Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
170

Erziehungs-Methoden.

alhmiges Partikelchen oder wie sein Herr Präceptor in Mi-
niatur. So wenig 11 theil auch der alte Herr Baron hatte,
so war ihm doch ne ch Jahresfrist halb klar geworden, daß
auf solche Weise aus Jacöbchen nimmermehr etwas werden
könne. Er faßte sich eines Tages ein Herz und jagte den
gelehrten Herrn Candidaten Himmelschweber sammt seinem
Sacke voll Zeugnissen und Empfehlungsbriefen zum Teufel.

Doch Jacöbchen durfte nicht lange ohne Zucht und Unter-
weisung bleil en. Ein Hauslehrer anderer Art, der Herr
Doctor Erdenkleber, ein flinkes Männlein von keckem Auf-
treten und großem Sclbstbewnßtsein, ward herbcigerufen. Ein
ungeheurer Wagen voll physikalischer Jnstiumente begleitete ihn.

„Realia," rief der Herr Doctor, „nichts als Realia
muß der Junge lernen! Weg mit dem unnützen Zeuge, das
ihn mein Vorgänger gelehrt hat! Ich werde cs ihm wieder
aus dem Kopfe treiben. Auf dem Boden der Natur, auf
dem sichern Boden der Anschauung und Erfahrung soll er
mir bleiben."

Und nun ging's plötzlich an ein Rechnen und Abmessen,
an ein Construiren und Erperimentiren, daß das ganze Haus
nach Zahlen und Gasen roch und dem Barönchen anfänglich
alle Haare zu Berge standen. Da war von keinem Latein
und Griechisch, von keiner Moral und keinem Glauben mehr
die Rede — dies Alles ward bald ganz vergessen — nein!
vom frühesten Morgen bis in den spätesten Abend hinein
hörte man von nichts als Quadratwurzeln' und Dreiecken,
Logarithmen und Kegelschnitten, Stickstoff und Sauerstoff,
Elasticität und Electricität, Magnetismus und Galvanismus;
und vermöge seines biegsamen Kopfes fand sich der Kleine
gar bald in das neue Wesen hinein. Der alte Herr Baron
kam vor freudigem Erstaunen kaum zu sich, als ihm einst
das gelehrte Söhnlcin haarscharf bewies, waruisi ein Ziegel-
slück, das eben vom Dache herab dem Papa auf die Nase
gefallen war, nicht hinauf in den Himmel, sondern nothwcn-
dig gerade auf diese Nase habe fallen müssen.

Indessen sollte die Freude nicht lange dauern. Zwar

konnte das Jacöbchen nun Gerste von Hafer und Zwetschen-
bäume von Kirschbänmen unterscheiden, war aber ein so ab-
sonderlicher Kauz geworden, daß das Gesinde einander zu-
raunte, das junge Herrlein habe einen Sparren zu viel. Be-
merkte er ein schönes Frühlingsblümlein, gleich mußte er es
zum Behuf botanischer Untersuchung zerpflücken; sah er ein
herrliches Kornfeld, gleich mußte er dessen Flächeninhalt zu
ermitteln suchen, und einen schönen Sonnenuntergang konnte
er nicht genießen, ohne sich mit Berechnungen über die dabei
stattsindende Strahlenbrechung abzugeben.

„So darf's nicht länger mehr bleiben," sagte der alte
Baron endlich kopfschüttelnd, „sonst wird mir der Junge noch
ein lebendiges Rechenerempel oder löst sich in Gas und
Aether ans."

In Kurzem ward auch der Herr Doctor Erdenkleber
sammt seinem Wagen voller Apparate höflichst entlassen.

Seine Stelle ward bald von einem luftigen und süß-
duftigen Franzosen, dem Monsieur Galant, ausgefüllt, der
eine Reitpeitsche und eine ganze Bibliothek Romane mitbrachte.

„Wozu die Bßtisen," warf dieser verächtlich hin, „wozu
die Bötisen, welche die Messieurs Himmelschweb und Erden-
klcb gelehrt haben? Das savoir vivre ist es, was ein junger
deutscher Baron braucht, und hierzu werde ich ihn dressiren."

Und nun ging's an ein Französisch- und Englisch-Par-
liren, an ein Tanzen und Kratzfüßeschneiden, daß das junge
Herrchen, welches Alles nur zu wohl begriff, binnen Kurzem
kaum noch einen reinen deutschen Satz und einen ungekün-
stelten Schritt zu Stande brachte. Schulgerechtes Fechten
und Reiten wechselte gar vergnüglich mit einem gründlichen
Unterrichte in Phrasen- und Complimentendrechslerei und einer
höchst sinnreichen Anweisung zum Styl der Liebesbriefe; kost-
bare neumodische Kleider wurden angeschafst, Gesellschaften
und Bälle gegeben, kurz, das ganze sonst so stille Schloß ge-
ricth auf einmal in ein lustiges Leben.

Nun sah Papa die zunehmende Zierlichkeit seines ganz
umgewandelten Sohnes anfänglich mit nicht geringem Ver-
gnügen; bald aber bemerkte er, wie derselbe bei aller Zier-
lichkeit doch ein completer Narr zu werden versprach, der ihm
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Erziehungs-Methoden"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Kommentar
Unterschiedliche Schreibweisen: Erziehungsmethoden

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Schüler <Motiv>
Lehrer <Motiv>
Zukunftserwartung
Unterricht <Motiv>
Sohn <Motiv>
Tisch <Motiv>
Vater
Laborgerät
Bildung
Chemieunterricht
Gesellschaft
Karikatur
Mathematikunterricht
Naturwissenschaften
Wissen
Umgangsformen
Erziehung <Motiv>
Berechnung
Baron
Geometrie <Motiv>
Globus <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 49.1868, Nr. 1220, S. 170
 
Annotationen