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dB Der Schah.

Sprachlos vor Entzücken über diesen archäologisch sowohl
als pecuniär (denn zweifelsohne war hier ein unermeßlicher
Schatz zu heben) wichtigen Fund, eilte Kümmerlich auf den
Flügeln der Freude seinem Dorfe zu. Welche Gedanken durch-
! zuckten sein Gehirn! „Vielleicht ändert sich jetzt Dein Loos
zum besseren, vielleicht kannst Du jetzt Deinen Lieblingsgedan-
ken, zu studiren, verwirklichen und dieses Alles geschieht nur
durch Dein Steckenpferd, die Botanik, die Du nur so stief-
mütterlich behandeln konntest!" Freudig erregt trat er in die
Dorfschenke „zur ledernen Trompete" mit dem Entschluß, heute
einmal ein Paar Grote seinem Vergnügen zu weihen und
seinen Fund an geeigneter Stelle mitzutheilen. Um den Herd
versammelt fand er verschiedene Eingeborne, den Gemeinde-
vorsteher Jan Gerriets mit seinem Sohne Gerriet Janssen,
den Dorfschneider Knoop, die Bauern Habersack, Jan ga to
und verschiedene Andere, die weniger in den Vordergrund un-
serer Geschichte treten. Die Gesellschaft, die Pfeife im Munde
und den Krug mit ,,Heet und Söt" am Torffeuer, hatte sich
bis dahin mit Stillschweigen und Ausspucken, oder höchstens
mit einzelnen Bemerkungen in Lapidarstyl unterhalten.

„Go'n Abend," grüßte Kümmerlich.

„Ook go'n Abend!" (Auch guten Abend!) erwiedcrten
unterschiedliche unartikulirte Baßstimmen.

! Kümmerlich setzte sich in die Reihe der Autochthoncn und
sing bescheiden mit Gerriets an 31t sprechen.

„Wat iS bat woll för’it groten Pluck, dar midden in
de Haid?" sagte er.

„Weckeen?" (Welcher?) fragte Gerriets.

„De grote Steen, de dar achter Ecren Haidplacken liggt,"
erwiederte Kümmerlich.

„Ja, wat is dat? Das'n Steen!"

,,Dat heww' ick sehn, aber's wo kann de dar woll hcn-
l kamen wesen? Hewwt ji cm dar vielicht henschlepen?"

,,Nü," sagte Gerriets, „ick heww' cm dar nich hensett',
aber's ick weet woll, dat min Grotvadcr mi faken (oft) vcr-
telldc, dat de dar all lange legen harr und he muß ook nich
! wo he dar henkamen weer. Ick heww' mi dar ook nich füdder
j umrögt (gerührt); Torf kunn ick dar jo doch nicht van malen."

Jan Gerriets that »ach dieser Geistesanstrengung einen
kräftigen Zug aus seiner Kanne, um sich wieder in die frühere
Gemüthsstimmung zu versetzen. Kümmerlich ließ sich durch
diese Antwort nicht cntmuthigcn, sondern theilte in längerer
^ Diebe seine Entdeckung mit, die denn auch nicht verfehlte, bei
den Bauern einige Gemüthsbewegnng hervorzurufen. Die
Unterhaltung wurde lebhafter; der Schneider Knoop theilte
jetzt auch einige Bemerkungen mit, die darin bestanden, daß
er irgendwo einmal gehört habe, das; vor langer langer Zeit
mitten in der Haide ein Bauer gewohnt habe, der sich mit
Seinesgleichen gar nicht .abgegeben, nebenbei aber im Gerüche
unermeßlichen Reichthums gestanden habe. Später sei er auch
einmal gestorben, habe aber an Baarcm gar nichts hinter-
lassen; cs sei nun gar nicht unmöglich, daß er seinen Schatz
irgendwo vergraben und dazu gerade die Stelle gewählt habe,
wo der Stein liege. Ja, so oft er denselben von Ferne habe

liegen sehen, hätten ihn dunkle Ahnungen beschlichen. Nun
gestand auch Jan Gerriets, daß der Stein ihm auch eigent-
lich nie ganz gleichgiltig gewesen sei: Mangel an Zeit und
«in bischen Geschicklichkeit, die Gräben zu überspringen, hätten
ihn immer abgehalten, den Gegenstand näher zu betrachten.
Darauf hüllte er sich in seine amtliche Würde und ricth vor-
erst tiefes Stillschweigen; dann kündigte er der Gesellschaft
an, daß er morgen wegen dieser Sache eine Gemcindcversamm-
lung berufen und daß er sich jetzt zum Orte der Entdeckung
begeben werde. Er leerte hierauf seinen Krug mit „Hcet
und Söt", setzte noch einen „lütjen Klaren" darauf und ver-
ließ mit einigen Bauern das Haus. Ani nächsten Tage lief
durch das Dorf das Gerücht von dem wichtigen Ereignis; und
daß am Nachmittag dieserhalb eine Gemeindeversammlung ab-
gehalten werden sollte. Am Morgen sah man Jan Gerriets
mit dem Schneider Knoop auf seinem Gehöft sitzen, als
Kümmerlich zu ihnen trat und die Mittheilung machte, daß
er bereits calligraphisch schön und wohlstilisirt einen Bericht
über den Fund an das großhcrzogliche Amt abgefaßt habe.
Dies rief eine allgemeine Indignation bei den beiden Herren
hervor und Jan Gerriets ergriff das Wort und theilte seine
Gedanken mit: Sie, die Gemeinde, könne allein ebenso gut
mit der Vermöbelung des zu findenden Geldes klar werden,
als die Regierung; er habe schon seine Pläne gemacht! Fünfzig
Thalcr sollte Kümmerlich von vornherein als Urheber des
ganzen Glückes haben; fünfzig Thaler sollten für ein herr-
liches Mittagsmahl in der „ledernen Trompete" zu Gunsten
der männlichen Gemeindimitglieder verausgabt werden; fernere
fünfzig Thaler sollten verkegelt werden, die er, dachte er, als
sirer Kegeler doch gewinnen werde. Der Rest sollte unter die
Gemeindemitglicder verthcilt werden. Kümmerlich, bei dein j
Gedanken an seinen plötzlichen Reichthum ließ sich 0011 Ger-
riets gesundem Urtheil bald überzeugen, daß der einzuschlagende
Weg der von Gerriets angedeutctc sein müsse, und beantragte
nur noch, Gerriets möchte befürworten, daß die Ausgrabung
des Steines zu einer Art Feier erhoben werde, dadurch, daß
er mit der Schule den Zug, Lieder singend, eröffnen dürfe.
„Dat will ick woll kriegen, dat kann woll angaan!" erwi-
derte ihm der Gemeindevorsteher und die Männer trennten
sich, um ihre betreffenden Mittagsmahle in Sicherheit zu
bringen. Am Nachmittage war die Gemeinde vollzählig ver-
sammelt. Jan Gerriets gebar seine Rede, die die Männer
von dem reichen Funde und der Art und Weise, wie die
Sache arrangirt werden sollte, in Kenntniß setzte. Bei den
Worten: „der Rest soll an die Gemeindcmitglieder vertheilt
werden", erhob sich unter den Anwesenden ein Gemurmel un- j
endlicher Befriedigung; auch die Idee des Mittagessens fiel
auf durchaus fruchtbaren Boden und es brauchte nur noch
beschlossen zu werden, wann die Erpedition unternommen wer-
de» sollte. Dazu wurde der folgende Tag, ein Sonntag,
erkiest; >mch Beendigung des Gottesdienstes sollte der Zug
von der Kirche aus sich in Bewegung setzen. Der Sonn-
abcndnachmittag war im Dorfe ein recht lebhafter; fortwährend
zogen Männer und Greise, Weiber und Kinder hin zu dem
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