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Fliegende Blätter — 55.1871 (Nr. 1355-1380)

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Die Weihnachtsglocken.

Feinde gemacht!" Es mochte mit der Beschuldigung, die Klaus
dem Jäger entgegenwarf, einigermaßen seine Richtigkeit haben,
denn dieser war sichtlich blässer geworden und schaute in wortloser
Bestürzung den gefährlichen Gegner an.

Diesem aber war des Jägers Schreck und Bestürzung nicht
entgangen und höhnisch fuhr er fort: „Ja, mein Freund, such'
Tu Dir nur immer anderswo ein Unterkommen, hier mit der
Försterei ist's nichts, dafür steh' ich Dir, und nimm Dir die
Lehre daraus, Dich nicht in ander' Lcut's Sachen zu mischen und
Dein böses Maul hübsch im Zaum zu halten!" Eine ticfdunkle
Röthe flammte in des Jägers Gesicht aus. Daß dieser kaltherzige
Mensch die kleinen Regelwidrigkeiten, zu denen ihn Liebe und
Mitleid verführt, benutzen wolle, ihn nm die ersehnte Förster-
stelle zu bringen, das erfüllte sein Gemüth mit wildem Ingrimm.
Er stand einige Augenblicke mit seiner Wuth kämpfend und
ringend, dann riß er die Armbrust von der Schulter, im Nu
war sic gespannt, aus der Tasche der scharfe Bolzen geholt und
indem abermals die Blässe tiefer Erregung über das Gesicht
des jungen Mannes zog, rief er heiser : „Gott verzeih' mir s!
aber ich glaube, die Sünde ist so groß nicht, wenn ich den
Buben aus der Welt schaffe und niederschicße wie einen tollen
Hund! Du sollst mir und denen da länger nicht schaden!"

Schon hatte er den Kolben der Armbrust an der Wange
zum Schüsse, da warf sich .Katharine, die alsbald laut schreiend
herzugestürzt war, zwischen die Gegner und die Arine weit aus-
gebrcitct, wie zum Schutze des Bedrohten, ries sic jammernd:
„Franz. Franz! nm der heiligen Mutter Gottes Willen! Was
: willst Du thnn? Lass' ab, lass' ab!"

Der Jäger war augenblicklich zur Besinnung gekommen,
langsam hatte er die Waffe gesenkt, immer tiefer hinab, daß
. der Bolzen aus deni Laufe siel und in den Fußboden spießte.

O

Tief aufseufzend murmelte er vor sich hin: „Hütt'st Du mich
machen lassen, Käthe! es wäre am besten gewesen für uns Alle!" !

Mit aschgrauem Gesicht stand der furchtbar erschrockene
Klaus und bebte an allen Gliedern; doch hatte er sich bald
wieder so weit gefaßt, daß er mit dumpfer erregter Stimme
sagen konnte: „Schöne Geschichten das! Mordanfall! und auf
den Richter! gehört d'riun in der Stadt vor's Halsgcricht!
Na, ich will gch'n, da man hier seines Lebens nicht sicher ist!"
D'rauf schritt Klaus der Thürc zu und an dem Jäger vorüber
mit der ängstlichen Scheu, wie man vor einem bissigen Hunde
vorbei eilt, das Gesicht nach dem Gefürchteten gerichtet, und
verließ, als er glücklich vorüber war, eilends das Gemach.

„Vater, wenn der Oheim den Herrn Procurator beredet
uns zum Schaden, können wir denn nicht auch reden mit den
hochwürdigen Herren?" hob Katharina an, und ans des Mäd-
chens verweintem Angesicht leuchtete ein freudiger Math. „Ich
werde hingehcn, ich will cs ihnen sageik, Alles, wie es ist, und
will sie bitten, daß sie uns Frist geben wenigstens bis zum Früh-
jahr und uns nicht Heraustreiben mitten im harten Winter!"

„O Du mein Gott!" rief Bcrndt muthlos, „wo denkst !
Du hin, Käthe! Wie soll denn Unsereins bis vor die hoch-
würdigen Herren kommen, und glückte das auch, was wolltest
Du dann sagen? Du würdest cs doch nicht heraus bringen!
Nein, das ist nichts für uns arme Leute!"

„Warum nicht?" erwiderte Katharine in fester Zuversicht.
„Ich denke, ich könnt' cs ihnen doch sagen, gerade so, wie
mir's um's Herz ist!"

„Käthe, Käthe!" mahnte die Mutter, „das denkst Tu !
Dir jetzt so, aber hernach, wenn Du vor ihnen stündest, wür-
dest Du doch den Muth nicht haben!"

„Ich will die heilige Mutter Maria bitten, daß sie mir !
Muth iu's Herz gibt und die Worte in den Mund, die ich
brauche!" entgegnete in unerschütterlicher Zuversicht Katharine.
„Ich will gehen, Mutter, will cs ihnen sagen. Und weil mir
freilich ein wenig Angst ist, wie ich's wcrd' ausrichtcn mögen,
so will ich nicht lang zaudern und mich viel bedenken, sondern
gleich ivill ich gch'n! Heut' am heiligen Christfest werden sic
mitleidige Herzen haben, und das Christkindcl könnt' ich ohnehin
jetzt nimmer singen, das Herz ist mir gar zu voll und schwer!"

„Jetzt? jetzt gleich willst Du hinüber?" rief angstvoll die
Mutter, „allein durch den Wald? Und willst wohl gar heut'
noch zurück? Um Gottcswillcn, nein! Die Wölfe draußen sind
jetzt gar schlimm! Ist nicht Scibts Nazzi zerrissen worden mit-
ten aus den Kindern heraus und das war auf dem Weg nach
der Stadt? Und Du willst hinüber in den Wald? Nein, Käthe,
das lass' ich nimmer zu!"

„Nein!" rief nun der Jäger dazwischen, „Du darfst allein
nicht hinüber, das geht nicht! Das lass' ich nimmer zu! Mußt
Du durchaus hi», so wcrd' ich Dich begleiten. Und in der
Nacht darfst Du mir nicht zurück."

„Gut, Franz," erwiderte die Entschlossene, „so gehen wir
zusammen, dann Mutter brauchst Du Dich nicht zu ängstigen.
Und drüben Enderlins, in der Schaffncrci unten, die geben mir
'' schon Herberge. Da geh' ich morgen früh mit ihnen hinauf
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Weihnachtsglocken"
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Serientitel
Fliegende Blätter
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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Barth, Ferdinand
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Mann <Motiv>
Jesuskind
Verkleidung <Motiv>
Armbrust
Junger Mann <Motiv>
Jäger <Motiv>
Armut
Glocke
Karikatur
Reichtum
Weihnachten
Frau <Motiv>
Familie <Motiv>
Junge Frau <Motiv>
Bedrohung <Motiv>
Notlage
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
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Fliegende Blätter, 55.1871, Nr. 1377, S. 178
 
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