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Wiener Briefe des Herrn Graf aus Pirna.
Von die Konzerte, welche man uns hier in Wien zu
Ehren veranstaltet, kennt ihr euch gar keine Jdeh nicht
machen, liebe Anverwandte u. s. w., weil unsre heimadigen
mußikahlischen Verheltnisse dagegen doch ein bischen gar zu
viel zu winschcn ibrig lassen bleiben. Nein, dieses muß ich
selber gestehen, wie Abends der beriemte Straus mit seinem
grosen Mußikohre von mehr als an die hundert Mann von
allerleihand Streich- und Blaseninftrumende sbielen that, da
fihlte man es ordentlich, wie einen Jeden vor innerlichten
Vergnigen sich die Seele im Leibe auslachte. Wenn man so
was hört, so wäre wohl auch der allerälteste Kerl ein Esel,
wenn es ihn dabei nicht wollte in die Fise juken und kriweln.
Da kann auch selbst der gefihlosigste Mensch recht gut lernen,
was eichentlich ein Walser, ein Galobf oder eine Katerilliche
zu bedeiten hat! Da ist von einen Miston oder von eine
Dacktlosigkeit keine Sbur nicht zu hören und ich habe immer
vor innerlichten Vergnigen ein Bein nach das andre in die Höhe
gehoben. Ich hätte wohl auch lieber selber gerne gleich gedanzt,
aber dazu war kein Blatz nicht, denn wir standen so vollge-
srobft neben einander, daß man sich kaum umrihren kennen that.
Kohle war noch mehr außersicher als wie ich selbst und
ich sah nur, wie er in seine Begeisterung mit dodesverecht-
lichter Lebensgefehrlichkeit eine Seule mehr in die Nähe von
das Ohrschesler erklettert hatte, wo er sich feste hielt und mit
seine Beine nach dem Dakle in der Luft herumbaumeln that.
Ebensowohl ans Aergcrlichkeit als wie aus Freindschaft wollte
ich ihn so eben in eine Bause zurufen, daß er sich von da-
hinunter endfernen sollte, aber in demselben Moamendc rutschte
er mit Blitzschnelligkeit von selber herunter und wie ich mich
nun durch die Menge hindurch wirgte um ihn zu suchen, so
i war er sburlos verschwunden. Da ich nun firchtete, daß sich
Kohle ein Malör zugeftosen haben kennte, so ging ich hinaus
aus den Festblatz, weil dort eine besondre Abtheilung war, ,
wo hinein man die angetrunkenen oder aus eine andre Weise
beschädlichten Schitzenbrider unter streng wistenschaflichten Be-
handlung vor das Festkommitthee niederlegen that. Kohle
befand sich aber nicht mit hierdarunter und mit die schlimm-
sten Befirchtungen machte ich mich aus den Heimweg, welches
allemal wegen die stets übersillten Ohmnibuser seine grose
Schwierichkcit hatte, indem daß man sich nur mit Gewalt-
thätlichkeiten konnte ein Blätzchen verschaffen.
Wer kann sich aber meine Erstaunlichkeit ausmalen wie
ich zu Hause ankomme und sehe daselbst, wie Kohle sich
einen Strausischen Walser vorfeift und dabei mit unsrer
Maffenkwarthierswirlhin gans frehlicht in die Stube herum-
danzen that. Ich machte ihn zwar dieserhalb sehr verbitterte
Vorwirse, er endschuldigte sich aber damit, daß ihm Straus
mit seine Zaubergerge in die Beine gefahren wäre und daß
I er nun lieber gleich die ganse Nacht danzen kennte. Ta es
mir eichentlich auch so zu Muthe war, so schwieg ich stille
und sagte Kohlen, daß er mir nun sollte einmal einen
Strausischen Hobser vorseifen, wodarauf ich unsre Wirthin
ankaschiren und auch mit ihr nach Herzenslustigkeit danzen that.
Es dauerte auch nicht lange, so kamen noch unsre massen-
kwarthierlichten Mitbewohner einer nach den andern an und
jeder wollte einmal mit die Frau Wirthin danzen, so daß
dieselbe zuletzt gans eschofelirt und crschebft Umfallen that,
womit unser imbrosisitirter Schitzenball sein Ende erreichte.
An den andern Abend darauf war groser Festball in
der Festhalle, wo man sich aber vor Ueberfillung höchstens
konnte einer auf den andern seine Hihncraugen bewegen, wel-
ches auch kein besondres Vergnigen ist. Da hatte es mir
auf unfern kleinen Schitzenball bei unsrer Wirthin doch noch
besser gefallen und hierdamit verbleibe ich
Euer gelibter Fetter Graf.
Strategischer Grund.
Generale „Herr Bürgermeister, Sie sagen in Ihrer
Eingabe, daß der Bau einer Wasserleitung für die Stadt aus
Gesundheitsrücksichten nicht länger beanstandet werden könne."
— „Dem ist auch so, das Trinkwasser ist so schlecht, daß es
Krankheiten erzeugt." — „Kann sein, aber genügt nicht, um
einen Bau zu gestatten, welcher durch den Rayon der Festung
führt." — „Aber die Festungsgarnison leidet auch unter diesen
schädlichen Einflüssen des Waffcrs, ebenso wie die Bürger-
schaft." — „Das ist etwas anderes. Dann sagen Sie in
einer neuen Eingabe, der Bau einer Wasserleitung sei aus
strategischen Gründen ebenso nöthig als wichtig, denn andere
Rücksichten gelten bei uns nicht."
Wiener Briefe des Herrn Graf aus Pirna.
Von die Konzerte, welche man uns hier in Wien zu
Ehren veranstaltet, kennt ihr euch gar keine Jdeh nicht
machen, liebe Anverwandte u. s. w., weil unsre heimadigen
mußikahlischen Verheltnisse dagegen doch ein bischen gar zu
viel zu winschcn ibrig lassen bleiben. Nein, dieses muß ich
selber gestehen, wie Abends der beriemte Straus mit seinem
grosen Mußikohre von mehr als an die hundert Mann von
allerleihand Streich- und Blaseninftrumende sbielen that, da
fihlte man es ordentlich, wie einen Jeden vor innerlichten
Vergnigen sich die Seele im Leibe auslachte. Wenn man so
was hört, so wäre wohl auch der allerälteste Kerl ein Esel,
wenn es ihn dabei nicht wollte in die Fise juken und kriweln.
Da kann auch selbst der gefihlosigste Mensch recht gut lernen,
was eichentlich ein Walser, ein Galobf oder eine Katerilliche
zu bedeiten hat! Da ist von einen Miston oder von eine
Dacktlosigkeit keine Sbur nicht zu hören und ich habe immer
vor innerlichten Vergnigen ein Bein nach das andre in die Höhe
gehoben. Ich hätte wohl auch lieber selber gerne gleich gedanzt,
aber dazu war kein Blatz nicht, denn wir standen so vollge-
srobft neben einander, daß man sich kaum umrihren kennen that.
Kohle war noch mehr außersicher als wie ich selbst und
ich sah nur, wie er in seine Begeisterung mit dodesverecht-
lichter Lebensgefehrlichkeit eine Seule mehr in die Nähe von
das Ohrschesler erklettert hatte, wo er sich feste hielt und mit
seine Beine nach dem Dakle in der Luft herumbaumeln that.
Ebensowohl ans Aergcrlichkeit als wie aus Freindschaft wollte
ich ihn so eben in eine Bause zurufen, daß er sich von da-
hinunter endfernen sollte, aber in demselben Moamendc rutschte
er mit Blitzschnelligkeit von selber herunter und wie ich mich
nun durch die Menge hindurch wirgte um ihn zu suchen, so
i war er sburlos verschwunden. Da ich nun firchtete, daß sich
Kohle ein Malör zugeftosen haben kennte, so ging ich hinaus
aus den Festblatz, weil dort eine besondre Abtheilung war, ,
wo hinein man die angetrunkenen oder aus eine andre Weise
beschädlichten Schitzenbrider unter streng wistenschaflichten Be-
handlung vor das Festkommitthee niederlegen that. Kohle
befand sich aber nicht mit hierdarunter und mit die schlimm-
sten Befirchtungen machte ich mich aus den Heimweg, welches
allemal wegen die stets übersillten Ohmnibuser seine grose
Schwierichkcit hatte, indem daß man sich nur mit Gewalt-
thätlichkeiten konnte ein Blätzchen verschaffen.
Wer kann sich aber meine Erstaunlichkeit ausmalen wie
ich zu Hause ankomme und sehe daselbst, wie Kohle sich
einen Strausischen Walser vorfeift und dabei mit unsrer
Maffenkwarthierswirlhin gans frehlicht in die Stube herum-
danzen that. Ich machte ihn zwar dieserhalb sehr verbitterte
Vorwirse, er endschuldigte sich aber damit, daß ihm Straus
mit seine Zaubergerge in die Beine gefahren wäre und daß
I er nun lieber gleich die ganse Nacht danzen kennte. Ta es
mir eichentlich auch so zu Muthe war, so schwieg ich stille
und sagte Kohlen, daß er mir nun sollte einmal einen
Strausischen Hobser vorseifen, wodarauf ich unsre Wirthin
ankaschiren und auch mit ihr nach Herzenslustigkeit danzen that.
Es dauerte auch nicht lange, so kamen noch unsre massen-
kwarthierlichten Mitbewohner einer nach den andern an und
jeder wollte einmal mit die Frau Wirthin danzen, so daß
dieselbe zuletzt gans eschofelirt und crschebft Umfallen that,
womit unser imbrosisitirter Schitzenball sein Ende erreichte.
An den andern Abend darauf war groser Festball in
der Festhalle, wo man sich aber vor Ueberfillung höchstens
konnte einer auf den andern seine Hihncraugen bewegen, wel-
ches auch kein besondres Vergnigen ist. Da hatte es mir
auf unfern kleinen Schitzenball bei unsrer Wirthin doch noch
besser gefallen und hierdamit verbleibe ich
Euer gelibter Fetter Graf.
Strategischer Grund.
Generale „Herr Bürgermeister, Sie sagen in Ihrer
Eingabe, daß der Bau einer Wasserleitung für die Stadt aus
Gesundheitsrücksichten nicht länger beanstandet werden könne."
— „Dem ist auch so, das Trinkwasser ist so schlecht, daß es
Krankheiten erzeugt." — „Kann sein, aber genügt nicht, um
einen Bau zu gestatten, welcher durch den Rayon der Festung
führt." — „Aber die Festungsgarnison leidet auch unter diesen
schädlichen Einflüssen des Waffcrs, ebenso wie die Bürger-
schaft." — „Das ist etwas anderes. Dann sagen Sie in
einer neuen Eingabe, der Bau einer Wasserleitung sei aus
strategischen Gründen ebenso nöthig als wichtig, denn andere
Rücksichten gelten bei uns nicht."
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Strategischer Grund"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 49.1868, Nr. 1214, S. 127
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg