre Augen mit der Hand; der Dictator hatte
unhörbar das Gemach verlassen.

10. Der wahnsinnige Raubmörder.

Durch den dichten Herbstnebel schlich eine abenteuerliche
Gestalt die Docks entlang und war eben im Begriff, eine schwere
eiserne Kiste in eines der dort massenweise angebundenen Boote
zu werfen, als ein paar kräftige Arme sich der Kiste bemächtigen
und mit ihr in der Dunkelheit verschwanden.

Die erwähnte Gestalt stieß einen gräßlichen Fluch aus und
wandte sich, um den Dieb der Cassette. denn eine solche war es.
zu verfolgen: dieser aber war und blieb verschwunden. Da
lachte Jinkins. der Kassirer und Mörder des Holländers, der.
wie der Leser bereits errathen hat. mit dem Polizeimeister Bulks
eine und dieselbe Person ist. grell auf — der Unglückliche hatte
mit dem geraubten Mammon zugleich seinen Verstand ver-
loren.

„Kassette — Mord — erwürgt — hahaha! — Leichen-
räuber — Kloaken!"

Diese unzusammenhängenden und dvch so verständlichen
Worte ausstoßend. schwankte er einem jener Ventile zu. die. wie
schon erwähnt, der Themse den Eintritt in das unterirdische
Labyrinth verstattcn; mit der übermenschlichen Kraft des Wahn-
sinns zwängte Jinkins seinen Körper durch das eiserne Gitter-
werk — eine Schaar von Ratten empfing ihn und bald stand
nur noch das glatt abgenagte Skelett des Unglücklichen in einem
Winkel gelehnt: die leeren Augenhöhlen der Richtung zugewandt,
in welcher der Wiedervcrgelter mit den Schützen des Holländers
verschwunden war.

Dieser aber war Niemand anderer, als der Maler Ralf
gewesen, welcher den ersten Augenblick nach seiner Entlassung
aus den Scharfrichter-Klauen benutzt hatte, seine geliebte Hedwig
aufznsuchen. die er auch nach kurzer Zeit mit Cromwells Hilfe
in einem Schlupfwinkel der Leichenräuber auffand. Kaum
hatte er sie in einem confortablcn Zimmer des Hotel de Ba-
viere in Sicherheit gebracht, als er auch ihren Bitten, betreffs
Verfolgung jenes Elenden nachkam: den Erfolg kennen wir ja
bereits!"

11. Die Guillotine in voller Arbeit.

Schon drei Wochen lang arbeitete eine Dampfguillotinc
von 97 Henker-Kraft Tag und Nacht, und noch immer war
die Gesammthcit der gefangenen Leichenräuber nicht beseitigt.
Das Parlament, welches während dieser ganzen Zeit ohne Unter-
brechung seine Sitzungen hielt (daher der Name: das lange
Parlament), war nur mit der Anfertigung vvn Todesurtheilen
beschäftigt, die der nimmer-müde Dictator ohne Regung Unter-
zeichnete oder wenn der im Alter öfter eintretende Schreibekrampf
seine Finger auf Augenblicke lähmte, von seinem Sekretär unter-
zeichnen ließ.

Soeben hatten die dumpfen Klänge der Uhr des West-
minsterthurmes die Mitternachtsstunde verkündet, als sich die
Flügelthüren des Oberhauses öffneten und ein Mann von kaum
Mittelgröße, in einen einfachen grauen Mantel gehüllt, einen
dreieckigen Hut tief in's Gesicht gedrückt, die Schlvelle des Saales
überschritt.

Cromwell. von seinem Sekretär aufmerksam gemacht.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Das unterirdische London oder die Leichenräuber"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Schleier <Motiv>
Spanierin
Verschleierung
Tür <Motiv>
Karikatur
Satirische Zeitschrift
London

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 49.1868, Nr. 1202, S. 26
 
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