Der Schatz.
Kümmerlich sank in die Kniee. Einige Bauern buch-
stabirten auch den Vers heraus und schnell verbreitete sich nun
die unerwünschte Kunde. Tausend „Donnerstag" «nd ,,Go
verdaue mi" durchtönten die sonntägliche Stille. Als sich die
Bewegung wieder ein Bischen gelegt hatte, gestand Jan Gcr-
riets ein, daß er immer seine geheimen Bedenken bei dem
Falle gehabt habe, doch wollten die Bauern dies nicht als
Entschuldigung gelten lassen. Was sollte er jetzt thun, um
seine Ehre zu retten? Nächst Kümmerlich war er der grösste
Missethäter! Er zog sich aber aus der Klemme, indem er
sdgte: „Lat us nu na de lcddcrne Trumpcte gaan und sreet
jo dick und satt, ick will den ganzen Dreck betahlen; aber's
von soo'n Schoolmcster, so'» Snapenlicker van Jung lat ick
mi nich wedder ansmeren." (Laßt uns nun zur ledernen
Trompete gehen und eßt euch dick und satt, ich will die ganze
Geschichte bezahlen; aber von so einem Schulmeister, so einem
Grünschnabel, laß ich mich nicht wieder anführen.)
August Kümmerlich aber schlich nach Haus und ließ
sich den ganzen Nachmittag nicht wieder sehen. Als er sich
Abends zu Bette legte, dachte er an den schönen Spruch:
„Die Nürnberger hängen Keinen,
Sie hätten ihn denn zuvor."
H. Rothe.
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Drte des Fundes und ein lebhafter Meinungsaustausch sand
dort statt, der den Umstand, daß ein Schatz dort vergraben
wäre, vollständig außer Zweifel setzte. Die Glocke schlug am
nächsten Morgen elf, als sich die Torfhausen'sche Phalanr in
Bewegung setzte. Voran zog August Kümmerlich mit der hoff-
nungsvollen Torfjugend, die das schöne Lied „Hinaus in die
Ferne" ertönen ließ, so daß die Hühner und Schweine, die
sich auf dem Wege neugierig blicken ließen, eiligst das Weite
suchten. Den Kindern folgten etwa zwanzig mit Wagen-
deichseln und Schaufeln versehene Männer und den Zug be-
schloß die nöthige Anzahl von Greisen und Weibern mit Säug-
luige». Als man „die lederne Trompete" passirte, spornte
em süßer Geruch von Braten und braunem Kohl die be-
waffnete Macht zu großer Eile und Thatkraft an und bald
befand man sich ans dem Platze bei dem Steine, wohin der
B-^g durch Bretter gangbar gemacht war. Kümmerlich bildete
mit seiner Jugend einen Halbzirkel und unter den Tönen des
Gesanges setzten sich die Schaufeln in Bewegung, so daß auch
die Wagendeichseln als Hebebäume bald ihre Thätigkeit be-
ginnen konnten, um den Stein umzuwerfen. Der große Mo-
ment war gekommen; die Männer spuckten sich in die Hände;
der Gemeindevorsteher zählte „een, twce, dree" und der Coloß
lag umgewälzt. Eine Million von Ameisen, Käfern und
andere Insekten suchten sich, aus ihrer Ruhe cmporgcscheucht,
nach allen Seiten zu retten. Ein Schatz war nicht zu finden,
wohl aber entdeckte Kümmerlich auf der blosgelegten Seite
des Steines wieder römische Lettern, welche zusammengesetzt
den schönen Vers ergaben:
I)at rvard ook 'mal Tied,
Dat ick ligg’ up de auner Sied!
(Eö wird auch 'mal Zeit, daß ich lieg' auf der andern Sei:'.)
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Kümmerlich sank in die Kniee. Einige Bauern buch-
stabirten auch den Vers heraus und schnell verbreitete sich nun
die unerwünschte Kunde. Tausend „Donnerstag" «nd ,,Go
verdaue mi" durchtönten die sonntägliche Stille. Als sich die
Bewegung wieder ein Bischen gelegt hatte, gestand Jan Gcr-
riets ein, daß er immer seine geheimen Bedenken bei dem
Falle gehabt habe, doch wollten die Bauern dies nicht als
Entschuldigung gelten lassen. Was sollte er jetzt thun, um
seine Ehre zu retten? Nächst Kümmerlich war er der grösste
Missethäter! Er zog sich aber aus der Klemme, indem er
sdgte: „Lat us nu na de lcddcrne Trumpcte gaan und sreet
jo dick und satt, ick will den ganzen Dreck betahlen; aber's
von soo'n Schoolmcster, so'» Snapenlicker van Jung lat ick
mi nich wedder ansmeren." (Laßt uns nun zur ledernen
Trompete gehen und eßt euch dick und satt, ich will die ganze
Geschichte bezahlen; aber von so einem Schulmeister, so einem
Grünschnabel, laß ich mich nicht wieder anführen.)
August Kümmerlich aber schlich nach Haus und ließ
sich den ganzen Nachmittag nicht wieder sehen. Als er sich
Abends zu Bette legte, dachte er an den schönen Spruch:
„Die Nürnberger hängen Keinen,
Sie hätten ihn denn zuvor."
H. Rothe.
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Drte des Fundes und ein lebhafter Meinungsaustausch sand
dort statt, der den Umstand, daß ein Schatz dort vergraben
wäre, vollständig außer Zweifel setzte. Die Glocke schlug am
nächsten Morgen elf, als sich die Torfhausen'sche Phalanr in
Bewegung setzte. Voran zog August Kümmerlich mit der hoff-
nungsvollen Torfjugend, die das schöne Lied „Hinaus in die
Ferne" ertönen ließ, so daß die Hühner und Schweine, die
sich auf dem Wege neugierig blicken ließen, eiligst das Weite
suchten. Den Kindern folgten etwa zwanzig mit Wagen-
deichseln und Schaufeln versehene Männer und den Zug be-
schloß die nöthige Anzahl von Greisen und Weibern mit Säug-
luige». Als man „die lederne Trompete" passirte, spornte
em süßer Geruch von Braten und braunem Kohl die be-
waffnete Macht zu großer Eile und Thatkraft an und bald
befand man sich ans dem Platze bei dem Steine, wohin der
B-^g durch Bretter gangbar gemacht war. Kümmerlich bildete
mit seiner Jugend einen Halbzirkel und unter den Tönen des
Gesanges setzten sich die Schaufeln in Bewegung, so daß auch
die Wagendeichseln als Hebebäume bald ihre Thätigkeit be-
ginnen konnten, um den Stein umzuwerfen. Der große Mo-
ment war gekommen; die Männer spuckten sich in die Hände;
der Gemeindevorsteher zählte „een, twce, dree" und der Coloß
lag umgewälzt. Eine Million von Ameisen, Käfern und
andere Insekten suchten sich, aus ihrer Ruhe cmporgcscheucht,
nach allen Seiten zu retten. Ein Schatz war nicht zu finden,
wohl aber entdeckte Kümmerlich auf der blosgelegten Seite
des Steines wieder römische Lettern, welche zusammengesetzt
den schönen Vers ergaben:
I)at rvard ook 'mal Tied,
Dat ick ligg’ up de auner Sied!
(Eö wird auch 'mal Zeit, daß ich lieg' auf der andern Sei:'.)
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Schatz"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 50.1869, Nr. 1232, S. 59
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg