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Das erste Du.
nur die Worte: „Der Toni is halt a braver Mensch, da
trink er a Maß." Dabei gab sie ihm vier Kreuzer in die
Hand; denn damals kostete die Maß Bier nur so viel und
war doch besser als heut zu Tage manches Lurusbier.
Aus diese Weise — das sah er endlich ein — kam er
in Ewigkeit nicht zum Ziele. Er mußte es anders anpacken.
Eine alte Base war im Haus, bei welcher die Nanni alles
galt, und zu der die Nanni hinwider ihr vollstes Vertrauen
hatte. Hinter diese wollte er sich stecken. Es kam bald eine
Gelegenheit. Er war eben im Hofe am Hausbrunnen mit
Saitling-Waschen beschäftigt, als die Alte mit einem Back-
trog erschien, welchen sie am Brunnen ausfegen wollte.
„Fleißig, fleißig!" ries ihm die Alte freundlich zu, „ja
der Toni is halt allweil fleißig."
„Was halt sein muß," entgegnete Toni gleichgiltig.
„Na, des muß ma sagn, kein fleißigem Menschen gibts
nimmer, als der Toni is," bethcuerte die Alte.
„Und was nutzt's mi?" sprach der Belobte.
„Was dir's nutzt?" frug die Base erstaunt und hörte zu
fegen auf, „hat Di' uet Alles deswegn so gern, weil Du
so ordentlich bist?"
„Dös schon, aber zwischen gern hab'n und gern hab'n
is halt a großer Unterschied."
„No Du wirst doch net verlauga, daß Dir Alles um
a» Hals fallt?"
„Freili möcht i, daß mir Alles um an Hals fallet, denn
Eini is mir ja Alles auf der Welt."
„No, mag Di' denn dö net?"
„I woaß net."
„Woaß sie's aa net, daß Du sic magst?"
„I glaab net."
„Aber, Toni, Du bist dalket! Du mußt es ihr halt sagen."
„I trau mir net; sagt's Es ihr."
„Ja, wer is sie denn?"
„Wer wird's denn sein, d' Nanni drobn is!"
Bei diesen Worten hörte man im ersten Stock des
Hauses ein Fenster rasch zumachen, und wenn man hinauf-
geschaut, hätte man dahinter ein Mädchengesicht gesehen, das
wie mit Blut übcrgoflen war. Sie hielt sich mit beiden
Händen den Mund zu, als fürchtete sie das Geheimniß zu
verrathen, hinter das sie so eben gekommen.
„No," nahm die alte Base nach einer kurzen Pause,
während welcher sie und der Metzger zu dem Fenstergeräusch
emporschauten, das Wort wieder, „jetzt brauchst ihr's nimmer
z'sagen, jetzt hat sie's selber g'hört. I will glei 'naufgehn
und schau'n, wie ihr is. Gib mir Obacht auf mein G'schirr!"
Mit diesen Worten trabte sie fort. Der Toni aber
war ganz erschrocken. Es zitterten ihm die Kniee, daß er sich
neben seine Arbeit Hinsehen mußte. Es war ihm, als hätte
er ein Verbrechen begangen und wartete nun auf den Urtheils-
spruch. Das Urtheil fiel günstig aus. Die alte Mari, so
hieß die Base, hatte die schöne Nanni über ihre Gesinnung
zum Toni ausgeholt, und nachdem sie sich überzeugt hatte,
daß Toni's Liebe von ihr erwiedert werde, setzte sie deren
Eltern davon in Kenntniß. Diese hatten gegen den braven
Toni gar nichts einzuwenden und gaben zugleich zu erkennen,
daß sie in ihren alten Tagen wohl ein Bedürfniß nach Ruhe
fühlten, und daß ihr Geschäft, wenn es Toni übernähme, in
den besten Händen sei.
Toni war selig vor Freude. Das Arbeiten ging ihm
noch so leicht von Statten. Arbeitete er ja doch schon gleich-
■ sam für den eignen Herd! Das „Grüß Gott" aus Nannis
Munde klang ihm jetzt viel süßer und herzlicher, besonders
wenn es von einem kurzen Händedruck begleitet war. Einmal
als sie ihre Hand länger in der seinigen ließ und er ihr ge-
sagt , wie glücklich ihn dies mache, und als sie ihn dar-
auf recht liebhold angeblickt hatte, wurde er so kühn, einen
Kuß von ihr zu verlangen. Da riß sie sich aber mit aller
Gewalt los und ließ sich 8 Tage lang nicht mehr sehen.
Zugleich wurde ihm des andern Morgens durch die alte
Mari bedeutet, daß er ein derartiges Verlangen an Nanni
nie mehr stellen dürfe, wenn er nicht ihre Liebe elnbüßen
wolle. Denn die Nanni war gut erzogen und hatte feste
Grundsätze. Sie hatte so hohe Begriffe von der Jungfräu-
lichkeit, daß sie dieselbe zu verlieren glaubte, wenn sie ein
„Mannsbild" nur „stark ansehen" würde, fliachdem die acht-
tägige Bußzeit vorüber war, mußte Toni sie um Verzeihung
bitten, wozu er sich anfangs nicht herbei lassen wollte, dann
aber nur unter dem Versprechen, daß sic mit ihm in Be-
gleitung ihrer Eltern und der alten Base nächsten Sonntag
in den Methgarten gehen wolle. Nach geleisteter Abbitte und
nach Besiegelung des Versprechens mit einem Händedruck war
der Friede wieder hergestellt. Endlich kam der ersehnte Sonn-
tag. Es war ein prächtiger Junitag. Nach der Vesper in
der Pcterskirche spazierten alle fünf, die Meisterin, Tochter |
und Base voraus, Meister und Geselle hinterdrein, zuni Send-
Das erste Du.
nur die Worte: „Der Toni is halt a braver Mensch, da
trink er a Maß." Dabei gab sie ihm vier Kreuzer in die
Hand; denn damals kostete die Maß Bier nur so viel und
war doch besser als heut zu Tage manches Lurusbier.
Aus diese Weise — das sah er endlich ein — kam er
in Ewigkeit nicht zum Ziele. Er mußte es anders anpacken.
Eine alte Base war im Haus, bei welcher die Nanni alles
galt, und zu der die Nanni hinwider ihr vollstes Vertrauen
hatte. Hinter diese wollte er sich stecken. Es kam bald eine
Gelegenheit. Er war eben im Hofe am Hausbrunnen mit
Saitling-Waschen beschäftigt, als die Alte mit einem Back-
trog erschien, welchen sie am Brunnen ausfegen wollte.
„Fleißig, fleißig!" ries ihm die Alte freundlich zu, „ja
der Toni is halt allweil fleißig."
„Was halt sein muß," entgegnete Toni gleichgiltig.
„Na, des muß ma sagn, kein fleißigem Menschen gibts
nimmer, als der Toni is," bethcuerte die Alte.
„Und was nutzt's mi?" sprach der Belobte.
„Was dir's nutzt?" frug die Base erstaunt und hörte zu
fegen auf, „hat Di' uet Alles deswegn so gern, weil Du
so ordentlich bist?"
„Dös schon, aber zwischen gern hab'n und gern hab'n
is halt a großer Unterschied."
„No Du wirst doch net verlauga, daß Dir Alles um
a» Hals fallt?"
„Freili möcht i, daß mir Alles um an Hals fallet, denn
Eini is mir ja Alles auf der Welt."
„No, mag Di' denn dö net?"
„I woaß net."
„Woaß sie's aa net, daß Du sic magst?"
„I glaab net."
„Aber, Toni, Du bist dalket! Du mußt es ihr halt sagen."
„I trau mir net; sagt's Es ihr."
„Ja, wer is sie denn?"
„Wer wird's denn sein, d' Nanni drobn is!"
Bei diesen Worten hörte man im ersten Stock des
Hauses ein Fenster rasch zumachen, und wenn man hinauf-
geschaut, hätte man dahinter ein Mädchengesicht gesehen, das
wie mit Blut übcrgoflen war. Sie hielt sich mit beiden
Händen den Mund zu, als fürchtete sie das Geheimniß zu
verrathen, hinter das sie so eben gekommen.
„No," nahm die alte Base nach einer kurzen Pause,
während welcher sie und der Metzger zu dem Fenstergeräusch
emporschauten, das Wort wieder, „jetzt brauchst ihr's nimmer
z'sagen, jetzt hat sie's selber g'hört. I will glei 'naufgehn
und schau'n, wie ihr is. Gib mir Obacht auf mein G'schirr!"
Mit diesen Worten trabte sie fort. Der Toni aber
war ganz erschrocken. Es zitterten ihm die Kniee, daß er sich
neben seine Arbeit Hinsehen mußte. Es war ihm, als hätte
er ein Verbrechen begangen und wartete nun auf den Urtheils-
spruch. Das Urtheil fiel günstig aus. Die alte Mari, so
hieß die Base, hatte die schöne Nanni über ihre Gesinnung
zum Toni ausgeholt, und nachdem sie sich überzeugt hatte,
daß Toni's Liebe von ihr erwiedert werde, setzte sie deren
Eltern davon in Kenntniß. Diese hatten gegen den braven
Toni gar nichts einzuwenden und gaben zugleich zu erkennen,
daß sie in ihren alten Tagen wohl ein Bedürfniß nach Ruhe
fühlten, und daß ihr Geschäft, wenn es Toni übernähme, in
den besten Händen sei.
Toni war selig vor Freude. Das Arbeiten ging ihm
noch so leicht von Statten. Arbeitete er ja doch schon gleich-
■ sam für den eignen Herd! Das „Grüß Gott" aus Nannis
Munde klang ihm jetzt viel süßer und herzlicher, besonders
wenn es von einem kurzen Händedruck begleitet war. Einmal
als sie ihre Hand länger in der seinigen ließ und er ihr ge-
sagt , wie glücklich ihn dies mache, und als sie ihn dar-
auf recht liebhold angeblickt hatte, wurde er so kühn, einen
Kuß von ihr zu verlangen. Da riß sie sich aber mit aller
Gewalt los und ließ sich 8 Tage lang nicht mehr sehen.
Zugleich wurde ihm des andern Morgens durch die alte
Mari bedeutet, daß er ein derartiges Verlangen an Nanni
nie mehr stellen dürfe, wenn er nicht ihre Liebe elnbüßen
wolle. Denn die Nanni war gut erzogen und hatte feste
Grundsätze. Sie hatte so hohe Begriffe von der Jungfräu-
lichkeit, daß sie dieselbe zu verlieren glaubte, wenn sie ein
„Mannsbild" nur „stark ansehen" würde, fliachdem die acht-
tägige Bußzeit vorüber war, mußte Toni sie um Verzeihung
bitten, wozu er sich anfangs nicht herbei lassen wollte, dann
aber nur unter dem Versprechen, daß sic mit ihm in Be-
gleitung ihrer Eltern und der alten Base nächsten Sonntag
in den Methgarten gehen wolle. Nach geleisteter Abbitte und
nach Besiegelung des Versprechens mit einem Händedruck war
der Friede wieder hergestellt. Endlich kam der ersehnte Sonn-
tag. Es war ein prächtiger Junitag. Nach der Vesper in
der Pcterskirche spazierten alle fünf, die Meisterin, Tochter |
und Base voraus, Meister und Geselle hinterdrein, zuni Send-
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Das erste Du"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Thema/Bildinhalt (normiert)
Verliebtheit <Motiv>
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 49.1868, Nr. 1210, S. 90
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg