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Fliegende Blätter — 6.1847 (Nr. 121-144)

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https://doi.org/10.11588/diglit.2128#0022
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Die Meerbraut.

18

Mains ward ich geboren, die ich wohl nie Wiedersehen werde,
j bis" — hier erhob er seine Stimme mit gewaltiger Kraft,
„bis ich als Fürst, an der Seite meiner fürstlichen Gemahlin
einziehen werde durch die Thore meiner Vaterstadt!"

Mit stolzen Blicken blickte er bei diesen Worten aus uns
herab, die wir mit Verwunderung den alten, dürftig gekleideten
Mann anstaunten.

Nach einer Pause suhr er sort: „Sie sehen mich ftagend an,

! können mich nicht begreifen...? So hören Sie meine Geschichte.
Doch nicht hier, denn ich bin müde, und der Ruhe bedürftig."

Mit schnellen Schritten ging er uns voran, bog um eine
Ecke, und trat mit einer einladenden Bewegung der Hand in
ein niedriges, ärmlich aussehendes Häuschen.

Neugierig folgten wir ihm, und kamen durch einen dunklen
j Gang in ein kleines, von dem würzigsten Hauche durchduftetes
Gärtchen, in dessen Mitte ein dünner, vom Mondlichte zu
! flüssigem Silber verwandelter Wasserstrahl mit melodischem
Plätschern sich in ein von Epheu und üppigen Schlingpflanzen
umranktes, halbzerbrochenes Marmorbassin ergoß.

Die Hintere Seite des Häuschens war von Weinreben dicht
umlaubt, und drei bis vier Orangenbäume prangten im schönsten
Schmucke mir Blüthe und Frucht. Der Boden war mit. wild
j wucherndem Unkraute bedeckt, und in einem Winkel bildete ein
mächtiger Rosenstrauch eine natürliche Laube. Hier nahmen
wir Platz. „Theresa, Theresa! vino!“ rief der Alte mit
donnernder Stimme.

Aus diesen Ruf erschien eine alte Frau, welche durch unsere
Anwesenheit höchlich überrascht schien.

„Vino!“ wiederholte der Alte.

Die Frau zog ihn bei Seite, und nach kurzer Unterredung,
welche von ihrer Seile mit sehr lebhaften Gestikulationen ge-
führt wurde, entschulvigte er sich bei uns, mit verlegener Miene,

daß die nachläßige Theresa den Wein im Keller bis aus die
letzte Flasche habe ausgehen lassen.

„Dem ist leicht abzuhelfen!" riefen wir, drückten der Alten
einige Münze in die Hand, woraus sie schnell sorteilte, und
bald mit einigen Flaschen Orvieto zurückkehrte.

Der Gläserklang mischte sich mit dem Plätschern der Fontäne,
und des Alten Auge leuchtete im wundersamen Glanze, als
der Feuerwein durch seine Kehle strömte.

„3a!" Hub er an, „es ist ein herrliches Land, wo diese
Trauben reifen, ein Land der Liebe und der Wunder!

Lange ist es her, daß ich über die Alpen pilgerte, das
Ideal suchend, das ich tief in meiner Brust trage; und bald
wird cs mir verkörpert entgegen treten, wenn ich den bösen
Zauber zerstört habe, der es gebannt in die niedrige Gestalt
eines Hundes."

„Schweigt doch, lieber Herr," rief hier Theresa dazwischen,
„und belästigt nicht die fremden Cavaliere durch euer tolles
Gerede."

Mit einer abwehrenden Handbewegung gebot er der Alten
Stillschweigen, und sprach weiter:

„Bin ich denn nicht zu Gleichem ausersehen wie Jener,
der wie ich, ein Fremdling, lebte in dieser Stadt, und aus dem
Meere sich die Braut geholt, und den Fürstenhut? Hatte nicht
derselbe Zauber die Fürstenmaid verwandelt in ein schnödes
Bologneserhündchen? War nicht der Spruch des Schicksals
der, daß: wer das Hündchen retten würde aus den Fluthen
des Meeres, ihre Hand mit Land und Leuten erhalten solle,
und ist der Jüngling, welcher kühn sich dem Hündchen nach-
stürzte in die dunkle Tiefe, nicht zurückgekehrt mit einem
wunderherrlichen Frauenbild in den Armen? — Mir ist ein
Gleiches beschieden. Wie er werde eines Tages ich austauchen
aus den Fluthen, in den Armen meine holdselige Braut!"

Hier hielt der Alte erschöpft inne, und eine längere Pause
trat ein, in welcher wir bald ihn, bald Theresa mit neugierig
fragenden Blicken betrachteten. Letztere schüttelte wehmüthig
den Kopf, und bedeutete uns mit einem sehr verständlichen
Zeichen, daß Italiens heiße Sonne einen verderblichen Einfluß
aus des Alten Verstand geübt.

„Seit langen Jahren," begann dieser wieder, „seit langen
Jahren, arbeite ich unabläßig an der Entzauberung meiner
Prinzessin. Alles habe ich ertragen, Kummer und Noth, im
glühenden Sonnenbrand und im ärgsten Sturmestoben wandle
ich den Strand entlang, und werfe jeden Hund in das Meer,
in der Erwartung, daß die Berührung mit dem gewaltigen
Elemente den bösen Zauber lösen soll, aber — vergebens!
Die Stunde ist noch nicht va, und die Zeit noch nicht gekom-
men, welche des Schicksals unerforschlicher Schluß dem großen
Werke bestimmt har! — Sie höhnen mich, sie versvotten mich,
sie schelten mich einen Narren — immerhin! Je mehr ich zu
erdulden habe, desto herrlicher wird mein Lohn sein, wenn einst
die Braut dem Meere entsteigt, der Fürstenmantel von meinen
Schultern wallt, und alles Volk, was jetzt mich verlacht, in
knechtischer Demuth vor mir in den Staub sinkt!"
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Meerbraut"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Stauber, Carl
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Mann <Motiv>
Laube
Trinken <Motiv>
Dienstmädchen <Motiv>
Ältere Frau <Motiv>
Gespräch <Motiv>
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 6.1847, Nr. 123, S. 18
 
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