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Eine glückliche Fam

„Desto besser! Dann wird der saure Kohl süß darin
vor Wonne, daß Dn darauf sitzest," lallte Rudolph; gewiß
war ihm der feurige Wein schon etwas zu Kopfe gestiegen.

Uebrigens hält es schwer, unter drei lustigen Zechern zu
sitzen und nicht mitzutrinken und mit fröhlich zu sein. Ge-
schehen war's doch einmal und die Mutter brauchte ja nicht
d'rum zu wissen. So wies sie denn auch nach einigen Mi-
nuten das ihr kredenzte Glas nicht mehr zurück und hatte
bald ihren vollen Spaß und ihre Augenweide an der lustigen
Gesellschaft. So behaglich selig hatte sie ja den Papa noch
nie gesehen und ihrem Rudolph zuckte der volle Schalk aus
den Augen, und das stand ihm viel besser, als wenn er bei
dem Gedanken an das grundabscheuliche, dritte Eramen zer-
streut neben ihr saß. Und nun erst Federmann, der sonst so
trockene Schreiber!

Di-. Hausmeyer mit seinem schwarzen Schnurrbärtchen
und den dunkeln, feurig blitzenden Augen war sehr geschickt
als Arzt und auch eifrig und gewissenhaft, wo er's mit wirk-
lichen Patienten, aber nichts weniger als zuvorkommend, wo
er's mit eingebildeten Kranken zu thun hatte. Am liebsten
besuchte er aber als Hausarzt solche Personen und Familien,
die gleich ihm kerngesund und Freunde heiteren Lebensgenusses
waren. So war er denn auch heute gerade unterwegs, den
Stadtrath Mutzbacher zu besuchen. Er wußte, daß Mutz-
bacher immer nach Tisch im Gartenhause sein wohlverdientes
Dämmerchen machte; die dazu bestimmte Zeit mochte ziemlich
vorüber sein. Er richtete also seine Schritte gleich durch das
Haus über den Hof nach dem Garten. Aber noch ehe er
dahin gelangte, mußte er an der offenen Kellerthür vorbei,
aus der ihm munter lachende Stimmen und Gläserklang ent-
gegentönten. Neugierig und unbemerkt steigt er einige Stufen
hinab und wer beschreibt sein freudiges Erstaunen, als er die
lustige Gesellschaft mitten im Keller um eine Tonne versam-
melt bei einem Zechgelage findet. Mit einem 8a1to mortale
war er mitten unter ihnen, so daß den Zechern vor Schrecken
fast die Gläser aus der Hand fielen. „Himmel der Doktor!"
rief cs von allen Seiten wie aus einem Munde. „Ja,
der Doktor!" rief er lustig dazwischen, „und wie's scheint,
gibt's für mich hier zu thun. Stadtrath, Du bist krank!"
wandte er sich dann zunächst an diesen und that so, als
ob er ihm den Puls fühle, „Dein Puls geht wie ein
Schmiedehammer. Und Ihr Beide," sich zu dem Brautpaar
wendend, „leidet an einem intcrmittirenden Eramenficber, und
der Federmann dort an einer eingetrockneten Schreiberseele,
wenn er nicht gar eine Federspule verschluckt hat."

„Ja, Doktor!" lallte Mutzbacher, „bin schwer krank,
leide schon seit lange an unterdrücktem und vernachlässigtem
Durst und seit einer Stunde an Genickschmerzen."

„Und dabei trinkst Du ordinären Wein?" rief Haus-
meyer mit erkünstelter Entrüstung. „Weg mit dem Kretzer
da! Champagner her, der ist bei solchen Symptomen indicirt."
Und mit einem Sprunge war er in dem Verschlage und brachte
zwei Flaschen Champagner zurück. „Und nun sollt Ihr lernen,
wie man Medicin trinken muß!" Rasch — o! er war Meister

ilien-Vereinigung.

darin — war der Draht vom Pfropfen und der Pfropfen am
Kellergcwölbe; ebenso rasch füllte er sein Glas und trank's i
mit einem Zuge aus. „Drodatum est!“ rief er schnalzend,
„täglich zwei bis drei Mal aus guten, weiten Römern zu
nehmen!" Die Anderen folgten jubelnd seinem Beispiele,
selbst Federmann, der Schreiber, hielt schluchzend vor freudiger
Aufregung sein eben erst geleertes Glas unaufgefordert dem
Herrn Principal zur Füllung hin. Es blieb nicht bei den zwei
Flaschen. Der Doktor war unermüdlich, neue Medicin zu ver-
schreiben. Während er so seine Patienten mit gutem Erfolge be-
handelte, war Frau Mutzbacher aus ihrem Schläfchen erwacht
und gedachte des Schreibers, den sie im Keller eingeschlosscn.
Neugierig nach dem Erfolge seines Aufpasseramts eilte sic,
ihn herauszulassen, bevor ihn der Stadtrath in der Schreib-
stube vermisse, und war nicht wenig erschrocken, die Keller-
thür weit geöffnet zu finden und lautes, jubelndes Hin- und
Herreden und Becherklingen zu hören. Vorsichtig aber eilig
ging auch sie einige Stufen hinab und rieb sich vor Schrecken
und Staunen die Augen, als sie die lustige Gesellschaft mit
gerötheten Gesichtern und feurigen Augen uni eine Tonne ver-
sammelt fand. Eben hatte der Doktor wieder das Wort ge-
nommen und fragte: „Aber so sagt mir doch nur in aller
Welt erst, Ihr curiosen Leute, was Ihr eigentlich vorhabt,
hier ein solches Bacchanale zu veranstalten?" Da erblickte
Mutzbacher seine Gattin zur Salzsäule versteinert mitten auf
der Treppe stehen; aber sich rasch fassend, denn der Wein
gibt der Seele Gedanken, rief er wie begeistert: „O Doktor-
chen! Herzensdoktorchen!" ihn einmal über das andere um-
armend, „heute ist ja ein wichtiger, bedeutungsvoller, glück-
licher Tag für mich! Denn heute vor 22 Jahren, daß Jhr's
Alle wißt, Hab' ich mein Riekchen, mein liebes, sanftes, un-
vergleichliches Riekchen," hier ging seine lallende Stimme in
das Schluchzen der Rührung über, „zum ersten Male erblickt
und gleich für ewig in mein Herz geschlossen. Sehen Sie,
Doktor, diesen für mich und für meine .... unmündige
Tochter," neues Schluchzen, in das Gundchen mit einstimmt,
„so wichtigen Tag wollten wir feiern."

„Aber, Stadtrath!" rief der verwunderte Doktor vor-
wurfsvoll, „wo ist denn Dein liebes, sanftes Riekchen? Sie
gehört doch vor Allen dazu!"

„Hier ist sie!" tönt es auf einmal von den Treppen-
stufen herab.

„Barmherziger Gott!" stöhnte Mutzbacher leise vor sich
hin. »Gott, die Mutter! die Mutter!" rief Gundchen, und
drückte sich, um Schutz flehend, näher und dichter an ihren
Referendarius und Federmann verbarg sich gar hinten in dem
entferntesten und dunkelsten Winkel des Kellers, in der Zer-
streutheit und vor Schrecken eine eben erst angebrochene Flasche
Champagner mit sich nehmend, seine Seele wußte nichts da-
von. Aber Dr. Hausmeyer war gleich mit dem gefüllten !
Glase auf der Treppe und sagte: „Ihr Wohlsein, meine
theuerstc Freundin und verehrteste Gönnerin! Eben haben wir
Ihrer in voller Begeisterung gedacht. O, was haben Sic
für einen vortrefflichen, redlichen Mann! Wie liebt, wie ver-
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