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Die Hochzeitreise.

die junge Frau. „Mein schöner Hut! Er ist jedenfalls ver-
dorben."
„Dann kaufe ich Dir in Homburg einen neuen!"
„Damit ist mir nicht gedient, der Hut war direkt aus
Paris gekommen. Ich weiß wohl, es ist absichtlich geschehen,
um mich zu ärgern. Du willst mir am ersten Tage zeigen, daß
ich Dir unterthan sein soll, aber ich mache einen Strich durch
Deine Rechnung, ich mag Deine Sclavin nicht sein."
Franz schüttelte den Kops, er versuchte, ihre Hand zu
fassen, sie entzog sie ihm.
„Du schiebst mir wirklich Absichten unter, an die ich nicht
im Entferntesten gedacht habe", sagte er. „Wenn ich Unrecht
gethan habe, Dich warten zu lassen, dann bedaure ich sehr, daß
es geschehen ist. Dein Bruder wird mir bezeugen, daß ich nicht
so ungalant sein durfte, Fräulein Sommer —"
„Ich weiß, was ich weiß", unterbrach Elise ihn kühl,
„aber ich will schweigen."
Sie nahm ihren Hut ab und lehnte ihr schönes Köpfchen
^ in die gepolsterte Ecke.
Franz biß sich auf die Lippe, er ward plötzlich irre an der
Liebe dieses Wesens, welches er mehr liebte, als sich selbst, und
welches ihm so oft gesagt hatte, daß es nicht leben könne,
ohne ihn.
Was sollte er nun thnn? Um ein freundliches Wort betteln?
^ So lange um Verzeihung bitten, bis ein Lächeln diese trotzig
geschlossenen Lippen wieder öffnete?
Dagegen empörte sich sein Stolz, er war sich keines Un-
rechts bewußt, auch in seiner Seele war der Trotz cmporgekcimt
und jetzt schoß er lustig auf, jedes bessere Gefühl erstickend.
Auch Franz legte den Kopf zurück, bereit, beim ersten
freundlichen Wort ihr ein heiteres Gesicht zu zeigen, aber auch
fest entschlossen, nicht nachzugeben, bis ihr Trotz gebeugt war.
So saßen die Beiden schweigend eine lange Zeit einander
gegenüber, beide mit ihren Gedanken beschäftigt, und als nun Franz
sich wieder der Champagnerflaschc erinnerte, als er im Geiste wieder
das Gesicht der entsetzten Dame sah, da konnte er nicht mehr
an sich halten, wenn es sein Leben gekostet hätte, er mußte lachen.
Was aber war natürlicher, als daß die gereizte junge
Frau dieses Lachen auf sich bezog, es für den Ausbruch einer
triumphirenden Freude hielt?
„Auf Lachen folgt Weinen", sagt das Sprichwort, und
hier bewährte es sich in der That insofern, als Elise sofort
in ein krampfhaftes Schluchzen ausbrach.
Jetzt hielt Franz es für seine Pflicht, seine Gattin zu
trösten und zu beruhigen, aber er hatte sie zu tief beleidigt, seine
Worte konnten die Wolken nicht verscheuchen, welche die Sonne
des Glücks verhüllten.
Seinen Fragen und Bitten setzte sie hartnäckiges Schweigen
entgegen, als er den Versuch machte, sic zu umarmen, stieß sie
ihn zurück. Das war nun freilich nicht geeignet, seine versöhn-
lichen Gesinnungen zu befestigen, er wußte endlich nichts Besseres
zu thun, als eine Cigarre anzuzünden und einen Monolog über
die Launen der jungen Frauen zu halten.
Aber auch dieser Monolog änderte nichts; als nach einer

langen Fahrt der Zug in Frankfurt am Main hielt, war das
Eis noch nicht gebrochen, im Gegentheil, man konnte behaupten,
die Eiskruste sei nur noch dicker geworden.
Franz übergab seinen Gepäckschein einem Bahnbeamten
und miethete einen Wagen.
Die junge Frau stieg ein, sie sprach kein Wort während
der Fahrt, sie öffnete erst im Hotel ihre hübschen Lippen, um
den Kellner zu beauftragen, ihr ein besonderes Zimmer anzu-
weisen. Franz fühlte, wie das Blut ihm in den Kopf schoß,
aber er schwieg, im Beisein des Kellners wollte er keinen Auf- ,
tritt herbeiführen.
Er ging in sein Zimmer und wanderte hier rathlos auf
und ab, schlafen konnte er nicht, das Blut wallte zu stürmisch
in seinen Adern.
War es denn wirklich wahr, daß Elise ihm vor wenigen s
Stunden noch gesagt hatte, er sei ihr das Liebste auf Gottes
Erde?
Nein, sie hatte ihn getäuscht, betrogen, und nun war der
erste Schritt in's Elend geschehen, der nicht mehr rückgängig
gemacht werden konnte. Nach und nach beruhigte sich das Ge-
müth des jungen Mannes; Elise mußte ja zur Einsicht kommen,
es war undenkbar, daß sie ihr Unrecht nicht einsehen sollte!
Die Stunden verstrichen, Franz bestellte das Frühstück
und verfügte sich in das Zimmer seiner Gattin, dessen Thüre ^
erst nach langem Pochen ihm geöffnet wurde.
„Laß Alles vergessen sein", sagte er in versöhnendem Tone,
indem er ihr die Hand bot, „es ist lächerlich, sich solcher Lappalien
wegen gram zu sein."
Elise wandte ihm schweigend den Rücken.
„Das Unrecht ist auf beiden Seiten", fuhr der junge
Mann fort, „aber dieser Vorfall soll uns eine Lehre sein. Und
nun sei wieder lieb und schmolle nicht länger."
Das junge Weibchen zuckte die Achseln; diese Geberde
des Trotzes und der Geringschätzung brachte das Blut des
Ehemannes in Wallung.
„Wenn Du aber Dir vorgenommen hast, mir diese Reise
zu verderben, so werde ich sofort umkehren", sagte Franz er-
bittert. „Mögen dann unsere Verwandten und Freunde denken,
was sie wollen, ich habe keine Lust, mich durch Launen tyranni-
siren zu lassen."
„Gut, reisen wir augenblicklich zurück", erwiderte Elise
trotzig, und sofort begann sie die umherliegenden Kleinigkeiten
cinzupacken.
„Aber Schaß, uns're Wohnung ist ja nicht in Ordnung!"
warf Franz bestürzt ein.
„Ich werde bei meinen Eltern wohnen."
„Das wäre gleichbedeutend mit der Klage auf Ehescheidung."
„Darein würde ich mich auch fügen."
„In Gottes Namen, wenn Du nicht anders willst."
„Ich habe den Vorschlag nicht gemacht."
„Wohlan, so wollen wir denken, er sei überhaupt nicht j
gemacht worden", sagte Franz einlenkend.
„Er ist gemacht, und ich nehme ihn an", entgegnete Elise
eigensinnig, „mit dem nächsten Zuge fahre ich zurück, Du kannst

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