Fliegende Blätter (6.1847 (Nr. 121-144))

Amerikanische Briefe.

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20 Fuß im Durchmesser mißt, so ist die erzielte Räumlichkeit,
Gottlob! vollkommen ausreichend für eine mäßige Familie.
Die Bäume wurden insgesammt in zwei Stockwerke eingetheilt,
von denen das erste immer zehn Fuß über dem Erdboden liegt,
und mithin nicht dem überraschenden Besuch der zudringlichen,
in der Nähe vagabundirenden Bestien ausgesetzt ist. Zu dem
Eingänge steigt man auf einer Strickleiter, und ist folglich in
den Wohnungen, Gottlob! vor allen Bestien und Viechern
sicher. Aus dem ersten Stock gelangt man auf einer, im Innern
gehenden Treppe in den zweiten, wobei denn auf Beguemlich-
I (eit und Zweckmäßigkeit durchweg die erforderliche Rücksicht
genommen ist.

Der Ueppigkeit der amerikanischen Pflanzenwelt habe ich
schon erwähnt, nicht aber noch der Mannigfaltigkeit derselben,
und vor dieser ist uns, Gottlob! der Verstand stille stehen ge-
blieben. Folgendes wird Ihnen, lieber Herr Vetter und Kollege,
einen Begriff verschaffen. Die zu Wohnungen hergerichteten
Bäume dienen nämlich gleichzeitig zur Befriedigung unserer
gewöhnlichen Lebensbedürfnisse; sie treiben und blühen fort,
und das liebe tägliche Brod wächst uns. Gottlob! recht eigent-
lich zum Fenster herein. Und was wächst hier nicht Alles?!
Die verschiedenartigsten Früchte, von denen uns ein guter Theil
durch ihren Geschmack an manches Gericht der theuern Heimat
erinnern, wie z. B. an Dampfnudeln, Speckknödel, Leberwurst rc.
Des Nothwendigen und des Angenehmen haben wir in Hülle
und Fülle, und zum vollständigen Genuß des Lebens geht uns
eigentlich nichts ab, als der tägliche Empfang der Augsburger
Allgemeinen Zeitung. Gottlob! ja, Gottlob!

Daß sich die verfluchten wilden Bestien häufig wochenlang
unter unfern Bäumen herumtreiben und uns dadurch das

Heruntersteigen unmöglich machen, hat gewiffermaßen seine
Unannehmlichkeiten, und könnte mich in meiner Würde als
Bürgermeister wohl eines Ta ges veranlassen, mich in Gemein-
schaft mit dem Gensdarmen Hetzel ernstlich darein zu legen,
denn im Grunde ist dies ein Unfug, und Ordnung muß sein;

welches Land hat aber nicht seinen Unfug und seine Unannehm-
lichkeiten? und die uns hier heimsuchenden sind. Gottlob! am
Ende doch noch erträglich. Unsere sämmtlichcn Bäume haben
wir durch hoch schwebende Brückensteege verbunden und auf
diesem Wege verkehren wir den garstigen Bestien zum Trotz
ungehindert mit einander; dann holt jeder von dem Baume des
Nachbars, was er eben braucht, und. die wilden Viecher haben,
Gottlob! das bloße Zusehen. An nistenden Vögeln fehlt
es auf unfern Bäumen auch nicht, so daß wir an frischen
Eiern und Geflügel keinerlei Mangel haben; desgleichen ist
auch der an unfern Bäumen vorüberfließende Rio grande an
Schildkröten, Stockfischen und vielen andern Fischen, Gottlob!
überreich, die wir, wenn sie anbeißen, mit unfern Angeln vom
Fenster aus fangen können.

Sie sehen demnach, daß wir ein beneidenswerthes Leben
führen, und Sie können in der Thal nichts Befferes thun, als
ohne Säumen die Heimat verlassen und zu uns stoßen. Bäume
zum Wohnen gibt es noch von allen Arten, und, Gottlob!
auch noch zahmes Vieh genug, und wenn Sie und die andern
Freunde hier eintreffen, so gibt es ja von selbst noch mehr.

Also kommen Sie bald und bis dahin herzlichen Gruß
von Ihrem Sie innig liebenden

Vetter und Kollege

Kampe, Bürgermeister

P. 8. So eben streifen wieder einige verfluchte wilde Bestien
unter unfern Bäumen herum. Die verzögerte Absendung dieses
Briefes wollen Sie sich also auf natürliche Weise erklären.
Diese Bestien haben einen verteufelt hartnäckigen Charakter
und gehen wochenlang nicht von der Stelle. Gottlob! daß ich
Bürgermeister und der Hetzel Gensdarm; es dient dies doch
zur Beruhigung der Gemüther. Gottlob! ja, Gottlob!

Lampe, Bürgermeister.

(Fortsetzung folgt.)