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Sultan.

so

betroffen — aber es traf des Gesetzes Ansehen! Und so halt'
ich's. Friedlich bin ich und zu leichter Sühne sehr geneigt,
ja zahm bei starker Kraft, wie der Löwe da zur Seite — aber
gilt's des Ganzen Wohl — so reizt Ihr mich — und Löwe
wird der Löwe sein!"

„Und wenn man dem Grafen einen Wink gäbe?" sprach
der Pater nach einer kleinen Weile.

Der Herzog sah ihn befremdet an.

„Zum edlen Entschluß ihn zwingen?" sagte er. „Nein,
das ist kein Weg."

„Ihr habt wohl recht, hoher Herr," versetzte Jener bedeu-
tungsvoll. „Der ist allein alles Preises Werth, welcher gute
Thal vornimmt, ohne daß er zu viel gedrängt wird."

„So meint Ihr?" — sprach Albertus. Ein leichtes Roth
blitzte über seine Wangen. Er sah den Pater wieder recht fest
an und verfolgte seinen Pfad aus und ab im Gemache.

„Also wieder keine Hoffnung?" sagte der ehrwürdige Herr
halblaut.

„Ei, was Ihr doch drängt," fiel der Herzog rasch ein.
„Ich weiß nicht, warum Ihr Euch gar so sehr des Grafen
von Haag annehmt. Es find doch noch mehr böse Gesellen
in den Thürmen, die's Alle mit ihm gehalten. Was fleht
Ihr denn nicht für die?"

„Die gingen ja wohl mit in den Kauf" — enlgegnete
Jener vertrauensvoll.

„Sonst nichts ?" sprach Albertus. „Das kömmt immer besser!"

„Besser? Gewiß kömmt eS besser, als Ihr denkt, gnädigster
Herr," sagte Pater Canifius mit Wärme — „wenn Ihr Euch
auch ihrer erbarmt! Lindert ihr Schicksal nach Kraft, fie werden
Euere treuen Diener sein. In den Eisen verfinstern sich ihre Ge-
müther, das ist der Laus der Welt, aber wenn Ihr großmüthig
seid, freuen fie fich Eurer, und tragen Dank im Herzen. Wär's
auch nur des Nutzens wegen, möchtet Ihr also schon klug han-
deln, fie zu befreien, denn jeder Arm, der ein Schwert führt,
ist nicht zu verachten in heutiger Zeit — aber — noch ein
Anderes könnt' Euch zur Großmuth führen. Euere eigene Seele
wird große Freude empfinden! Denn Ihr werdet nicht vergessen,
wie Ihr mancher Gattin und vieler Kinder Schmerzensthränen
vertilgt — und wie Euch jede solche Thräne zur Perle erwächst
in der himmlischen Krone, die die Gerechten tragen — wenn
fie Vergebung im Herzen aufkommen ließen."

Der Herzog hemmte die raschen Schritte. „Wenn sie Ver-
gebung im Herzen aufkommen ließen" — sagte er — „und
sonst nicht, Herr Pater?"

„Sonst nicht, hoher Herr" — entgegnete der Pater ernst
und bestimmt.

Albertus schwieg einen Augenblick. Sichtlich kämpfte es
in seiner Brust. „Ihr rückt mir des Himmels Strafgericht
recht derb vor die Nase!" sprach er. „Zu gering ist meine
Tugend, als daß ich Gottes großen Lohn verdiente. Aber so
er mir einen zudächte — des Grasen von Haag und seiner
Genossen halber möcht' ich ihn kaum verlieren — ließ' ich sie
j auch noch eine Zeit im Thurm am Thiergatten fitzen und den
! anderen Verließen-doch mag es sein!"

Er ttat an den reichgeschnitzten Wandschrank und nahm
einen Brief heraus. Flüchtig überlas er ihn — einige Bitterkeit
spielte um seine Lippen. Auf einer Stelle schien sein Blick zu
haften — da mochte der Gras nicht viel Liebes geschrieben haben.
Dann zettiß er den Brief, ging zum Tisch und ergriff die Feder.

Der Pater stand in freudigster Aufregung.

Albertus nahte sich ihm und sprach: „Hier der Befehl zur
Freilassung des Grasen. Geht hin, Ihr habt es durchgesetzt.
Morgen zu frühest mögt Ihr ihm seine Freiheit ankündigen
und sein Schwert zurückgeben. Sein Roß steht bereit, da mag
er noch einen guten Ritt zur Heimath thun am selben Tag —
vorerst soll er aber den Thurm noch wohl in's Auge fassen,
denn zum zweiten Male — brächt' ihn keiner mehr heraus."

„Sorgt nicht, hoher Herr," rief der Ehrwürdige — „sei-
nen und meinen heißen Dank dafür!" Er wollte des Herzogs
Hand küssen. Der zog sie aber zurück, erhob sie sanft drohend
und sprach: „Herr Pater, Herr Pater, wenn wir nur keinen
Fehlschuß thun!" Dann entließ er ihn.

Als der Pater das Gemach verlassen hatte, sah der Her-
zog eine Weile gedankenvoll zu Boden.

„Ob das gute Folge hat, sollte mir der fahrende Meister
weisen können," sagte er vor fich hin — „so weit möcht'
aber seine Kunst nicht gehen — muß ihn jedoch zu einer Zeit
rufen lassen, den Prahler." — Er ging in das nächste Ge-
mach. „Sultan!" mahnte er, unter der Thüre stehen bleibend.
Der Löwe richtete sich auf und folgte ihm.

3.

Es war des anderen Tages um die zwölfte Stunde, da
gerieth die ganze Hofburg in Ausruhr, denn so etwas hatte man
seit Jahren nicht vernommen. Des Herzogs Löwe brüllte, daß
man es von einem Ende des Schlosses bis zum anderen hörte,
und rein schien es, er sei toll geworden. Also war da kein
kleiner Schrecken. Die Hofdamen und Edelsräulein verkrochen
fich nahezu in die Kamine oder unter die Himmelbetten und
den Männern war auch nicht am besten zu Muth. Die Frau
Herzogin aber suchte in ihrer Angst Schutz beim Gemahl.

Der war gerade daran, in die Gänge hinauszueilen. Ver-
geblich suchte die Herzogin ihn zurückzuhalten. Wenn's Kraft
zu zeigen, oder ein Abenteuer galt, achtete Albertus keine
Einreden. So wollte er fich auch jetzt so sein wie möglich
loswinden und am Trabanten vorüber, der mit lauter Stimme
ries: „Bleibt um Gottes Willen, hoher Herr; ich lasse ihn
nicht herein, wenn er daher kommt, stech' ich ihn nieder!"
wobei derselbe mit seiner Hellebarde mächtig ausfiel.

„Weh' dir, wenn du meinen Löwen verletzest!" donnerte
ihn der Herzog an.

Er schob den Trabanten bei Seite und eilte fort gegen des
Löwen Herberge. Des Herzogs Kammerdiener ater riß eine Renn-
lanze von der Wand, falls Noch an Mann ginge, und folgte.

Als Albertus um die dritte Ecke bog, kam der Löwen-
! Wärter Anselm gerade von der anderen Seile daher, und ries,
so laut er konnte: „Hoja, hoi, hoi Sultan, still, wird's

waS?! Wart du gelber Balg, ich will dir schrei'n und rumor'n
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